Sorgfaltspflichten für unternehmerisches Handeln in Asien-Pazifik

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zuletzt aktualisiert am 5. Mai 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Ziel des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ist die Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in globalen Lieferketten. Der Regierungs­entwurf führt in einem Erläuterungsteil aus, dass deutsche Unternehmen aufgrund ihrer starken Einbindung in globale Absatz- und Beschaffungsmärkte in besonderem Maße mit menschenrechtlichen Herausforderungen in ihren Lieferketten konfrontiert sind.




Bewertung von Risiken

Das gelte insbesondere für wirtschaftlich bedeutende Branchen wie die Automobilindustrie, den Maschinen­bau, die Metallindustrie, die Chemie, die Textilindustrie, die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, den Groß- und Einzelhandel, die Elektronikindustrie und die Energieversorger. Globale Beschaffungs- und Absatzmärkte bergen Risiken aufgrund mangelnder Transparenz und der oft unzureichenden Durchsetzung international anerkannter Menschenrechte in der Lieferkette. Daraus ergibt sich die Erwartung der Regierung an Unter­nehmen, dass sie – je nach Größe, Branche und Position in der Lieferkette – Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten angemessen identifizieren, angehen und darüber berichten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden den Unternehmen Sorgfaltspflichten auferlegt, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte, Arbeits­normen und Umweltfragen. Dazu gehören Risikoanalysen, Präventivmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen, Dokumentations- und Berichterstattungspflichten sowie strukturelle Maßnahmen, die ein Risikomanagement einschließlich des Einsatzes eines Menschenrechtsbeauftragten, einer Grundsatzerklärung und eines Beschwerdemechanismus umfassen.


Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten

Die Unternehmen haben jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im abgelaufenen Geschäftsjahr zu erstellen. Darin ist nachvollziehbar darzulegen,

  • ob und ggf. welche Risiken das Unternehmen identifiziert hat,
  • was das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Maßnahmen unternommen hat; dazu gehören auch die Elemente der Grundsatzerklärung,
  • wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet und
  • welche Schlussfolgerungen es aus der Bewertung für künftige Maßnahmen zieht.


Der Bericht ist spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres für einen Zeitraum von sieben Jahren auf der Website des Unternehmens kostenlos öffentlich zugänglich zu machen. Der Bericht ist in deutscher Sprache und elektronisch über einen von der zuständigen Behörde – dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – bereitgestellten Zugang spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, auf das er sich bezieht, einzureichen.


Sanktionen bei Nichteinhaltung

Die Sanktionen bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten reichen von Bußgeldern in Höhe von 100.000 bis 800.000 Euro; ab 400 Mio. Euro weltweitem Jahresumsatz drohen Unternehmen Bußgelder bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Darüber hinaus riskieren Unternehmen den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge und eine zivilrechtliche Haftung, zumal eine rechtliche Vertretung Betroffener durch Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften erlaubt ist.


Zugrundeliegende Leitprinzipien

Der Regierungsentwurf verweist auf mehrere UN-Leitprinzipien, u.a. auf die OECD-Leitlinien zur Sorgfalts­pflicht für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln und den UN OHCHR Interpretive Guide on the Corporate Responsibility to Respect Human Rights. Auch wenn die administrative Umsetzung des Sorgfaltspflichtengesetzes noch in gewissem Maße unklar ist, können wir die UN-Leitlinien heranziehen, um neu entstehende bewährte Praktiken zu entwickeln, mit denen Lücken in den derzeitigen Abläufen geschlossen und Inhalte der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht diskutiert werden können. Nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte können in Lieferketten grundsätzlich auf drei Arten erfolgen. So kann ein Unternehmen

  • die Auswirkungen durch seine eigenen Aktivitäten verursachen,
  • durch seine eigenen Aktivitäten zu den Auswirkungen beitragen – entweder direkt oder durch einen Dritten (Regierung, Unternehmen oder andere), oder
  • involviert sein, weil die Auswirkungen durch ein Unternehmen verursacht werden, mit dem es eine Geschäftsbeziehung unterhält.


Die unternehmerische Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte bezieht sich auf die international anerkannten Menschenrechte, die zumindest in der Internationalen Menschenrechtserklärung (bestehend aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte) sowie der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit niedergelegt sind.


Bewertung der Auswirkungen

Bei der Bewertung der Auswirkungen sollte das Unternehmen z.B. die Art und den Kontext des Vorhabens berücksichtigen und Risiken mit potenziell betroffenen Personen (Arbeitnehmern, Gemeinschaften, Ver­brauchern) sowie anderen Beteiligten (z.B. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen mit beson­derem Fachwissen über relevante Themen) erörtern. Um die Beteiligung an den Auswirkungen auf Menschen­rechte über die Geschäftsbeziehungen der ersten Ebene hinaus zu bewerten, sollten die Unterneh­men von ihren unmittelbaren Zulieferern verlangen oder Anreize dafür schaffen, dass sie ihre eigenen Bewertungen durchführen, und das wiederum auch von ihren Lieferanten und Geschäftspartnern verlangen. Zu den angemessenen Präventivmaßnahmen gegenüber einem Unternehmen, mit dem eine vertragliche Beziehung besteht oder aufgebaut wird, gehören nach dem Sorgfaltspflichtengesetz insbesondere die Berücksichtigung menschenrechtsbezogener Kriterien bei der Auswahl von Vertragspartnern, die Verpflichtung des Vertrags­partners, identifizierte menschenrechtliche Risiken in seinem Geschäftsbereich sowie entlang seiner Lieferkette angemessen zu adressieren, die Festlegung geeigneter vertraglicher Kontrollmechanismen sowie die Aus- und Weiterbildung zur Durchsetzung der vertraglich festgelegten Erwartungen. Zudem bedarf es der Durchführung risikobezogener Kontrollmaßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechts­prinzipien beim unmittelbaren Lieferanten. Die Angemessenheit des Handelns des Unternehmens richtet sich rechtlich nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, der Möglichkeit des Unternehmens, auf den unmittel­baren Verursacher der Verletzung einer geschützten Rechtsposition Einfluss zu nehmen, der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung, der Reversibilität der Verletzung sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Verletzung einer geschützten Rechtsposition.


Geschützte Rechtspositionen

Geschützte Rechtspositionen sind insbesondere das Leben, die Gesundheit, gerechte und günstige Arbeits­bedingungen, ein angemessener Lebensstandard, der Schutz des Kindes, die Freiheit von Sklaverei, Leibeigenschaft, Zwangs- oder Pflichtarbeit, die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhand­lungen, der Schutz vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Im Sinne des Gesetzes über die Lieferkette sind Umweltverpflichtungen solche, die darauf abzielen, die Umwelt und die menschliche Gesundheit vor den negativen Folgen von Quecksilberemissionen und vor den negativen Folgen persistenter organischer Schadstoffe zu schützen. Die geschützten Rechtspositionen im Sinne des Sorgfalts­pflichtengesetzes ergeben sich maßgeblich aus den in den Nummern 1 bis 13 des Anhangs zum Gesetz aufgeführten Konventionen.

 

In den folgenden Länderkapiteln haben wir Überlegungen zu lokalen „Red Flag”-Fällen angestellt, die dazu beitragen können, das Bewusstsein für die Risiken zu schärfen, denen Unternehmen in den Lieferketten in den ASEAN-Ländern, China und Indien ausgesetzt sind.

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