Lieferkettengesetz: Kontrolle der Arbeitsstandards und des Umweltschutzes in Singapur

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zuletzt aktualisiert am 31. August 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten



Welche Lieferketten-Risiken gibt es in Singapur?

Aufgrund des Anfang 2023 in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) müssen deutsche Unternehmen in besonderem Maße mögliche Risiken im Rahmen ihrer Lieferkette überwachen. Das wird umso mehr gelten, wenn die derzeit geplante Lieferketten-Richtlinie der EU in Kraft tritt. Singapur ist nicht nur einer der wichtigsten Handelspartner der EU, sondern auch Dreh- und Angelpunkt für Lieferketten in der Region Süd­ostasiens. Es lohnt sich daher ein Blick auf etwaige spezifische Risiken vor Ort.

Da Singapur in Fragen des Arbeitnehmerschutzes in vielen Bereichen bereits hohe, mit der westlichen Gesetz­gebung vergleichbare Standards erfüllt, ist das Risiko von LkSG-widrigen Arbeitsbedingungen im Vergleich zu anderen Staaten im asiatischen Raum als geringer einzuschätzen. Im Bereich des Umweltschutzes besteht trotz eines etablierten Mindestschutzes demgegenüber noch Verbesserungsbedarf.

Von den 14 Abkommen[1] zur Wahrung von Menschenrechten sowie bestimmter Umweltschutz-Standards, auf die im Anhang des Lieferkettengesetzes Bezug genommen wird, hat Singapur acht ratifiziert. 

Singapur gehört jedoch zu den wenigen Staaten weltweit, die nicht die UN-Konventionen über bürgerliche und politische Rechte sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unterzeichnet haben.

Diskriminierung am Arbeitsplatz

Singapur hat bisher nicht das Übereinkommen Nr. 111 der International Labour Organization (ILO) zur Verhin­derung von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ratifiziert. Mit der Ratifizierung des ILO-Überein­kom­mens Nr. 100 zur gleichen Bezahlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer hat Singapur zwar ein wichtiges Zeichen gegen Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz gesetzt. Praktische Umsetzung erfährt das jedoch derzeit nur durch die sogenannten „Tripartite Guidelines for Fair Employment Practices“, die unter anderem eine faire und leistungsgerechte Bezahlung vorsehen, aber keinen Gesetzescharakter haben.

Im Jahr 2024 soll ein Gesetz gegen Diskriminierungen am Arbeitsplatz in Kraft treten. Die Regierung von Singapur hat im August 2023 die Empfehlungen des zuständigen Ausschusses zum Gesetzesentwurf ange­nom­men und will nun zeitnah an der Umsetzung arbeiten. Der Gesetzesentwurf sieht Diskriminierungsschutz für Alter, Nationalität, Geschlecht, Familienstand, Schwangerschaft und Fürsorgepflichten sowie Rasse, Religion, Sprache, Behinderung und mentale Gesundheit, nicht aber für die sexuelle Orientierung vor. 

In diesem Bereich sind daher weiterhin Diskriminierungen zu befürchten. Außerdem sieht der Entwurf derzeit vor, Unternehmen mit weniger als 25 Mitarbeitern von dem Gesetz auszunehmen, sodass auch hier weiterhin eine Regelungslücke besteht. 

Zwangsarbeit und ausbeuterische Arbeitsbedingungen

Singapur hat zwar bisher weder das Protokoll zum ILO-Übereinkommen Nr. 29 für einen verstärkten Schutz vor Zwangsarbeit noch das ILO-Übereinkommen Nr. 105 zur Abschaffung der Zwangsarbeit umgesetzt. Demgegen­über hat Singapur aber das Übereinkommen Nr. 29 der ILO zum Schutz vor Zwangsarbeit ratifiziert und Zwangs­arbeit in Art. 10 der Verfassung verboten. Darüber hinaus wird ein vergleichsweise hoher Standard an men­schen­würdigen Arbeitsbedingungen durch den Prevention of Human Trafficking Act sowie durch umfas­sende Arbeitnehmerschutzvorschriften u.a. im Employment Act, Employment of Foreign Manpower Act, Work­place Safety and Health Act sowie im Work Injury Compensation Act etabliert. Darin werden Arbeitnehmern u.a. Ansprüche auf Gehalt, Pausen und Ruhetage eingeräumt, Arbeitgeber zu Maßnahmen der Arbeitssicherheit verpflichtet und Kompensationen im Falle von Arbeitsunfällen sichergestellt.

Kinderarbeit 

Das Risiko für Kinderarbeit ist in Singapur im Vergleich zu anderen Staaten in Südostasien als sehr gering einzustufen.

Hintergrund ist zum einen das strenge Beschäftigungsgesetz, das die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jah­ren verbietet und die Beschäftigung von 13 bis 16-jährigen nur eingeschränkt gestattet. Außerdem hat Singapur ein starkes Schulsystem mit Schulpflicht für jedes singapurische Kind, das nach dem 1. Januar 1996 geboren ist und in welchem die Kinder in der Regel bis mindestens zum 16. Lebensjahr zur Schule gehen. Angesichts des hohen pro Kopf Einkommens in Singapur ist es außerdem im Gegensatz zu anderen Ländern in Südostasien regelmäßig gerade nicht erforderlich, das Familieneinkommen durch eine Beschäftigung der Kinder aufzu­bessern.

Umweltschutz

Ein grundlegender Umweltschutz ist durch die Umsetzung des Minamata-Abkommens über Quecksilber im Jahr 2017 sowie des Stockholmer-Abkommens zum Schutz menschlicher Gesundheit und der Umwelt vor persis­tenten Schadstoffen im Jahr 2005, den Environmental Protection and Management Act, der u.a. Luft, Wasser und Bodenverschmutzungen reguliert, den Environmental Public Health Act sowie den Sewerage and Drainage Act, sichergestellt.

Dem Climate Action Tracker (CAT) zufolge stellen Singapurs Klimapolitik und -verpflichtungen dennoch trotz geänderter Ziele im November 2022 nur minimale Maßnahmen dar, die nicht im Einklang mit der 1,5 Grad Gren­ze des Pariser Abkommen stehen. Als Teil seiner Gesamtstrategie zur Emissionsreduzierung hat Singapur am 1. Januar 2019 als erster Staat Südostasiens eine Kohlenstoffsteuer eingeführt. Mit ihrem sogenannten Green Plan 2030 strebt die Regierung Singapurs an, bis 2050 klimaneutral zu werden.  Dieses Ziel soll durch verschie­dene Maßnahmen erreicht werden, unter anderem durch die Förderung erneuerbarer Energien, die Reduzierung von Abfällen und eine „grünere“ Wirtschaft. Welche konkreten Schritte in diese Richtung getroffen werden, etwa verschärfte Regelungen hinsichtlich des Schadstoffausstoß durch Unternehmen, bleibt abzuwarten. 

Vereinigungsfreiheit / Gewerkschaften

Singapur hat das Übereinkommen Nr. 87 der ILO nicht ratifiziert. Die Vereinigungsfreiheit ist jedoch verfas­sungs­rechtlich garantiert und außerdem durch das Gewerkschaftsgesetz geschützt. Allerdings verlangt das singapurische Recht, dass sich Gewerkschaften zwingend registrieren müssen, da sie ansonsten nicht aner­kannt werden.

Fazit

Trotz des höheren Gesamtstandards in Singapur gilt es immer für den Einzelfall eine Risikobewertung vorzu­nehmen. Insbesondere Unternehmen, die einem erhöhten branchenspezifischen Risiko ausgesetzt sind, sollten daher auch in Singapur hinreichende Kontrollmechanismen etablieren.


Welche Branchen scheinen in Singapur besonders anfällig für negative Auswirkungen auf Menschen-/Arbeitsrechte oder Umweltfragen zu sein?

Menschen-/Arbeitsrechtsprobleme konzentrieren sich auf industrielle Sektoren, wie das Baugewerbe, den Schiffbau und die Schiffsreparatur oder allgemein das produzierende Gewerbe. 

Im Dienstleistungssektor sind insbesondere Hausangestellte aufgrund der begrenzten Kotrollmöglichkeiten einem besonderen Risiko für ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Nichtbeachtung von Arbeitnehmer­schutzvorschriften ausgesetzt. Da ausländische Hausangestellte in Singapur nicht dem Schutz des Employ­ment Acts unterfallen, besteht ein Mindestschutz für sie nur durch den Employment of Foreign Manpower Act. Sie haben seit dem 1. Januar 2013 einen Anspruch auf einen Ruhetag pro Woche, auf den sie aber gegen Entgelt verzichten können. Erst seit dem 1. Januar 2023 muss der Arbeitgeber mindestens einen unverzichtbaren Ruhetag pro Monat gewährleisten.  

Weitere Probleme, die vor allem bei Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte auftreten, sind unter anderem Schulden bei Personalvermittlungsagenturen, Nichtzahlung des Gehalts, Bewegungseinschränkungen und Einbehaltung des Reisepasses.

Zu den Umweltproblemen gehören industrielle Verschmutzung, begrenzte Süßwasserressourcen und saisonaler Smog sowie die Abfallentsorgung. Vor allem Unternehmen in der verarbeitenden Industrie müssen insbeson­dere hinsichtlich Schadstoffausstoß und Abfallentsorgung ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung geltender Vorschriften im Umweltrecht legen.


Gibt es in Singapur Rechtsvorschriften, die sich mit diesen Risiken befassen? In welchem Umfang werden sie in der Praxis durchgesetzt?

Mit Verweis auf die oben dargestellten Rechtsvorschriften wäre festzuhalten, dass Singapur über einen durch­aus umfassenden Rechtsrahmen betreffend Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerschutz sowie über eine solide rechtliche Basis zum Umweltschutz verfügt. 

Singapurs Verwaltung ist bekannt für ihre Effizienz und so kann man allgemein davon ausgehen, dass die Einhaltung der Rechtsvorschriften auch tatsächlich überprüft und durchgesetzt wird. Singapur belegt in der Kategorie faktische Rechtsumsetzung des Rule of Law Index des World Justice Project den siebten Platz von 140 Ländern (Deutschland liegt auf dem vierten Platz). Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass in Singapur bei Verstößen gegen Gesetze häufig empfindliche Strafen, von hohen Geldstrafen bis zu Haftstrafen, vorge­sehen sind. 

Korruption gilt allgemein als ein möglicher Grund für die Nichteinhaltung von Rechtsvorschriften insbesondere im Bereich Umweltschutz. Singapur gehört laut Korruptionswahrnehmungsindex 2022 zu den fünf am wenig­sten korrupten Ländern der Welt, womit das Risiko in diesem Bereich als gering einzustufen ist.


Können Sie ein Fallbeispiel (z.B. aus der lokalen Medienberichterstattung) nennen, in dem ein ausländisches oder einheimisches Unternehmen mit solchen negativen Auswirkungen konfrontiert war?

Anfang 2023 wurden drei lokale Unternehmen in Singapur, darunter ein Membranhersteller und zwei Entsor­gungsunternehmen für giftige Industrieabfälle, mit Geldstrafen in Höhe von S$ 3.000, S$ 8.500 bzw. S$ 13.000 belegt, weil sie Schadstoffe in das Abwassersystem von Singapur eingeleitet hatten. Dadurch wurde die Gesund­heit der Arbeiter, die Wartungsarbeiten am Kanal durchführten, gefährdet und die Umwelt verschmutzt.
 
Im August 2023 sprach ein singapurisches Gericht einem indischen Hilfsarbeiter Schadensersatz zu, nachdem er 2021 bei einem Sturz von einem Lastwagen eine schwere und dauerhafte Knieverletzung erlitten hatte. Wie in der Branche üblich, wurde der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zusammen mit mindestens 24 anderen Arbeitnehmern auf der Ladefläche eines Lastwagens von seinem Wohnheim zu einer Baustelle beför­dert, wo er beim Aussteigen durch einen versehentlichen Stoß eines seiner Arbeitskollegen von der Ladefläche stürzte. Das Gericht stufte das Verhalten des Arbeitgebers als fahrlässig ein, da der LKW nicht für den Trans­port so vieler Personen ausgelegt war und ein sicheres Ein- und Aussteigen nicht gewährleistet war.




[1] Alle Abkommen, auf die im Folgenden in diesem Beitrag näher Bezug genommen wird, sind Bestandteil des Anhangs zum LkSG
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