Stadtwerke Osnabrück vereint „multimodal” mit „on demand” in einer Mobilitätsplattform

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veröffentlicht am 5. September 2018

 

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projektes „Hub Chain” entwickelt die Stadtwerke Osnabrück AG eine Mobilitätsplattform. Darin sollen neue, flexible Mobilitätsformen mit den bestehenden takt- und liniengebundenen Angeboten des öffentlichen Personennahverkehrs verknüpft werden. Dadurch kann eine individuellere, besser auf den spezifischen Bedarf zugeschnittene Mobilität ermöglicht werden, die wiederum zur Stärkung der Multimodalität in Osnabrück beitragen soll.

 

Wir haben Herrn Werner Linnenbrink, Geschäftsbereichsleiter Mobilitätsangebot bei der Stadtwerke Osnabrück AG, zu diesem Thema interviewt.

 
RP: Mit dem vom Bundesministerium unterstützten Förderprojekt „Hub Chain” soll in den kommenden drei Jahren eine innovative Mobilitätsplattform für Osnabrück entstehen. Mit welchen konkreten neuen Angeboten können die ÖPNV-Nutzer rechnen?


Durch das Förderprojekt „Hub Chain” wollen wir einen wesentlichen Baustein für neue Mobilitätsangebote entwickeln – nämlich die Verbindung zwischen On Demand-Verkehren sowie linien- und fahrplanabhängigen ÖPNV-Angeboten. Mit der neuen Plattform wird die Zukunft vorbereitet: Die Vernetzung aller Mobilitätsbausteine – ohne Fahrplan und Linienbindung! Der Kunde bekommt einen Zugang per App, über den On Demand-Verkehre angefordert werden können. Wir als Verkehrsunternehmen erhalten eine intelligente Distributionsplattform, um diese flexiblen Verkehre und die bestehenden, linien- und taktgebundenen Verkehre aufeinander abstimmen zu können.


Bisherige On Demand-Angebote fokussieren sich alleine auf die Distribution der neu geschaffenen Angebote. Dementsprechend gibt es keine Verbindung zum bereits bestehenden ÖPNV-Angebot. Doch nur mit einer solchen Verknüpfung kann das Verkehrsaufkommen reduziert und der bestehende ÖPNV als Fundament mit der höchsten Bündelungsfunktion genutzt werden. Ansonsten entsteht kurz- bis mittelfristig nicht weniger Verkehr durch neue On Demand-Verkehre, sondern mehr. Getestet wird die Plattform in zwei Gebieten im öffentlichen Raum: in Osnabrück im suburbanen Raum und im Elde-Quellgebiet in Mecklenburg-Vorpommern im ländlichen Raum.

 

RP: Welche Verkehrsmittel wird die Mobilitätsplattform insgesamt beinhalten?


Langfristiges Ziel ist es unsere bereits bestehende Mobilitäts-App „VOSpilot” mit dem neuen Angebot zu erweitern. So haben wir bereits das Handy-Ticket und unser Carsharing-Angebot integriert, um beide Angebote aus einer App buchbar zu machen. Des Weiteren arbeiten wir über aktuelle Förderprojekte daran, zusätzliche Mobilitätsbausteine zu integrieren, z.B. Fahrradverleihsysteme oder Ladeinfrastruktur für E-Autos. Ziel ist es, für alle Kunden eine Mobilitäts-App zu haben, welche eine attraktive und simple Alternative zur Nutzung eines eigenen PKW bietet. Auch das On Demand-Angebot, welches wir in „Hub Chain” entwickeln, soll im Anschluss an das Projekt als Baustein integriert werden.

 

RP: Was können sich die Fahrgäste unter dem neuen On Demand-Angebot vorstellen?


Der Kunde kann über die App einen Mobilitätswunsch zu einer bestimmten Zeit anfragen. Die App bietet dem Kunden dann an, dass der On Demand-Shuttle ihn vor der Haustür (oder an einer virtuellen Haltestelle) abholt und zu einer zentralen Buslinie bringt, die ihn an sein Ziel bringt. Dabei ist es wichtig, dass der Kunde eine garantierte Anbindung an die Buslinie bekommt, so dass der Umstieg schnell und einfach stattfinden kann. Das ist der wichtigste Faktor, denn nur so kann man gegenüber einem privaten PKW konkurrenzfähig agieren. Der Kunde bekommt sowohl die Ankunftszeiten des On Demand-Verkehrs als auch die des Linienverkehrs und den Zeitpunkt seiner voraussichtlichen Zielankunft genannt. Somit kann dem Kunden ein gänzlich neues Servicelevel angeboten werden. Getestet wird die Plattform mit einem autonom fahrenden Shuttle-Bus: Hier wird in der ersten Testphase allerdings ein Steward mit an Bord sein, der bei Bedarf eingreifen kann. So werden alle Sicherheitsstandards erfüllt und das Fahrzeug wird sicher im öffentlichen Straßenverkehr navigiert.

 

RP: Wie stellen Sie sicher, dass die bisherigen ÖPNV-Nutzer den On Demand-Dienst lediglich zur Ergänzung des Linienverkehrs nutzen und nicht komplett auf das (bequemere) Angebot umsteigen?


Durch die Anbindung an unsere anderen Mobilitätsbausteine. Unser Ansatz ist es nicht, dass neue, kleine Fahrzeuge Kunden direkt von der Haustür zu ihrem Ziel bringen. So würde man lediglich die Kunden vom eigenen PKW in ein anderes kleines Fahrzeug bewegen. Ziel ist es, über ein Pooling möglichst viele Fahrtwünsche zu bündeln und diese Effekte mit zunehmender Stadtnähe zu verstärken. D.h. es wird bei einem liniengebundenen Busverkehr auf zentralen Achsen bleiben, der den Kunden an sein Ziel bringt und nur in ausgewählten Gebieten mit On Demand-Verkehren arbeitet. So können wir günstige ÖPNV-Tickets anbieten, die für den Kunden auch für das tägliche Pendeln wirtschaftlich attraktiv sind. Durch das neue Angebot wollen wir vor allem Regionen erreichen, in denen es aktuell keine Alternative zum eigenen PKW gibt, da kein wirtschaftlich tragfähiges ÖPNV-Angebot abbildbar ist und dieses in Zukunft gänzlich fehlen wird.

 

RP: Welche Funktionen sind für die Mobilitätsplattform vorgesehen, bspw. Information in Echtzeit, Navigation, Buchung und Bezahlung von Fahrten?


Der Kunde bekommt in Echtzeit angezeigt, welche Optionen er für die gewünschte Fahrt hat. Er wird im Anschluss zu der präferierten Fahrt navigiert und kann diese buchen. Da es im Förderzeitraum geplant ist, das Angebot kostenfrei anzubieten, wird eine Bezahlung erst im Anschluss in unser Gesamtvertriebssystem integriert werden. Der Kunde bekommt aber in jedem Fall gebündelte Informationen zur gesamten „Reisekette” und kann bei Bedarf in die einzelnen Positionen schauen. So stellen wir sicher, dass auch bei der Kombination mehrerer Verkehre eine Übersicht über die tatsächlich anfallenden Kosten oder beispielsweise auch die anzunehmende Dauer der Fahrt(en) schon vor Fahrtbeginn vorliegt. Nach der Projektlaufzeit, also Ende 2020, wird als payment das Check In Be Out (CiBo) integriert. Dieses stellen wir für den Stadtverkehr bereits in 2019 in den dauerhaften Kundenwirkbetrieb.

 

RP: Wird es im Zuge der Mobilitätsplattform auch neue Preismodelle zur Forcierung der Multimodalität geben?


Im Zuge der begleitenden Forschung des Projektes durch unsere Partner InnoZ und IKEM wird geschaut, inwieweit eine Tarifgestaltung für dieses neue Angebot aussehen könnte. Dabei spielen natürlich auch kombinierte Tarifangebote eine Rolle, z.B. ein kombiniertes Carsharing- und Busticket. Zusätzlich prüfen wir, je nach Dispositionsverlauf, ob die Preismodelle differenziert werden können. Das bedeutet z.B., dass ein Kunde, der eine Instant-Nutzung wünscht, mehr bezahlt als jemand, der seinen Fahrtwunsch erst in 2 Tagen in Anspruch nehmen wird.
 
RP: Was waren die Überlegungen des Projektkonsortiums bei der Entscheidung, die Mobilitätsplattform in Eigenregie zu erstellen? Welche Vorteile sehen Sie in der Eigenentwicklung der App?


Das Projektkonsortium wurde ganz gezielt ausgewählt. Jeder Projektpartner bringt seine Expertise auf einem ganz bestimmten Gebiet mit in das Projekt. Somit sind wir in der Lage, die Plattform unseren Ansprüchen entsprechend zu gestalten und können flexibel auf Anforderungen reagieren, welche sich im Projektverlauf ergeben. Weitere Instanzen oder Schnittstellen sind schnell und effektiv integrierbar und wir können stets auf ein sich rasch entwickelndes Umfeld und strikte rechtliche Rahmenbedingungen reagieren.


So profitieren alle Partner bestmöglich von den Projektergebnissen. Zudem sehen wir unseren Vorteil in der lokalen Verankerung – wir kennen die Stadt am besten und nur wir können auf ein bereits bestehendes Mobilitätsangebot aufbauen. Dementsprechend kann so ein sinnvolles Verkehrssystem für die Stadt entwickelt werden, welches lokal gesteuert wird.

 

RP: Wie reagieren die etablierten Mobilitätsdienstleister auf die Entscheidung, die Plattform auf eigene Faust zu entwickeln?


Wir befinden uns hier in einem kooperativen Austausch und schauen natürlich auch auf die Entwicklungen der anderen Mobilitätsdienstleister. Gerne hätten einige bei unserem Vorhaben mitgemacht und uns bei der Implementierung eines On Demand-Systems in Osnabrück unterstützt. Dies hätte sicherlich auch einige Vorteile bieten können, letztendlich haben wir uns aber für die Gründung des Projektkonsortiums entschieden, da wir hier Akteure aus verschiedensten Branchen zusammen bringen konnten und wir die intelligente Vernetzung mit unserem bestehenden ÖPNV-Angebot eigenständig lenken können.

 

RP: Wann planen Sie den Test des ersten Prototypen sowie den Launch der finalen Version?


Geplant ist es, die Plattform mit einem autonomen Fahrzeug ab Mai 2019 auf unserem Betriebsgelände zu testen. Ab August 2019 wollen wir dann im öffentlichen Raum testen. Nach einigen Monaten des Erprobens wird das Fahrzeug nach Mecklenburg-Vorpommern gehen.

 

RP: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Dieses Interview führten Herr Werner Linnenbrink, Geschäftsbereichsleiter Mobilitätsangebot bei der Stadtwerke Osnabrück AG und Nicole Biedermann, Koordinatorin Smart Mobility bei Rödl & Partner.

 

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