Innovative Wärmequelle – Senkung des Primärenergiefaktors durch Energie aus Abwasser hat Potenzial

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veröffentlicht am 01. September 2021

 

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Am 24. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag mit dem neuen Bundes-Klimaschutzgesetz beschlossen, das Treibhausminderungsziel für das Jahr 2030 von 55 Prozent auf 65 Prozent anzuheben.1 Vor allem der Emissionsminderung im Wärmesektor, im Jahr 2019 mit 56 Prozent2 der energieintensivste der drei Verbrauchssektoren Wärme, Strom und mechanische Energie, wird dabei eine zentrale Rolle zukommen. Im Bundes-Klimaschutzgesetz wurde daher festgelegt, dass die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor, also insbesondere der Raumwärme und des Warmwassers, für das Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2020 um mehr als 40 Prozent auf 67 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent gesenkt werden müssen.3

 
Der zentralisierten Fernwärmeversorgung, die in diesem Zusammenhang große CO2-Einsparpotenziale bietet, wird daher eine Steigerung ihres Marktanteils vorhergesagt.4 Ein Grund dafür bietet zum einen der Primärenergiefaktor als Verkaufsargument auf Kundenseite und zum anderen finanzwirtschaftliche Anreize der Regierung in eine breitflächige und CO2-arme Fernwärmeversorgung. Um diese Potenziale auszuschöpfen, ist es für Fernwärmeversorger daher von zentraler Bedeutung, auf eine kostengünstige erneuerbare Wärmeerzeugung umzustellen. 

 

Abbildung 1 Ausschreibungsergebnisse der innovativen KWK durch die KWKAusV

 Abbildung 1 Ausschreibungsergebnisse der innovativen KWK durch die KWKAusV 5


Eines von mehreren Anreizprogrammen hierfür ist die Förderung der innovativen Kraft-Wärme-Kopplung (IKWK) nach KWKAusV. Hierüber wird ein Zuschuss zu besonders umweltschonend produziertem Strom gezahlt. Die durchschnittlichen Zuschlagswerte seit Juni 2018, wie in Abbildung 1 aufgezeigt, lagen dabei konstant bei über 100 €/MWhel. Durch diese Art der Förderungen können bei einer zu generierenden Wärmemenge von 4,5 GWh bis 53 GWh für einen Zeitraum von maximal 15 Jahren sehr attraktive Wärmegestehungskosten realisiert werden. Für einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen nach Auslaufen der Förderung ist es allerdings notwendig, dass der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen, z. B. beim Strombezug, für diese Anlagen verbessert.

 

Das Förderprogramm

IKWK-Förderungen werden in der KWKAusV über ein in § 3 Abs. 2 Nr. 1 KWKAusV definiertes Ausschreibungsmodell vergeben. Anlagenbetreiber können dabei zu zwei Gebotsterminen pro Jahr ein Angebot abgeben, das sich auf einen bestimmten anzulegenden Wert in Ct/kWh KWK-Strom (Gebotswert) und auf eine in Kilowatt anzugebende Anlagenleistung (Gebotsmenge) beziehen muss. Mit Beendigung der Ausschreibungsrunde erhalten die Gebote mit den niedrigsten Gebotswerten einen Zuschlag, bis das Volumen des jeweiligen Gebotstermins erreicht ist. Die durchschnittlichen Zuschlagswerte, die Gebotsmenge aller Angebote sowie die ausgeschriebenen Mengen der jeweiligen Ausschreibungsrunden sind in Abbildung 1 dargestellt. 


Erforderlich für eine innovative Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist zusätzlich zu einer KWK-Anlage ein innovativer erneuerbarer Wärmeerzeuger, der über jedes Jahr 35 Prozent der Referenzwärme6 bereitstellen muss. Zusätzlich dazu ist ein elektrischer Wärmeerzeuger notwendig, der auf 30 Prozent der thermischen Leistung der KWK-Anlage zu dimensionieren ist. Die KWK-Anlage muss über eine Mindestleistung von 1 MW elektrischer Leistung verfügen und darf eine Anlagengröße von 10 MWel nicht überschreiten. Über einer Leistungsgröße von 10 MWel greift die IKWK-Förderung nach § 7a KWKG, die andere Fördercharakteristiken aufweist .

 

Entscheidungsfindung zum innovativen erneuerbaren Wärmeerzeuger

Die wohl wichtigste Entscheidung bei der Konzeptionierung eines IKWK-Systems ist die Wahl des innovativen
erneuerbaren Wärmeerzeugers, der gemäß § 2 Nr. 12 KWKAusV definiert ist. Hierzu zählen Wärmetechniken, die mindestens eine Jahresarbeitszahl von 1,25 erreichen. Infrage kommen hierfür gemäß Definition des § 2 Abs. 1 EEWärmeG solarthermische Anlagen (Solarkollektoranlagen – solare Strahlungsenergie), geothermische Anlagen (tiefen- und oberflächennahe Geothermieanlagen – Geothermie) sowie elektrisch angetriebene Wärmepumpen (Umweltwärme). Zusätzlich zählen seit dem Inkrafttreten der KWKG-Novellierung im August 2020 nach § 2 Abs. 9a KWKG auch elektrisch angetriebene Wärmepumpen zur innovativen Kraft-Wärme-Kopplung, die Wärme aus gereinigtem Wasser von Kläranlagen beziehen.

 
Mit Stand Juni 2021 gibt es 33 IKWK-Anlagen, die in den Ausschreibungen nach KWKAusV bezuschlagt wurden. Bei 15 der 33 Anlagen, zu denen öffentlich zugängliche Informationen vorliegen, setzen sich die innovativen erneuerbaren Wärmeerzeuger wie folgt zusammen:

 

  • 2 solarthermische Anlagen (Solarkollektoranlagen – solare Strahlungsenergie)
  • 11 elektrisch angetriebene Wärmepumpen (Umweltwärme)
                          • 6 Luft-Wärmepumpen
                      • 3 Flusswasser-Wärmepumpen
                      • 1 Grubenwasser-Wärmepumpe
                      • 1 Grundwasser-Wärmepumpe
                      • 2 kombinierte Erzeuger aus einer solarthermischen Anlage und einer Flusswasser-Wärmepumpe


Durch die Hinzunahme der Wärmebereitstellung aus gereinigtem Wasser von Kläranlagen soll im Rahmen dieses Artikels die Technologie der Abwasser-Wärmepumpe näher beschrieben werden. Zum einen wird die
Abwasser-Wärmepumpe als alleiniger Erzeuger und zum anderen in Verbund mit solarthermischer Energie untersucht, da die Abwassermenge in der Regel der begrenzende Faktor ist.

 

Dimensionierung einer Abwasser-Wärmepumpe

Wichtig zur Dimensionierung der Abwasser-Wärmepumpe ist die Berechnung der Jahresarbeitszahl oder des Coefficient of Performance (COP). Grundlage der Berechnungen ist hierbei das Temperaturhub, das im Wesentlichen die Differenz zwischen dem Temperaturniveau des Fernwärmenetzes sowie der Wärmequelle
beschreibt. Der COP gibt Aufschluss über die benötigte Strommenge der thermischen Verwertung des Abwassers, die den Hauptkostenpunkt der Abwasser-Wärmepumpe darstellt.


Zur Bestimmung des Coefficient of Performance muss anhand des beschriebenen Temperaturhubs der sogenannte Lorenz-COP errechnet werden, aus dem sich der reale COP ableitet. Hierfür kann als Vorlauftemperatur der Abwasserquelle in Deutschland im Jahresdurchschnitt in etwa mit 13 Grad Celsius kalkuliert werden. Dies kann basierend auf den Ergebnissen einer Auswertung eines beispielhaften Mischwasserkanals7 deduziert werden.


Bezüglich der Dimensionierung ist zu erwähnen, dass gemäß § 2 Nr. 12 KWKAusV in einem IKWK-System unabhängig vom eingesetzten Strom die gesamte Wärme aus dem innovativen erneuerbaren Wärmeerzeuger als erneuerbare Wärme angerechnet werden kann und nicht allein die thermische Energie des Abwassers.

 

Ökonomische Analyse

In der folgenden ökonomischen Analyse werden finanzwirtschaftliche Realdaten eines ausgewählten Versorgers mit dezentraler, wärmeerzeugungsfokussierter und rein konventioneller Erzeugerstruktur den beiden IKWKSystemen gegenübergestellt. Zur ganzheitlichen Betrachtung wird die Analyse durch eine zentrale erdgasbefeuerte KWK-Anlage als dritte Erzeugungs- und Investitionsalternative ergänzt.


In Abbildung 2 wird das Verhältnis der jeweiligen Gesamtkapitalrendite der vier Erzeugersysteme über einen
Zeitraum von 15 Jahren zueinander dargestellt. Deutlich z erkennen ist dabei, dass die innovative Kraft-Wärme-
Kopplung mit erneuerbarer Wärme aus Abwasser im Vergleich die beste Gesamtkapitalrendite erzielt.  Zusätzlich zeigt die Abbildung, dass der solarthermische Anteil am IKWK-System zu einer schlechteren Gesamtkapitalrendite führt. Die Investition in eine fossil befeuerte KWK-Anlage ist zudem die ökonomisch unattraktivste Alternativinvestition dieses Vergleichs.

Abbildung 2 Vergleich der Gesamtkaptalrenditen über die verschiedenen Systeme


Abbildung 2 Vergleich der Gesamtkaptalrenditen über die verschiedenen Systeme 

 

Grund für die attraktiven Renditen der IKWK-Systeme sind die vergleichsweise hohen Fördererlöse, die in Abbildung 3 über den Betrachtungszeitraum von 15 Jahren dargestellt sind. Erdgasbefeuerte KWK-Anlagen  werden gemäß KWKAusV mit 30.000 Vollbenutzungsstunden (Vbh) gefördert. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag hierbei in der letzten Ausschreibung bei 56,40 €/MWh. Im Vergleich dazu werden IKWK-Anlagen gemäß KWKAusV mit 45.000 Vbh gefördert und der durchschnittliche Zuschlagswert lag in der letzten Ausschreibung bei 115,70 €/MWh.8 Zusätzlich zu den Wärme- und Stromerlösen führt die Weitergabe der CO2-Kosten, die bei der Kraft-Wärme-Kopplung jedoch nicht zu 100 Prozent an die Wärmekunden abgegeben werden können, zu CO2-Erlösen. Ein Teil dieser Kosten wird in der Praxis dem Produkt Strom zugeordnet.


Durch die wärmefokussierte Erzeugung ohne signifikanten Anteil von KWK verursacht das aktuelle Erzeugersystem neben den in Abbildung 3 dargestellten geringsten Erlösen auch die geringsten Kosten der Vergleichssysteme. Für eine Investitionsentscheidung ist diese Erkenntnis sehr wichtig. Die Höhe der IKWK bzw. KWK-Förderungen ist jedoch für Anlagen mit einer Bezuschlagung bzw. Inbetriebnahme nach dem Jahr 2026 noch nicht gesetzlich geregelt.


Die erweiterte Betrachtung des LCOH (Levelized Cost of Heat), in dem Strom- und Fördererlöse von den Gesamtkosten abgezogen werden, zeigt im Wesentlichen die gleichen Erkenntnisse wie die Gegenüberstellung der Gesamtkapitalrendite. Die Wärmegestehungskosten der Abwasserwärmepumpe alleine sowie in Kombination mit solarthermischer Anlage sind hierbei in gewissen Konstellationen signifikant geringer als die einer rein erdgasbefeuerten KWK-Anlage. Der Kostenunterschied wird hierbei umso deutlicher, je größer die Anlage dimensioniert ist.

Abbildung 3 Erlösstruktur der zu vergleichenden Erzeugersysteme  

Abbildung 3 Erlösstruktur der zu vergleichenden Erzeugersysteme 


Im Vergleich der beiden IKWK-Systeme ist nach Betrachtung der Ergebnisse zu erkennen, dass die reine Erzeugung durch eine Abwasser-Wärmepumpe im Vergleich zur Einbindung solarthermischer Anlagen finanzwirtschaftliche Vorteile bietet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Solarthermie bei identischen Erlösen und nahezu gleich hohen Kosten ein größeres Investitionsvolumen benötigt. 

 

Thermische Potenziale der Abwassernutzung

Als bedeutendste Restriktion zur vollen Auslegung auf die innovative erneuerbare Wärmegewinnung durch Abwassernutzung kann somit neben dem Vorhandensein eines Klärwerkes die maximale Abwasserdurchflussmenge genannt werden. Der Abwasserdurchfluss sollte nach internen Berechnungen anhand von Praxisdaten bei einer IKWK-Versorgung und einem Wärmebedarf von 100 MWh in etwa bei einem Kubikmeter pro Stunde (0,94 m3/h) liegen. Dieser Wert ist linear abhängig zum jährlichen Wärmeabsatz.


Verglichen mit Daten des Abwasservorkommens in Deutschland9 könnte ein fiktives Klärwerk im urbanen Raum mit einem IKWK-System, das den erneuerbaren Wärmeanteil zu 100 Prozent aus Abwasser deckt, rund 12 Prozent der örtlichen Wärmeversorgung von Raumwärme und Warmwasser bereitstellen. Auf einen Nutzer des IKWK-Wärmesystems mit der thermischen Nutzung des Abwassers kämen rechnerisch 8 Nutzer einer Kläranlage. Sollte die verfügbare thermische Abwassergewinnung vollständig genutzt werden, könnte diese einen Anteil von beachtlichen 4 Prozent zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser beitragen.

 

Fazit

Die innovative Kraft-Wärme-Kopplung sollte mehr in den Fokus der Energieversorger gelangen. Bei entsprechenden Konstellationen, wie z. B. bei ausreichender Verfügbarkeit einer Abwasser-Wärmequelle und bei bestehenden Wärmenetzen können attraktive wirtschaftliche Chancen genutzt werden.

 

Auf Basis der Ergebnisauswertung von zwei beispielhaften und im betrachteten Modell wirtschaftlich sinnvollen IKWK-Systemen sollte der Blickwinkel der Energieversorger in Deutschland erweitert werden:
Grundsätzlich sind viele Energiequellen und Erzeugerkombinationen denkbar auch ohne Zugriff auf ein Klärwerk. Alternativ kann zum Beispiel die mitteltiefe Geothermie betrachtet werden. In den meisten heute schon bekannten geeigneten Gebieten sind bei dieser erneuerbaren Wärmequelle sogar höhere Vorlauftemperaturen im Vergleich zur thermischen Abwassernutzung möglich, die die höheren Investitionskosten mit größerer Effizienz ausgleichen und die wirtschaftlichen Ergebnisse sogar noch verbessern können.

 

Die Nutzung von Abwasser-Wärmepumpen erscheint nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sie bietet Fernwärmeversorgern auch zusätzlich das Potenzial, den Primärenergiefaktor zu verbessern, was die Attraktivität der Fernwärme deutlich steigert.

 

 

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1 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Deutsche Klimaschutzpolitik, 2021.
2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Zahlen und Fakten – Energiedaten – Nationale und Internationale Entwicklung, 2021, S. 7.
3 BMU, Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050, 2021, Anlage 2 zu § 4.
4 BDEW - Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Grüne Fernwärme für Deutschland – Potenziale, Kosten, Umsetzung, 2021, S. 16. 

5 Bundesnetzagentur, Beendete Ausschreibungen, 2021.
6 Die Referenzwärme ist in § 2 Nr. 16 KWKAusV der Begriffsbestimmung definiert als „die Summe aus der Nutzwärme, die die KWK-Anlage eines innovativen KWK-Systems mit 3.000 Vollbenutzungsstunden bereitstellen kann und der von dem gleichen innovativen KWK-System innerhalb eines Kalenderjahres bereitgestellten innovativen erneuerbaren Wärme.“

7 GFW | Der Energieeffizienzverband für Wärme, Praxisleitfaden Großwärmepumpen, 2020, S. 7

8 Bundesnetzagentur, Beendete Ausschreibungen, 2021.

9 Dr. Fritz, Dr. Pehnt, & ifeu, Kommunale Abwässer als Potenzial für die Wärmewende?, 2018, S. 2.

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