Verabschiedung neuer EU-Vergaberichtlinien

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Ende Februar wurden auf europäischer Ebene drei neue Richtlinien für das öffentliche Auftragswesen verabschiedet.

Neben dem Ersatz bereits bestehender Richtlinien [Vergaberichtlinie (alt: RL 2004/18/EG) und Richtlinie für die Sektorenvergabe (alt: RL 2004/17/EG)] wurde auch eine gänzlich neue Konzessionsrichtlinie verabschiedet.

Insbesondere die neue EU-Vergaberichtlinie (RL 2014/23/EU – Abl EU Nr. L 94 v. 28.3.2014) enthält Regelungen, die auf den ÖPNV-Sektor ausstrahlen können. So wird in der EU-Vergaberichtlinie Inhouse-Geschäfte erstmals kodifiziert (vgl. Art. 12 der Richtlinie). Ein Inhouse-Geschäft bzw. eine vertikale Zusammenarbeit ist nach der EU-Vergaberichtlinie vergaberechtsfrei, wenn

  • der öffentliche Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt. Dazu muss der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele als auch die wesentlichen Entscheidungen des Auftragnehmers ausüben (Art. 12 Absatz 1 Satz 2 der Vergaberichtlinie) und

  • mehr als 80% der Tätigkeiten des Auftragnehmers der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von einem öffentlichen Auftraggeber oder von dem öffentlichen Auftraggeber kontrollierten juristischen Personen betraut wurden. Hierfür ist nach Art. 12 Absatz 5 der Vergaberichtlinie der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor Vergabe des Auftrags maßgeblich und

  • grundsätzlich keine direkte private Kapitalbeteiligung an dem Auftragnehmer besteht, eine Ausnahme besteht für die Fälle, in denen die kein Beherrschungsverhältnis entsteht oder eine Sperrminorität besteht, in denen die Beteiligung eines privaten Partners gesetzlich vorgeschrieben ist, und keine maßgebliche Einflussnahmemöglichkeit auf den Auftragnehmer besteht.

Diese Vorgaben sind als Grundregeln zu verstehen und sollen auch für weitere Anwendungsfälle der Inhouse-Vergabe wie bei einer Subunternehmer-Vergabe oder modifiziert bei einer gemeinsamen Inhouse-Vergabe durch mehrere öffentliche Auftraggeber gelten (Artikel 12 Absatz 2 und 3 der Vergaberichtlinie). Bei einer Inhouse-Vergabe durch mehrere öffentliche Auftraggeber wird das Kriterium der gemeinsamen Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausführlich geregelt (Art. 12 Absatz 3 UA 2 der Vergaberichtlinie). Maßgeblich ist, dass die öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen maßgeblichen Einfluss auf Tätigkeit des Auftragnehmers ausüben.

Die Vergaberichtlinie enthält auch Vorgaben für die Vergabefreiheit von Verträgen im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit bzw. horizontaler Zusammenarbeit (vgl. Art. 12 Abs. 4 der Vergaberichtlinie). Maßgeblich sind hier die Erreichung eines gemeinsamen Ziels und die Durchführung dieser Kooperation ausschließlich im Zusammenhang mit einem öffentlichen Interesse. Der zulässige Umfang der Kooperation wird mit weniger als 20% der am offenen Markt durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten beziffert, d.h. die zulässige Geschäftstätigkeit dieser Kooperation ist stark begrenzt.

Die Richtlinien sind am 28.03.2014 im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden und traten am 17.4.2014 in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben bis zum 18.04.2016 Zeit, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen.

Bewertung für die Praxis:
Die EU-Vergaberichtlinie kann auch für den ÖPNV-Sektor Einfluss entwickeln, auch wenn mit der VO (EG) 1370/2007 ein Sondervergaberecht für den ÖPNV-Sektor besteht. Dies betrifft etwa die Anwendungsvoraussetzungen der Inhouse-Vergabe und der interkommunalen Zusammenarbeit. Legt man die jüngste Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 30.01.2014, Az. 11 Verg 15/13, siehe auch Rödl & Partner Kompass Verkehr 02/2014) zur Inhouse-Vergabe im ÖPNV-Sektor zu Grunde, können sich aus der EU-Vergaberichtlinie erhebliche Abweichungen und ggf. Erleichterungen für eine Direktvergabe nach der VO (EG) Nr. 1370/2007 ergeben.

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Jörg Niemann

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