M&A Vocabulary - Experten verstehen: „Seller’s Knowledge”

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veröffentlicht am 11. Januar 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

​In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

In nahezu sämtliche Garantiekatalogen von Unternehmenskauf- und Übertragungsverträgen (auch „SPA” genannt) tauchen die Begriffe „Kenntnis des Verkäufers” oder „Bestes Wissen des Verkäufers” bzw. – in englischsprachigen Verträgen – „Seller’s Knowledge” oder „Seller’s Best Knowledge” auf.

Im Rahmen von Vertragsverhandlungen ist jedoch immer wieder zu erkennen, dass sich die Parteien, einschließlich ihrer Rechtsberater, der Bedeutung und Tragweite, die diese Begriffe haben, oftmals nicht bewusst sind.


Wesentliche Eigenschaft von Garantien – im Gegensatz zu Gewährleistungen – ist, dass der Garantiegeber, etwa der Verkäufer eines Zielunternehmens, bei Garantieverstößen verschuldensunabhängig haftet. Ist eine Garantie demnach unrichtig, kommt es für die Haftung des Garantiegebers weder darauf an, ob dieser

  • für den Eintritt des Garantiefalls verantwortlich ist; oder
  • von dem zugrundeliegenden Sachverhalt wusste.

Diese weitreichende Haftung ist nach Ansicht vieler Verkäufer zu weitgehend. Sie streben daher eine Einschränkung an. Ein Mittel, um eine Garantie einzuschränken, ist dabei auf das Wissen des Verkäufers abzustellen. Genau dies soll durch die Einschübe „Kenntnis” oder „Bestes Wissen” erreicht werden.


Im Grunde lassen sich folgende zwei Fälle unterscheiden, die eine solche Einschränkung sinnvoll erscheinen lassen:

  • Der Sachverhalt einer Garantie umfasst Umstände, die nicht in der Sphäre des Verkäufers liegen; oder
  • der Sachverhalt einer Garantie umfasst Umstände, die bei einem Unternehmen kaum mehr von der Geschäftsführung abschließend überblickt werden können.

Wie genau die Begriffe „Kenntnis” bzw. „Bestes Wissen” verwendet werden, hängt nicht zuletzt davon ab, welchem Recht ein SPA unterliegt.


Begriffe in deutschen SPAs

Werden die Begriffe „Kenntnis” und „Bestes Wissen” in deutschem Recht unterliegenden SPAs nicht definiert oder weisen die verwendeten Definitionen Lücken auf, so sind diese Begriffe nach den gesetzlichen Regelungen auszulegen.


Grundsätzlich versteht man hierbei unter „Kenntnis” die tatsächliche Kenntnis von Informationen, wohingegen „Bestes Wissen” auch darüber hinaus fahrlässige Unkenntnis umfasst und somit weiter und für den Verkäufer ungünstiger ist.


Allerdings ist zu beachten, dass sich ein Verkäufer, auch wenn eine Garantie auf dessen „Kenntnis” beschränkt wurde, sich dennoch nicht ausnahmslos darauf berufen kann, dass er von einem Sachverhalt nichts wusste. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer gleichzeitig Vorstand oder Geschäftsführer der Zielgesellschaft ist. In diesem Fall wird dem Verkäufer als Geschäftsführungsorgan unter Umständen das Wissen seiner „Organisation” - das heißt das im Zielunternehmen vorhandene Wissen - zugerechnet. Diese Zurechnung erfolgt in der Regel dann, wenn es sich um solche Informationen handelt, die dem Verkäufer als Teil der Organisation für die Ausführung seiner Tätigkeit als Geschäftsführungsorgan hätten bekannt sein müssen. Folglich sind die Grenzen, die der Begriff „Kenntnis” einer Garantie gibt, gar nicht so weit, wie dies oftmals angenommen wird.


Wenn nun der Begriff „Kenntnis” soweit verstanden wird, stellt sich allerdings Frage, wie sich dieser von dem neben der positiven Kenntnis auch fahrlässige Unkenntnis einschließenden Begriff des „Besten Wissen” unterscheidet. Hierbei ist wichtig zu verstehen, dass fahrlässige Unkenntnis nicht bedeutet, etwas bloß übersehen zu haben. Aus dem Kriterium der fahrlässigen Unkenntnis ergibt sich vielmehr eine Nachforschungspflicht des Garantiegebers. Gibt also der Verkäufer eine Garantie unter der Einschränkung auf „Bestes Wissen” ab, obliegt ihm die Pflicht zu prüfen, ob es Sachverhalte gibt, die das Eintreten eines Garantiefalls wahrscheinlich erscheinen lassen und ob die abgegebene Garantie somit vom Umfang her richtig ist. Nur wenn diese Prüfung erfolgreich durchgeführt wurde, hat der Verkäufer seine Pflicht diesbezüglich erfüllt und kann sich zum Ausschluss seiner Haftung auf fahrlässige Unkenntnis berufen.


Begriffe in englischen SPAs

Bei SPA nach englischem Recht gilt: Wird eine Garantie durch die Formulierung „so far as the seller is aware,”, „to the best of the seller’s knowledge,” oder eine ähnliche Formulierung eingeschränkt, ist der Verkäufer in der Regel verpflichtet, sich über den Gegenstand der Garantie zu informieren. Der Verkäufer kann sich der Haftung nicht dadurch entziehen, dass er sich vorsätzlich nicht über die das Zielunternehmen betreffenden Fragen informiert.


Der Vorteil für den Käufer besteht in diesem Fall darin, dass die Prüfung der Kenntnis subjektiver Natur ist, d. h. es geht um Dinge, von denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass der Verkäufer sie kennt. Dies ist besonders wichtig im Zusammenhang mit einem Zielunternehmen, das sich im Eigentum des Verkäufers befindet und zugleich von ihm geleitet wird; der Verkäufer kann sich nicht auf fehlende Kenntnis berufen, wenn von ihm als Geschäftsführer des Zielunternehmens vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er solche Kenntnisse hat. In der Praxis wird die Zustimmung des Käufers zu einer Wissenseinschränkung oft hart verhandelt, aber es ist wahrscheinlicher, dass er sie für Garantien akzeptiert, die sich auf zukunftsgerichtete Angelegenheiten beziehen, als für gegenwärtige oder historische Ereignisse im Unternehmen.


Wenn eine solche Einschränkung akzeptiert wurde, ist es wichtig zu überlegen, was der Verkäufer wissen muss oder wovon er ausgeht, dass er es weiß. Der Verkäufer wird dies auf das tatsächliche Wissen (acutal knowledge) beschränken wollen, das er hat, ohne irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Darüber hinaus wird der Verkäufer eine Definition des Begriffs Wissen vermeiden wollen, die konstruktives Wissen ((constructive knowledge); Wissen das er haben sollte) und unterstelltes Wissen ((imputed knowledge); Wissen das seine Berater oder Bevollmächtigten haben könnten) einschließt. Der Käufer wiederum wird eine weit gefasste Definition des Begriffs Wissen wünschen, mit der Verpflichtung des Verkäufers, alle gebührenden, sorgfältigen und gewissenhaften Nachforschungen anzustellen, um dem Käufer die Gewissheit zu geben, dass Garantien nicht ohne die erforderliche Sorgfalt gegeben wurden. 


In jedem Fall wird der Verkäufer, wenn er die Verpflichtung zur Durchführung von Nachforschungen akzeptiert, dies häufig so weit wie möglich einschränken wollen. Handelt es sich bei dem Verkäufer um eine juristische Person, so wird er wünschen, dass sich das „Seller’s Knowledge” nur auf eine Mindestanzahl von Personen außerhalb der Verkäuferorganisation erstrecket, wenn überhaupt. Dies ist für den Käufer möglicherweise nicht ganz akzeptabel, da er aufgrund seiner begrenzten Informationen über das Zielunternehmen zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht überprüfen kann, ob die Liste der Personen sämtliche Personen umfasst, die womöglich Kenntniss über den Gegenstand der fraglichen Garantie haben. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, dass der Käufer einen niedrigeren Standard an Nachforschungen (d.h. angemessene Nachforschungen (reasonable enquiries)) akzeptiert und gleichzeitig ausdrücklich verpflichtet wird, Nachforschungen bei einer nicht erschöpfenden Gruppe anzustellen, zu der beispielsweise die Geschäftsführer, die wichtigsten Mitarbeiter und die Berater des Zielunternehmens gehören, ohne darauf beschränkt zu sein.


Wissensvertreter des Verkäufers

Da ein Verkäufer in der Regel den Verkauf seines Unternehmens nicht alleine managt, hat der Käufer ein Interesse, das Spezialwissen bestimmter Personenkreise aus der Sphäre des Verkäufers diesem zuzurechnen. Hierzu zählen in der Regel Rechtsanwälte und Steuerberater, die den Verkäufer im Transaktionsprozess beraten, das Management des Zielunternehmens oder weitere wichtige Wissensträger des Zielunternehmens, die an dem Verkauf beteiligt waren. Im Interesse des Verkäufers ist dieser Personenkreis möglichst überschaubar zu halten. Schließlich ist der Verkäufer nicht stets voll im Bilde über den jeweiligen Wissensstand dieser Personen.


In SPAs, die deutschem Recht unterliegen, ist es für einen Verkäufer, der zugleich auch Geschäftsführer des Zielunternehmens ist, oftmals ratsam, eine entsprechende Klausel zuzulassen. Zwar erscheint dies auf den ersten Blick seine Haftung auszudehnen; fehlt aber eine derartige Regelung kann eine Auslegung der Begriffe „Kenntnis” und „Bestes Wissen” zu der vorgenannten Ausdehnung der Haftung führen. Im Ergebnis kann gegebenenfalls das Wissen von weiteren Personenkreisen hinzugerechnet werden. Hierbei kann die Ausdehnung der Haftung durch Auslegung deutlich weiter sein, als eine ausgewogene vertragliche Regelung.


In SPAs, die englischem Recht unterliegen, würde die Ausweitung der Kenntnis des Verkäufers auf die Kenntnis des Vertreters des Verkäufers nicht gelten, es sei denn, dies ist ausdrücklich vorgesehen. Ein Verkäufer wird sich jedoch in der Regel gegen eine derart weit gefasste Definition von Wissen wehren.


Fazit

Es empfiehlt sich, unabhängig ob ein Vertrag deutschem Recht oder dem Recht von England und Wales unterliegt, stets die Begriffe „Kenntnis” oder „Bestes Wissen” präzise und möglichst abschließend im SPA zu definieren. Auch der Personenkreis der Wissensvertreter sollte, idealerweise unter Namensnennung, abgegrenzt werden.

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