Umsatzbesteuerung des Säugling- und Kleinkinderschwimmens

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veröffentlicht am 30. August 2018

von Jan-Claas Hille und Dominik Wirtz

 

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied im Verfahren 1 K 3226/15 am 14. Juni 2018, dass Schwimmkurse für Kleinkinder vom 1. bis zum 3. Lebensjahr von der Umsatzsteuer befreit sind, wohingegen Schwimmkurse für Säuglinge im Alter von drei bis zwölf Monaten nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Solange Tätigkeiten nicht nur die Merkmale einer einfachen Freizeitgestaltung aufweisen, sondern auch dazu dienen, Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern zu fördern und zu entwickeln, sind diese Tätigkeiten steuerbefreit.

 

Die Klägerin betreibt seit dem 30. April in angemieteten Schwimmhallen eine Schwimmschule für Kinder und Erwachsene. Sie führt von ihr speziell entwickelte Schwimmkurse für Säuglinge (3 bis 12 Monate), Kleinkinder (1. bis 3. Lebensjahr), Kleinkinder vom (3. bis 6. Lebensjahr) und Kinder (ab dem Alter von 5 ½ Lebensjahren) durch. In den Schwimmkursen für Sauglinge werden diese von ihren Eltern gehalten und bewegt. Kleinkinder bewegen sich zunächst mit der Unterstützung der Eltern, die ihre Hilfe schrittweise zurücknehmen. Die Klägerin behandelte sämtliche Schwimmkurse gem. § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) als steuerfreie Leistungen. Es wurden keine Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gestellt. Eine Steuerbefreiung für das Kleinkinderschwimmen unter drei Jahren lehnte das Finanzamt ab, wohingegen bei Kleinkinderschwimmkurse über drei Jahren eine Steuerbefreiung zugelassen wurde, nachdem eine der Klägerin hierfür eine Bescheinigung von dem Regierungspräsidium erteilt worden war. Die von der Klägerin erhobene Klage begehrt die Steuerbefreiung auf für das Säuglingsschwimmen und das Kleinkinderschwimmen unter drei Jahren.

 

Das Finanzgericht war nun vor die schwierige Aufgabe gestellt, zu unterscheiden, wann Kinder zum Lernen fähig sind und wann es sich um reine Freizeitgestaltung handelte. Das Gericht sah dies als eine der entscheidenden Grundlagen für die Voraussetzung der Steuerbefreiung an und teilte seine Beurteilung daher in zwei Teile auf. Denn nach Ansicht des Gerichts kommt es bei der Frage des Lernens – zumindest im Bereich des Schwimmens – auf die Unterstützung der Eltern an. Können sich die Kinder ohne Unterstützung der Eltern „alleine” im Becken bewegen, ist die Grenze zur Freizeitgestaltung überschritten. Für das Gericht liegt diese Grenze bei 12 Monaten. Das bedeutet, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG bis zu 12 Monaten nicht vorliegt, aber ab dem ersten Lebensjahr sehr wohl.

 

Da die Schwimmlehrerin den Unterricht „als Privatlehrerin erteilt”, was im Zusammenhang mit dem Unionsrecht eine eigenständige Arbeit (auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung) und zusätzlich an fachliche Fähigkeiten und Konzepte knüpft, ist fraglich, ob auch Badeabteilungen von Krankenhäusern von der Befreiung nach § 4 Nr. 21 a geschweige denn b UStG profitieren können. Unseres Erachtens dürfte diese Entscheidung wohl in diesen Fällen nicht zutreffend sein. Jedoch könnte dies auch Einfluss auf andere Leistungen abseits des Schwimmunterrichts haben. Bei einer vergleichbaren Konstellation könnte bspw. auch bestimmte Leistungen von „Privatlehrern” in Kindergärten erfasst werden. Dafür sind die weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG in Verbindung mit dem Unionsrecht jedoch im Einzelfall zu prüfen.

 

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Jan-Claas Hille

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR)

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