Auswirkungen des Gesetzes zum Ausgleich finanzieller Belastungen von Krankenhäusern durch COVID-19

PrintMailRate-it

​​veröffentlicht am 23. März 2020, aktualisiert am 17. April 2020

 

Das neu vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz zum Ausgleich finanzieller Belastungen von Krankenhäusern durch COVID-19 stellt Krankenhäuser vor zusätzliche Aufgaben. Neben einer Vielzahl von Entlastungen birgt es jedoch auch zusätzliche wirtschaftliche Risiken. So dürfte die Einführung der tagesbezogenen Pauschale zum Ausgleich einer geringeren Fallzahl durch abgesagte bzw. verschobene Behandlungen die Erlösausfälle und entstehenden Mehrkosten wegen hoher Behandlungskomplexität voraussichtlich nicht vollumfänglich abdecken. Ferner fehlen weitreichende Maßnahmen zur Sicherstellung der kurzfristigen Liquiditätsausstattung. Insbesondere durch das in 2020 eingeführte Pflegebudget stehen Krankenhäuser – neben der Bewältigung der Corona-Pandemie – zusätzlich vor der Herausforderung, die Verhandlungen für das Pflegebudget 2020 entsprechend vorbereiten zu müssen um zusätzliche negative Auswirkungen auf die Liquiditätssituation zu reduzieren.

 

Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit Schreiben vom 13. März 2020 die Krankenhäuser dazu aufgerufen, alle geplanten Aufnahmen, Operationen und Eingriffe – soweit medizinisch vertretbar – auf unbestimmte Zeit zu verschieben bzw. auszusetzen. Einzelne Landesministerien für Gesundheit und Pflege haben zeitgleich entsprechende Allgemeinverfügung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erlassen. Mit dem „Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen” vom 23. März 2020 sollen die hierdurch entstehenden Erlösausfälle und finanziellen Mehrbelastungen der Krankenhäuser kompensiert werden.

 

Der systematische Ansatz des Gesetzgebers

Die durch Verschiebung oder Aussetzung planbarer Aufnahmen, Eingriffe oder Operationen entstehenden Einnahmeausfälle werden ausgeglichen, indem Krankenhäuser einen Pauschalbetrag erhalten sollen. Die Höhe des Pauschalbetrags richtet sich danach, wie stark die aktuelle Zahl der teil- oder vollstationär behandelten Patientinnen und Patienten von der Zahl der im Jahr 2019 durchschnittlich pro Tag teil- oder vollstationär behandelten Patientinnen und Patienten abweicht. Für zusätzlich geschaffene oder vorgehaltene Intensivbetten erhalten bestimmte Krankenhäuser, einen bundeseinheitlichen Bonus, der ebenfalls aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vorfinanziert und aus dem Bundeshaushalt refinanziert wird. Adressat sind die Krankenhäuser, die vom jeweiligen Land für die schwerpunktmäßige Versorgung von Patientinnen und Patienten festgelegt worden sind.

 

Der neu eingeführte § 21 KHG regelt hierbei, dass Krankenhäuser erstmals ab dem 16. März 2020 eine Ausgleichszahlung für COVID-19 bedingte Mehrkosten bzw. Erlösausfälle abrechnen können. Hierzu sollen die Krankenhäuser zunächst den Jahresdurchschnitt der voll- oder teilstationär behandelten Patienten des Jahres 2019 als Referenzwert ermitteln und mit der tagesaktuellen Anzahl der behandelten Patienten, erstmals ab dem 16. März 2020, vergleichen. Sofern dieser Wert größer als Null ist, ist dieser mit einer tagesbezogenen Pauschale zu multiplizieren.

 

Die tagesbezogene Pauschale beträgt unabhängig von der Anzahl der stationären Betten einheitlich 560 EUR.

 

Berechnungsmethode

Sofern die tagesbezogene Belegung kleiner ist als der Referenzwert, ergibt sich folgende Berechnung für die Ausgleichszahlung:

 

Ausgleichszahlung = (Referenzwert - Tagesbezogene Belegung) * 560 EUR

 

Beispiel

Das Musterkrankenhaus hatte für das Jahr 2019 eine durchschnittliche Belegung von  850 Patienten pro Tag. In der Woche vom 16. März bis 22. März wurden im Musterkrankenhaus auf Grund der Reduzierung der elektiven Behandlungen die nachfolgenden beispielhaften Fallzahlen pro Tag behandelt:

 

Tag​beh. PatientenDifferenzAusgleich (EUR)
​16.03.2020​700​150​84.000,00
​17.03.2020​715​135​75.600,00
​18.03.2020​720​130​72.800,00
​19.03.2020​710​140​78.400,00
​20.03.2020​690​160​89.600,00
​21.03.2020​680​170​95.200,00
​22.03.2020670​180​100.800,00​
Woche48851.065596.400,00

 

Aus der beispielhaften Belegung ergibt sich jeweils eine Unterschreitung der stationären Fallzahlen im Vergleich zum Referenzwert, die tagesbezogen mit 560 EUR multipliziert wird. Am Ende der Woche wird in diesem Beispiel insgesamt eine Ausgleichszahlung in Höhe von 596.400 EUR an die zuständige Landesbehörde gemeldet.

 

Meldung an die zuständige Landesbehörde

Die Meldung der geforderten Ausgleichsbeträge je Kalendertag erfolgt jeweils wöchentlich an die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde. Die so gemeldeten Beträge sollen durch die Landesbehörden unverzüglich aufsummiert an das Bundesamt für Soziale Sicherung gemeldet werden. Dieses veranlasst die Auszahlung der Beträge aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds an die jeweiligen Bundesländer, die wiederum die Beträge zeitnah an die jeweiligen Krankenhäuser auszahlen sollen.

 

Irrelevanz der Ausgleichszahlungen beim Gesamtbudget

Die Ausgleichszahlungen sind zudem nicht für den Gesamtbetrag der Erlöse bzw. die Erlösausgleiche nach dem Krankenhausentgeltgesetz relevant. Zudem können die Vertragsparteien für die Mehr- oder Mindererlöse auch nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums einen von den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 S. 3 und 4 KHEntgG abweichenden Ausgleich vereinbaren.

 

Keine Anwendung des Fixkostendegressionsabschlag in 2020

Weiterhin soll der Fixkostendegressionsabschlag für das gesamte Jahr 2020 nicht angewendet werden.

 

Gesonderter Förderbetrag für die Intensivmedizin

Darüber hinaus sollen für die intensivmedizinische Behandlung zugelassene Krankenhäuser für alle bis 30. September 2020 zusätzlich aufgestellten bzw. eingerichteten intensivmedizinischen Behandlungseinheiten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit einmalig einen Förderbetrag in Höhe von 50.000 EUR erhalten. Der Finanzierungsbetrag ist in die wöchentlichen Meldungen aufzunehmen.

 

Schnellere Zahlungsmodalitäten für Krankenhausrechnungen

Ferner wird durch den neuen § 330 SGBV für die Zahlungsfrist von Krankenhausrechnungen eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2020 erlassen. Hierdurch werden die Krankenkassen verpflichtet Krankenhausrechnungen innerhalb von fünf Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen.

 

Reduzierung der Prüfquote für MDK-Prüfungen

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Reduzierung der Prüfquote für MDK Prüfungen im Jahr 2020 auf 5 Prozent. Die Reduzierung der Prüfquote gilt auch rückwirkend bereits für das erste Quartal 2020. Weiterhin wird der Aufschlag für beanstandete Abrechnungen in Höhe von 10 Prozent bzw. mindestens jedoch in Höhe von 300 EUR für die Jahre 2020 und 2021 vollständig ausgesetzt. Auf diese Weise sollen mögliche Liquiditätsengpässe bei Krankenhäusern deutlich reduziert werden.

 

Rechnungszuschlag für medizinische Schutzausrüstung

Die zu erwartenden Zusatzkosten der Krankenhäuser durch den deutlich erhöhten Mehrbedarf an medizinischer Schutzausrüstung werden zudem durch einen fallbezogenen Zuschlag in Höhe von 50 EUR je Patient (für alle Patienten des Krankenhauses) berücksichtigt. Der fallbezogene Zuschlag ist allerdings auf zunächst acht Wochen befristet.

 

Herausforderungen und Risiken bei grossen Häusern

Vor allem die Erlösausfälle von Universitätsklinika und Krankenhäuser der Maximalversorgung mit einer sehr hohen Behandlungskomplexität werden durch die Neuregelung voraussichtlich nicht vollständig kompensiert. So beträgt die tagesbezogene Pauschale für Krankenhäuser hochgerechnet auf ein Kalenderjahr ca. 55 bis 56 Case Mix Punkte pro Bett.

 

Das Gesetz hat ebenfalls Auswirkungen auf das im Jahr 2020 eingeführte Pflegebudget. Das Pflegeentgelt wird von 146,55 EUR auf zukünftig 185 EUR erhöht. Im Falle einer Überdeckung der Pflegepersonalkosten durch das erhöhte Pflegeentgelt ist eine Spitzabrechnung am Ende des Jahres 2020 nicht vorgesehen. Sofern die tatsächlichen Personalkosten für Pflegepersonal in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen über 185 EUR liegen, sind die Krankenhäuser weiterhin angehalten die Verhandlungen für das Pflegebudget entsprechend vorbereiten zu müssen. Unterdeckungen, die sich aus höheren krankenhausindividuellen Pflegepersonalkosten ergeben, werden auch weiterhin nach der Vereinbarung eines krankenhausindividuellen Pflegebudgets finanziert. Insbesondere die zu erwartende Verschiebung der Bewertungsrelationen in der Pflege durch die Corona-Pandemie wird die Krankenhäuser vor weitere Herausforderungen stellen. Insbesondere sind weitere Maßnahmen zur kurzfristigen Liquiditätsausstattung von Krankenhäusern in dem Gesetzesvorhaben nicht enthalten. Darüber hinaus birgt das bereits aktuell eingeführte Pflegebudget trotz des erhöhten Pflegeentgelts von zukünftig 185 EUR entsprechende Liquiditätsrisiken. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Krankenhäuser insbesondere zur Sicherstellung ihrer kurzfristigen Zahlungsfähigkeit auf zusätzliche externe Finanzierungen angewiesen sein werden.

 

Fazit: Gut gedacht aber Obacht!

Das Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen stellt für die Krankenhäuser sicherlich eine Entlastung gegenüber der bisherigen Gesetzeslage dar. Allerdings wird für die Krankenhäuser durch das Gesetz ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand geschaffen. Darüber hinaus müssen Krankenhäuser die aktuellen Anpassungen individuell betrachten um die hieraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen beurteilen zu können. Das gilt insbesondere für die Zeit „nach Corona”! Damit es für Sie nicht „Nach der Krise ist vor der Krise” heißt finden Sie in unserem Downloadbereich für eine erste Ermittlung der tagesbezogenen Pauschalen sowie zur Abschätzung der Auswirkungen auf die Liquidität ein Ermittlungstool.

 

Unsere Corona Task Force für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft hilft Ihnen gerne bei der Analyse der Auswirkungen auf Ihr Krankenhaus. Sprechen Sie uns gerne an!

 

 

Kontakt

Contact Person Picture

Bernd Vogel

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

Partner

+49 911 9193 3657

Anfrage senden

Contact Person Picture

Daniel Finsterer

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

Partner

+49 221 9499 094 21

Anfrage senden

Liquidität trotz Corona

 Wir beraten Sie gern!

Deutschland Weltweit Search Menu