StaRUG – Neue Anforderungen an Risikofrüherkennung und Planungsrechnungen

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veröffentlicht am 01. September 2021

 

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Zum 1.1.2021 ist – zumindest in der Energieversorgungsbranche fast unbemerkt – das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Früherkennung bestandsgefährdender Unternehmensrisiken gesetzlich zu verankern und einen rechtlichen Rahmen für die Restrukturierung von Unternehmen zu schaffen. Ein Gesetz, das auf den ersten Blick für Energieversorgungsunternehmen (EVU) wenig relevant erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Anlass, die Steuerungs- und Risikomanagementsysteme auf den Prüfstand zu stellen.

 

Grundsätzlich ist das Thema Risikofrüherkennung nicht neu für Unternehmen, sondern bereits - jedoch mit Fokus auf Aktiengesellschaften - im § 91 Abs. 2 AktG sowie im Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verankert. Mit der Einführung des StaRUG erhalten die Themen Risikofrüherkennung und Unternehmenssteuerung nochmals eine besondere Betonung durch den Gesetzgeber und erweitern den Adressatenkreis auf nahezu alle Unternehmensformen.


Dreh- und Angelpunkt des StaRUG ist § 1 Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern. In § 1 Abs. 1 werden sowohl der Aufgabenfokus als auch der Adressatenkreis des Gesetzes geregelt. Wörtlich lautet er:


„Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht.”

 

Was bedeutet dies nun konkret für EVUs?

Zunächst ist festzuhalten, dass nahezu jedes EVU in den Regelungsbereich des StaRUG fällt. Unabhängig davon, ob das EVU in der Rechtsform der GmbH, GmbH & Co. KG, AöR oder selbst als Eigenbetrieb (vgl. § 1 Abs. 2 StaRUG) geführt wird, die Umsetzung der Regelungen des StaRUG sind für die Geschäftsleitung obligatorisch.

 

Folglich ist die Geschäftsleitung in der Pflicht,

  1. fortlaufend über Entwicklungen, die den Fortbestand des EVUs gefährden können zu wachen,
  2. bei Erkennen solcher existenzbedrohenden Risiken entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten und
  3. den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht zu erstatten.


Um diesen Pflichten der Risikofrüherkennung in der gebotenen Sorgfalt nachzukommen, ist ein Kontroll- und
Steuerungssystem essenziell, das alle Geschäftsbereiche des Unternehmens umfasst und in der Ausprägung
die bereichsspezifischen Merkmale sowie Risikoprofile berücksichtigt.


Begrifflich naheliegend ist ein Rückgriff auf das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG und die
hierzu über Jahre entwickelten Rahmenwerke und Standards. Zu nennen sind insbesondere das zuletzt im Jahre 2017 überarbeitete Rahmenwerk „Enterprise Risk Management – Integrated Framework” der Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (COSO) sowie der jüngst neu gefasste Prüfungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer für die Prüfung von Risikofrüherkennungssystemen (IDW PS 340 n. F). Diese Vorgaben sind eine wichtige Voraussetzung, um den Anforderungen des StaRUG an die Krisenfrüherkennung gerecht zu werden. Die Anforderungen des § 1 StaRUG gehen aber über den bisherigen Mindeststandard hinaus. Denn daneben sollte im Mittelpunkt des Kontrollund Steuerungssystems eine mehrjährige (empfehlenswert ist ein Planungszeitraum von mindestens drei Jahren, tendenziell eher fünf Jahre) nach Geschäftsbereichen differenzierte Unternehmensplanung stehen. Eine aussagekräftige Planung berücksichtigt hierbei immer die künftige Entwicklung der Ertrags- (Plan-Gewinn-und Verlustrechnungen), Vermögens- (Plan-Bilanzen) und Finanzlage (Plan-Cashflow-Rechnungen). Damit werden geeignete und mehrjährige Planungsrechnungen nun praktisch gesetzlich verpflichtend.


Der Fokus auf Planungsrechnungen trägt aber auch einem modernen Verständnis von entscheidungs- und wertorientierter Unternehmensführung Rechnung. Während Risikofrüherkennungssystem und Planungs-/Controllingprozesse früher oftmals unabhängig nebeneinanderstanden, werden diese heutzutage zu einem integrierten Kontrollund Steuerungssystem verschmolzen.

 

Warum ist nun gerade die Planung Ankerpunkt für das Kontroll- und Steuerungssystem im Rahmen des StaRUG?

Die mittelfristige Unternehmensplanung ist das Ergebnis einer strukturierten Analyse des Unternehmens und
seines Umfelds und bildet die erwartete künftige Geschäftsentwicklung detailliert in monetären Größen (z. B. Erlöse, Aufwendungen, Investitionen, Liquiditätsentwicklung etc.) ab. Somit bietet die Planung eine strukturierte Erfassung aller wirtschaftlich relevanten Steuerungsgrößen (Planungsprämissen); eine monetäre
Quantifizierung der zukünftig erwarteten Entwicklung dieser Steuerungsgrößen und eine Aggregation der einzelnen Steuerungsgrößen zu Ergebnis-, Kapital- und Liquiditätskennzahlen.


Die einzelne Planungsprämisse ist grundsätzlich mit Unsicherheit verbunden und kann somit als Risiko betrachtet werden. In einem integrierten Planungsmodell können durch Variation der Prämissen, z. B. aufgrund
von Absatzmengenveränderungen, Personalkostenentwicklungen, veränderten Investitionsbudgets oder Zinsveränderungen nun fortlaufend die Auswirkungen auf das erwartete Ergebnis, die Eigenkapitalausstattung
und den Cashflow simuliert werden.


Somit leistet die Planung bereits einen erheblichen Beitrag zur Erfüllung der drei wesentlichen Ziele der Risikofrüherkennung: Der Identifizierung, Quantifizierung und Aggregation der Risiken. Darüber hinaus ist eine Unternehmensplanung in der Regel gut dokumentiert (Dateien, Tabellenkalkulation, Prämissendokumentation etc.), was die Erfüllung von Berichtspflichten erleichtert.

 

Für die fortlaufende Überwachung der Geschäftsentwicklung bedarf es jedoch auch eines unterjährigen Berichtswesens, das regelmäßig aktuelle Informationen zur Geschäftsentwicklung in den einzelnen Geschäftsbereichen bereitstellt. Nur so kann gewährleistet werden, dass in Kombination mit der Unternehmensplanung Planabweichungen sowie mögliche negative Entwicklungen frühzeitig erkannt werden und passgenau Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Im Kontext der Steuerung ist insbesondere eine unterjährige, detaillierte (z. B. wöchentliche) Liquiditätsplanung von wesentlicher Bedeutung. Krisen kulminieren in aller Regel in einem Liquiditätsproblem. Transparenz über die unterjährigen Liquiditätsströme (Zeitpunkte und Höhe von Ein- und Auszahlungen), schafft Klarheit über Finanzierungsbedarf, ermöglicht
die Disposition von Zahlungen und beugt Liquiditätsengpässen vor.

 

Gerade Unternehmen in der Veränderung sind anfällig für Krisen

Natürlich sind EVUs und Stadtwerke aufgrund ihrer Geschäftsmodelle – langfristige Kundenbeziehungen im Energievertrieb, regulierte Energienetze, Demarkationsgebiet in der Wasserversorgung – grundsätzlich gut gewappnet gegen Krisensituationen. Aber unabhängig davon, dass – wie bereits erwähnt – die Anforderungen des StaRUG ausnahmslos auch für Stadtwerke und EVUs gelten, erfordert schon die Transformation der Energieversorgung im Kontext der Energiewende und die damit zunehmende Komplexität der Geschäftsmodelle ein hohes Maß an betriebswirtschaftlicher Steuerungskompetenz im Unternehmen.


Sei es die absehbare Absenkung der kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze in der 4. Regulierungsperiode um vermutlich mehr als zwei Prozentpunkte bei gleichzeitig steigenden Investitionsbedarfen, die zunehmende
Unsicherheit über die künftige Rolle der Gasnetze oder der Aufbau neuer Geschäftsfelder, wie beispielsweise im Bereich Mobilität oder Quartiersentwicklung. Typisch für diese Entwicklung sind Unsicherheit und mögliche negative finanzielle Auswirkungen, mithin typische Krisenauslöser.


Um diese Unsicherheiten und finanziellen Risken transparent und steuerbar zu machen bedarf es grundsätzlich einer detaillierten Auseinandersetzung mit der langfristigen strategischen Entwicklung des
Unternehmens, der Ableitung eines Zielkatalogs sowie einer Übersetzung der strategischen Ziele in operative Maßnahmen. Hier schließt sich auch wieder der Kreis zur Unternehmensplanung, die genau diesen Transfer zwischen strategischen Zielen und operativen Zielen herstellt und in monetären Größen abbildet.

 

Diese intensive Auseindersetzung mit der Zukunft ist gerade auch im Hinblick auf die künftigen Finanzierungsherausforderungen – sowohl im Hinblick auf Banken- als auch auf Gesellschaftergespräche – erfolgsentscheidend. Wir empfehlen Ihnen daher Ihr Risikofrüherkennungssystem und Steuerungskonzept
vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen des StaRUG, vor allem aber auch aufgrund der Transformationsdynamik in der Energiebranche auf den Prüfstand zu stellen.

 

 

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