Bundesfinanzhof bestätigt Vollverzinsung von 6 Prozent auf Steuern

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von Wibke Ullmann

veröffentlicht am 27. April 2018

 

In seinem Urteil bestätigte nun der Bundesfinanzhof, dass die Höhe der Nachforderungszinsen weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Übermaßverbot verstößt.

 

​Die Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ist seit dem Jahr 1961 unverändert. Sie wurde – auch wegen der Vereinfachung für die Steuerverwaltung – in der Hochzinsphase nie angepasst. Steuerpflichtige sind davon zu ihren Gunsten wie auch zu ihren Ungunsten betroffen.


Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat 0,5 Prozent.


Mit Beschluss vom 17. August 2017 entschied das Finanzgericht Münster, dass der Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen mit 6 Prozent p.a. [0,5 Prozent pro Monat] als akzeptabel gilt. Geklagt wurde in diesem Fall gegen die Höhe der Nachforderungszinsen für das Jahr 2013. Der Bundesfinanzhof schloss sich in seinem Urteil vom 09. November 2017 dieser Entscheidung an.


Es bleibt abzuwarten, ob die zugelassene Revision unter dem Az. III R 25/17 beim Finanzgericht Münster nach der Entscheidung durch den Bundesfinanzhof den bislang seit über 50 Jahre geltenden Prozentsatz der Verzinsung ändern kann.


Angesichts der Niedrigzinsphase erscheint die Vollverzinsung mit 6 Prozent im Jahr (§ 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) zu hoch – das gilt nicht nur für betroffene Steuerpflichtige, sondern auch für den Bund der Steuerzahler. Dieser hatte mit einem Musterverfahren, mit einem Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen, prüfen lassen, ob der Zinssatz noch zeitgemäß ist.


Der BFH begründete seine Entscheidung der Vollverzinsung u.a. am allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und arbeitete hierbei bereits ergangene Rechtsprechung des BVerfG auf. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes. Dass die Zinserhebung ohne Rücksicht auf den Grund der Nachzahlung und die Entstehung eines tatsächlichen Vorteils erfolgt, entspricht einem angemessenen Praktikabilitätsgedanken.


Der BFH beschäftigte sich in seiner Begründung weiter mit der Höhe des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1 AO. Für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sah der BFH keinen Ansatzpunkt, da eine Differenzierung zulässigerweise bereits bei der Feststellung der Zinspflicht erfolgt und gerade nicht an einer unterschiedlichen Zinshöhe ansetzt.


Auch die Zinshöhe ist nicht wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig. Im Hinblick auf die durch § 233a AO bezweckte Abschöpfung von potentiellen Liquiditätsvorteilen bedarf es nach Auffassung des Senats einer umfassenden Betrachtung der Entscheidungsalternativen, die dem Steuerpflichtigen bei der Finanzierung von Steuernachzahlungen und der Anlage des nicht zu Steuernachzahlungen benötigten Kapitals zur Verfügung stehen. Für eine Beurteilung der Angemessenheit der Zinshöhe hielt der BFH eine umfassende Betrachtung der Anlage- und Finanzmöglichkeiten erforderlich. Auf der Grundlage von Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der BFH die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Bandbreite von 0,15 bis 14,7 Prozent bewegten [Quelle: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, März 2014]. Obwohl der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit dem Jahr 2011 auf unter 1 Prozent gefallen war, konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen hat.

 
Schließlich wird die Höhe der Steuerzinsen – im Verhältnis zum so ermittelten „Durchschnittsmarktniveau” – relativiert durch die bestehende 15 Monatige Karenzzeit, die Begrenzung der Verzinsung auf volle Monate und den Verzicht der Zinsenzinsen.
Der Steuerpflichtige hat laut BFH jederzeit die Möglichkeit, eine als unangemessen betrachtete Zinsbelastung zu vermeiden; durch frühzeitige, vollumfängliche Deklaration, Heraufsetzung von Vorauszahlungen sowie die Leistung von freiwilligen Sondervorauszahlungen.


Es bleibt abzuwarten, wie die eingelegte Revision unter dem Aktenzeichen III R 25/17 (Vorinstanz: FG Münster – 10K 2472/16) beurteilt wird und ob eine Untersuchung der aktuellen Zinsbandbreite einen anderen Aufschluss zeigen wird.

 

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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