Keine Offenlegungspflichten für Universitätsklinika in der Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) nach dem Publizitätsgesetz (PublG)

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veröffentlicht am 2. Mai 2017

 

Derzeit werden bundesweit Anfragen durch den Bundesanzeiger an Universitätsklinika mit dem Hinweis verschickt, dass ggf. Jahres- und Konzernabschlüsse im elektronischen Bundesanzeiger offenzulegen sein könnten. Nach unserer Auffassung unterliegen Universitätsklinika in der Rechtsform einer AöR jedoch nicht dem Unternehmensbegriff des PublG und dürften somit von dieser Vorschrift nicht betroffen sein.

 

​1. Ausgangssituation

Bisher war in der Praxis von einer Offenlegungspflicht für Jahres- und Konzernabschlüsse eines Universitätsklinikums (AöR) nicht die Rede. Lediglich vereinzelt gab es Universitätsklinika (AöR), die ihre Konzernabschlüsse freiwillig offenlegten. Aktuell hat ein Schreiben des Bundesanzeiger Verlags die unterschiedlichen Universitätsklinika erreicht, mit dem Hinweis, dass festgestellt wurde, dass die Jahres- und Konzernabschlüsse für bestimmte Jahre noch nicht eingereicht worden seien. Dem Bundesanzeiger Verlag ist vom Bundesministerium neben der elektronischen Veröffentlichung aller Abschlussunterlagen auch die Aufgabe übertragen worden, die Befolgung einer Offenlegungspflicht, d.h. die fristgemäße und vollständige Einreichung solcher Unterlagen, zu prüfen, sofern sie besteht. Eine solche Offenlegungspflicht dürfte für Universitätsklinikums (AöR) indes nicht bestehen.

 

2. Rechtsauffassung

Eine Offenlegungspflicht kommt nach dem PublG für Anstalten des öffentlichen Rechts nur in Betracht, wenn es sich um einen Kaufmann nach dem HGB oder – für den Konzernabschluss – um ein „Unternehmen” im Sinne des PublG handelt. Die Kaufmannseigenschaft scheitert bereits daran, dass Anstalten des öffentlichen Rechts nicht im Handelsregister eingetragen sind. Das Universitätsklinikum ist u.E. auch kein Kaufmann i.S.d. § 1 HGB. Es fehlt an der selbständigen, eigenerwerbswirtschaftlichen Zweckverfolgung. Denn Universitätsklinika sind in der Regel selbstlos tätig und verfolgen gerade keine eigenwirtschaftlichen Zwecke.

 

Der Begriff des „Unternehmens” ist nicht definiert, dennoch sind sie auch nicht als „Unternehmen” nach dem PublG einzuordnen. Die Kaufmannseigenschaft ist zwar keine notwendige Bedingung für die Existenz eines Unternehmens. Da das PublG die durch die Rechtsformbezogenheit des HGB entstandene Lücke schließen soll, erscheint es aber zweckmäßig, zum einen das Unternehmensverständnis des Rechts der verbundenen Unternehmen gem. HGB heranzuziehen und zum anderen zusätzlich den Unternehmensbegriff des PublG entsprechend dem Gesetzeszweck auszulegen.

 

Publizitätsgesetz als Gläubigerschutzgesetz

Mit dem Publizitätsgesetz soll die Publizität von Unternehmen gefördert und geregelt werden mit dem Ziel der erweiterten Information der Öffentlichkeit über das Betriebsgeschehen, insbesondere über die wirtschaftliche Situation und Erfolge des Unternehmens. Das PublG dient grundsätzlich und ausschließlich dem Gläubigerschutz. Der Unternehmensbegriff des Publizitätsgesetzes stellt insgesamt auf eine eigenerwerbswirtschaftliche Betätigung ab. Der Zweck der Publizität ist nach der amtlichen Begründung dazu bestimmt, vorhandenen und potentiellen Gläubigern zu ermöglichen, sich über die Lage ihres Schuldners und das ihm haftende Vermögen zu unterrichten. Der Gläubigerschutz stand im Fokus der damaligen Gesetzesbegründung.

 

Selbst die EU-einheitlichen strengen Publizitätsvorschriften (vgl. Entwurf KapCoRiLiG für Kapitalgesellschaften) waren seinerzeit ausdrücklich allein mit dem Ziel des Gläubigerschutzes eingeführt worden. Bei der nationalen Umsetzung hat die Bundesrepublik Deutschland den Anwendungsbereich der Publizitätsvorschriften bereits über den Wortlaut der EU-Richtlinien hinaus ausgedehnt und die erweiterte Publizität für alle Gesellschaften eingeführt, bei denen ausschließlich Kapitalgesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter eingesetzt sind. Zu berücksichtigen ist aber, dass sämtliche Gesellschaften/Gesellschaftsformen, die der Gesetzgeber im Fokus hatte, grundsätzlich insolvenzfähig sind (vgl. § 11 InsO). Und für insolvenzfähige Institutionen besteht auch unter Gläubigerschutzgesichtspunkten ein Bedürfnis für die Offenlegung von Konzernabschlüssen.

 

Gläubigerschutz nicht notwendig bei Gewährträgerhaftung

Die Frage, ob bei einem Universitätsklinikum eine Sicherstellung des Gläubigerschutzes durch die Anwendung des PublG notwendig ist, kann klar verneint werden. Denn Universitätsklinika unterliegen den unterschiedlichen landesrechtlichen Sondervorschriften (vgl. z.B. Universitätsklinikagesetz BW, Universitätsklinikagesetz Sachsen, Bayerisches Universitätsklinikagesetz etc.). Diese Gesetze beinhalten regelmäßig die sog. Gewährträgerhaftungen. Das bedeutet, für die Verbindlichkeiten eines Klinikums haftet neben diesem das jeweilige Land, soweit die Befriedigung aus dem Vermögen des Klinikums nicht zu erlangen ist (vgl. z.B. Art. 3 BayUniKlinG, § 1 Abs. 4 Berliner UniMedG, § 4 Abs. 1 HESUniKlinG, § 3 SaUKG; § 9 Abs. 3 NRW UKVO). Die Insolvenzfähigkeit eines Universitätsklinikums ist daher per se ausgeschlossen, weshalb es eines Gläubigerschutzes durch das PublG nicht bedarf.

 

3. Praxisempfehlung

Wir können nur dazu raten, nicht im „vorauseilendem Gehorsam” einer entsprechenden Offenlegung nachzukommen, sondern den jeweiligen Einzelfall prüfen zu lassen und vor allem den Diskurs zu suchen. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist eine tragende Säule des Sozialstaats. Universitätsklinika sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und widmen sich neben der medizinischen Versorgung der Forschung und Lehre. Sie sind daher als öffentliche Einrichtungen einer demokratischen Kontrolle und Steuerung unterworfen. Ein Bedürfnis für eine Offenlegungspflicht nach dem PublG besteht daher – auch aufgrund der geltenden Gewährträgerhaftung – u.E. nicht. Die Rechtsauffassung zu diesem Themenkomplex sollte gut nachvollziehbar begründet mit dem Bundesanzeiger erörtert werden. Wir befinden uns derzeit für einige unserer Mandanten in einem sehr konstruktiven Austausch mit den entsprechenden staatlichen Stellen.

Kontakt

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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