Videoüberwachung: Überschreiten der üblichen Speicherzeit von 48 Stunden führt nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot [Bundesarbeitsgericht, AZ 2 AZR 133/18]

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veröffentlicht am 27. September 2018

 

Wenn die Auswertung von Videoaufnahmen aus einem konkreten Anlass heraus erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Aufnahmen eigentlich schon hätten gelöscht sein müssen, bedeutet dies nicht notwendigerweise ein gerichtliches Verwertungsverbot. Ein sorgfältiger und sparsamer Umgang mit dem Instrument Videoüberwachung sowie die Erstellung einer Datenschutzfolgenabschätzung sind jedoch zwingend erforderlich.

 

Die EU Datenschutzrundverordnung enthält in Art. 5 Abs. 1 lit. e) ein Löschgebot. Demnach darf die Identifizierung betroffener Personen mit Hilfe personenbezogener Daten nur so lange ermöglicht werden, wie es für den betreffenden Verarbeitungszweck erforderlich ist. Für eine Videoüberwachung, wenn sie denn grundsätzlich zulässig ist, gehen die Aufsichtsbehörden im Regelfall davon aus, dass eine Speicherdauer von 48 bis 72 Stunden als Obergrenze anzusehen ist.


Das Bundesarbeitsgericht hatte nun in einer Kündigungsschutzklage zu entscheiden. Der Arbeitgeber hatte unmittelbar nach der Feststellung eines Fehlbestandes in seinem Warenlager Videoaufzeichnungen zurückliegender Monate ausgewertet. Dabei hatte sich herausgestellt, dass eine Mitarbeiterin mehrmals Waren entwendet hatte. Diese Diebstähle lagen allerdings zum Zeitpunkt der Nachforschungen bereits mehrere Monate zurück. Sie wurden dennoch aufgedeckt, weil die Videoaufnahmen des fraglichen Zeitraumes über mehrere Monate gespeichert worden waren.


Die Vorinstanzen waren wegen der erheblichen Überschreitung der allgemein anerkannten Speicherdauer von einem Verwertungsverbot ausgegangen. Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch anders. In der Pressemeldung des BAG bzgl. des Urteils vom 23. August 2018 heißt es: „Sollte es sich - was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann - um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das […] allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.”


Das BAG weist in seinen Ausführungen ausdrücklich darauf hin, dass auch die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der Videoaufnahmen nicht im Wege gestanden hätten, wenn denn die Überwachung selbst rechtmäßig sei.


Auch in der Sozialwirtschaft, beispielsweise in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, wird nicht selten mit Videoüberwachung gearbeitet. Unabhängig von diesem Urteil ist den Unternehmen ein sorgfältiger und sparsamer Umgang mit diesem Instrument sehr zu empfehlen. So ist die Videoüberwachung generell nur statthaft, wenn sie als das mildeste gleich geeignete Mittel zur Erreichung eines (legitimen) Zwecks einzustufen ist. Eine Datenschutzfolgenabschätzung, also eine umfassende Bewertung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den angestrebten Zweck, ist grundsätzlich für jede einzelne Kamera erforderlich. Eine Kenntlichmachung der Überwachung durch Beschilderung nach den aktuellen Standards ist ebenso unverzichtbar. An die Einhaltung des Gebots der Datensparsamkeit werden naturgemäß bei der Videoüberwachung besonders hohe Anforderungen gestellt. Der Verantwortliche sollte sich beim Einsatz von Videoüberwachung zunächst die Frage stellen, ob für die verfolgten Zwecke bereits ein Live-Monitoring ausreicht oder die Bilder zur Zweckerreichung tatsächlich gespeichert werden müssen. Hinzu kommt, dass die Überwachung von Räumen, in denen sich ausschließlich Arbeitnehmer (und keine Kunden oder andere Betriebsfremde) aufhalten, auch aus arbeitsrechtlichen Aspekten heraus problematisch ist.

 

 

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Christoph Naucke

Betriebswirt (Berufsakademie), Zertifizierter Compliance Officer, Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR), Datenschutzauditor (TÜV), IT-Auditor IDW

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