Insolvenzgeldfähigkeit von Mitgliedern einer DRK-Schwesternschaft

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 29. März 2017

 

Mitglieder einer Schwesternschaft sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Arbeitnehmer im Sinne des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. Ein Insolvenzgeldanspruch kann jedoch trotzdem bestehen.

 

[Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 21.02.2017]

 

Wird eine DRK-Schwester als Mitglied einer DRK-Schwesternschaft von dieser in einem vom Dritten betriebenen Krankenhaus eingesetzt, um dort nach dessen Weisung gegen Entgelt tätig zu sein, dann handelt es sich dabei um Arbeitnehmerüberlassung. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 21.02.2017 (Az.: 1 ABR 62/12). Der Betriebsrat des Krankenhauses könne einer derartigen Einstellung die erforderliche Zustimmung verweigern, wenn der Einsatz gegen das Verbot der nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung nach
§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verstoße, so das BAG.

 

1. Ausgangssituation

Die Arbeitgeberin beabsichtigte zum 01.01.2012 eine Krankenschwester, die Mitglied einer DRK-Schwesternschaft ist, in ihrem Krankenhausbetrieb einzusetzen. Grundlage war ein mit der DRK-Schwesternschaft geschlossener Gestellungsvertrag. Der Betriebsrat der Arbeitgeberin verweigerte jedoch form- und fristgerecht seine Zustimmung zu der Einstellung. Er machte geltend, es handele sich um eine verbotene, weil dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung. Das Landesarbeitsgericht hatte dem Antrag der Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen, stattgegeben.

Auf das daraufhin vom BAG durch Beschluss vom 17.03.2015 an den EuGH gerichtete Vorabentscheidungsgesuch hat dieser mit Urteil vom 17.11.2016 (C-216/15) entschieden: „Art. 1 Abs. 1 und 2 der Leiharbeitsrichtlinie vom 19.11.2008 ist dahin auszulegen, dass die durch einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, gegen ein Gestellungsentgelt erfolgende Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein entleihendes Unternehmen, damit das Mitglied bei diesem hauptberuflich und unter dessen Leitung gegen eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dies gilt auch, wenn das Mitglied nach nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag geschlossen hat.”. Das BAG hat den Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin daraufhin abgewiesen. Nach Auffassung des BAG hat der Betriebsrat die Zustimmung somit zu Recht verweigert.

 

Denn bei der Gestellung der DRK-Schwester handele es sich um Arbeitnehmerüberlassung. Aufgrund der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung liege diese auch dann vor, wenn ein Vereinsmitglied gegen Entgelt bei einem Dritten weisungsabhängig tätig sei und dabei einen Schutz genieße, der – wie bei den DRK-Schwestern – dem eines Arbeitnehmers entspreche.

 

Mit dieser Entscheidung muss das Geschäftsmodell „Personalgestellung” bis zur Schaffung einer Ausnahmevorschrift zugunsten der Schwesternschaften folglich als hohes Risiko eingestuft werden, da es unter diesen Voraussetzungen kaum mehr durchführbar sein dürfte. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen das Personalgestellungsmodell Hauptzweck des Vereins ist.

 

2. Ist eine Restrukturierung durch ein gerichtlich geordnetes Verfahren (Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren) möglich?!

Fraglich ist insoweit, ob eine Neuausrichtung der entsprechenden DRK-Schwesternschaften – ggf. in einem geordneten gerichtlichen Restrukturierungsverfahren – realisierbar ist. Das neue Restrukturierungsrecht (ESUG) beantwortet in gewisser Weise diese Frage, da es grundsätzlich die entsprechenden Möglichkeiten bietet.

 

Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beinhaltet weitreichende Änderungen der Insolvenzordnung. Das bisherige Insolvenzrecht verhinderte in vielen Fällen, dass lebensfähige Unternehmen durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren saniert werden konnten, weil die fehlende Berechenbarkeit eines Insolvenzverfahrens die betroffenen Unternehmen davon abhielt, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu Restrukturierungszwecken zu stellen. Vielmehr wurde der Weg über die außergerichtliche Sanierung so lange fortgeführt, bis alle Reserven verbraucht waren und letztlich doch nur noch die Liquidation des Unternehmens übrig blieb.

 

Heute ist der Weg durch ein geordnetes gerichtliches Verfahren berechenbarer. Ein großer Vorteil ist dabei die Schaffung von Liquidität im Antragsverfahren. In dem rund dreimonatigen Zeitraum zwischen der Insolvenzantragstellung und der Eröffnung des Verfahrens kann sich das Unternehmen neue Liquidität verschaffen, z.B. durch das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit.

 

Mit Blick auf die aktuelle Rechtsentwicklung stellte sich jedoch die Frage, ob DRK-Schwestern überhaupt insolvenzgeldfähig sind und diese Vorteile für sich beanspruchen können. Denn im Grunde handelt es sich nicht um originäre Arbeitnehmer sondern „lediglich„ um Mitglieder,

die – nur unionsrechtlich – als Arbeitnehmer behandelt wurden.

 

3. Insolvenzgeldfähigkeit von Mitgliedern einer DRK-Schwesternschaft

Mitglieder von Schwesternschaften sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Beschluss vom 17.03.2015, 1 ABR 62/12 (A)) wie bereits erwähnt keine Arbeitnehmer im Sinne des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung grundsätzlich in fremdbestimmter persönlicher Abhängigkeit. Rechtsgrundlage für die von ihnen geschuldeten Dienste sei aber kein privatrechtlicher Vertrag, sondern der privatautonom begründete Vereinsbeitritt zu der jeweiligen Schwesternschaft.

 

Zu berücksichtigen sind jedoch zunächst die unterschiedlichen Arbeitnehmerbegriffe. Das Bundesarbeitsgericht orientiert sich an dem sog. arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages (Arbeitsvertrag) unselbstständige, fremdbestimmte Dienstleistungen zu erbringen hat. Wer Arbeitnehmer ist, ist damit auch automatisch „Beschäftigter” im Sinne des Sozialgesetzbuches. Wer „Beschäftigter” im Sinne des Sozialgesetzbuches ist, muss aber nicht zwingend Arbeitnehmer sein.

 

Nach den §§ 165 ff. SGB III wird für einen Dreimonatszeitraum der Arbeitsentgeltanspruch der Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers geschützt. Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer-/innen einen Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie:

 

  • im Inland beschäftigt waren und
  • bei einem Insolvenzereignis für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

 

Der Begriff des Arbeitnehmers ist dabei in den Vorschriften über das Insolvenzgeld grundsätzlich nicht definiert. Klar ist aber: Geschützt werden sollen nach diesen Vorschriften Beschäftigte im arbeitsförderungsrechtlichen Sinne. Vor diesem Hintergrund ist für die Frage des Insolvenzgeldes auch der arbeitsförderungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu Grunde zu legen. Das bedeutet, dass demnach auch die Mitglieder einer Schwesternschaft grundsätzlich insolvenzgeldfähig sein müssen.

 

4. Fazit

Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass die Mitgliedereigenschaft einer Restrukturierung mit Hilfe eines gerichtlichen Verfahrens (z.B. Schutzschirmverfahren, Eigenverwaltungsverfahren) nicht entgegensteht. Zwar sind DRK-Schwestern keine originären Arbeitnehmer, sie sind aber unter dem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zu fassen, was den Zugang zu § 165 SGB III ermöglicht. In einem von Rödl & Partner im süddeutschen Raum betreuten Verfahren ist dies in Abstimmung mit der zuständigen örtlichen Arbeitsagentur bereits erfolgreich umgesetzt worden.

 

Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie hierzu gerne! 

 

Kontakt

Contact Person Picture

Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

Partner

+49 911 9193 3713

Anfrage senden

Profil

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu