M&A Vocabulary – Experten verstehen: „GAAP”

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​​​​​​veröffentlicht am 23. September 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

​​​​In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.


Bei M&A-Transaktionen ist die Financial Due Diligence für die Beurteilung der finanziellen Lage und derRisiken der Zielgesellschaft von ausschlaggebender Bedeutung. Sie ermöglicht informierte Investitionsentscheidungen und potenziell vorteilhaftere Verhandlungsergebnisse. Ein Schlüsselaspekt, der bei diesem Prozess genau unter die Lupe genommen wird, ist die Befolgung von Rechnungslegungsstandards, wie der International Financial Reporting Standards (IFRS) oder der lokalen Allgemein Anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze (Generally Accepted Accounting Principles, GAAP) durch die Zielgesellschaft. Diese Standards stellen unternehmensübergreifend Konsistenz, Transparenz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit sicher.

Die Analyse der „Quality of Earnings” (eines der Kernelemente fast jeder Financial Due Diligence) folgt jedoch nicht strikt den GAAP-Regeln. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung der Ergebnisse aus einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Perspektive als Grundlage für die Erstellung eines Businessplans und für EBITDA-basierte Unternehmensbewertungen. Bestimmte Geschäftsvorfälle, die nach GAAP erfasst werden, können von den EBITDA-basierten Betrachtungen ausgenommen sein, insbesondere wenn sie nicht wiederkehrend oder von außergewöhnlicher Art sind. Die folgenden Ausführungen veranschaulichen die potenziellen Folgen, die sich aus Abweichungen von den lokalen GAAP und aus Unterschieden zu den GAAP des Käufers ergeben.

Unterschiede zwischen den lokalen GAAP im Land der Zielgesellschaft und den vom Käufer angewandten GAAP (besonders relevant bei grenzüberschreitenden Deals)

Trotz der Konvergenzprojekte für IFRS und U.S. GAAP und der Reformen der deutschen GAAP („HGB”​) (die jüngsten Reformen im Jahr 2015 durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) und im Jahr 2009 durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)), bleiben gewisse Unterschiede bestehen, wie z.B. bei Leasingverhältnissen, die Behandlung des Geschäfts- oder Firmenwerts und die unterschiedlichen Herangehensweisen beim Impairment-Test, das LIFO-Verfahren und die Behandlung von F+E-Kosten. 

Der Standardumfang einer Due Diligence bei grenzüberschreitenden Transaktionen enthält nicht unbedingt eine detaillierte Analyse der Unterschiede zwischen den lokalen GAAP und den vom Käufer angewandten GAAP und wird daher meistens auf Anfrage durchgeführt. Da die Eröffnungsbilanz der neu erworbenen Tochtergesellschaft im Rahmen der Konzernrechnungslegung des Käufers auf die GAAP des Käufers umgestellt wird, werden Überraschungen nach der Transaktion für GAAP-Differenzen vor der Transaktion in der Regel eliminiert. Dennoch müssen dauerhafte Unterschiede im Rahmen der Konzernberichterstattung identifiziert und adressiert werden.

Abweichungen von den lokalen GAAP

Zielgesellschaften führen ihre Handelsbücher manchmal in einer Weise, die von den lokalen GAAP abweicht, z.B. indem sie die Einnahmenüberschussrechnung oder die modifizierte steuerliche Rechnungslegung anwenden. In den USA sind private Unternehmen nicht verpflichtet, Jahresabschlüsse nach U.S. GAAP zu erstellen oder zu veröffentlichen. Stattdessen dient die Rechnungslegung als Grundlage für korrekte Steuererklärungen gemäß den von den unterschiedlichen Steuerbehörden in den USA festgelegten Regeln. Die U.S.-Steuerbehörde (IRS) erlaubt Unternehmen die Erstellung von Einnahmenüberschussrechnungen, wenn der Konzernumsatz weniger als 25 Mio. USD beträgt. 
In diesem Fall sollte es das Ziel der Due Diligence sein, bei der Analyse der Quality of Earnings größere Unterschiede zwischen den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen und den lokalen GAAP zu identifizieren. Eine vollständige Überleitung der Monats- und Jahresabschlüsse in GAAP-kompatible Zahlen ist jedoch regelmäßig nicht das Ziel einer Financial Due Diligence. 

Eines der Hauptziele von GAAP ist die Darstellung vergleichbarer Periodenergebnisse, d.h. der Stichtag für die Erfassung von Erträgen und Kosten ist von größter Bedeutung, was bei nicht GAAP-konformen Finanzberichten möglicherweise nicht korrekt abgebildet ist. Erfahrungsgemäß werden als Grundlage der (multiple-basierten) Unternehmensbewertung oft die EBITDA-Ergebnisse mehrerer Jahre (als Durchschnittswert) herangezogen; dieser Trend wurde bei den Post-Covid-Transaktionen populärer, da es seit 2020 schwierig ist, die unterschiedlichen Covid-Auswirkungen auf das Unternehmen im Rahmen der Quality of Earnings vollständig zu quantifizieren und zu isolieren. Beispiele dieser Auswirkungen sind Produktionsstillstand, Arbeitskräftemängel, logistische Herausforderungen, Aufholeffekte beim Umsatz nach der COVID-Pandemie und die Inflation bei den Rohstoffpreisen.

GAAP und die bisherige Praxis

Die meisten Transaktionen in den USA sind so strukturiert, dass sie Closing Accounts beinhalten, d.h. der endgültige Kaufpreis wird anhand der Schlussbilanz der Zielgesellschaft zum Closing hinsichtlich Working Capital und Nettofinanzverbindlichkeiten angepasst. Im Gegensatz dazu gibt es den in Europa populären Locked Box-Mechanismus. Daher ist es für Verkäufer und Käufer von größter Wichtigkeit, die Rechnungslegungsprinzipien zu vereinbaren, die bei der Erstellung der Schlussbilanz angewandt werden sollen. 

Seit kurzem gibt es die Tendenz, anstelle der strikten Befolgung von GAAP zwecks Kaufpreisanpassung die von der Zielgesellschaft bisher verwendete Rechnungslegungspraxis anzuwenden (die sich von periodengerechten GAAP unterscheiden kann). Die Bezugnahme auf die bisher angewandte Methode der Rechnungslegungspraxis im Kaufvertrag kann dazu beitragen, das Risiko von Überraschungen zu begrenzen, da die Schlussbilanz denselben, von GAAP abweichenden Grundsätzen folgt, wie sie bei der Berechnung des Referenzwerts für das Working Capital (Working Capital Peg) zugrunde gelegt wurden (üblicherweise der Durchschnittswert des Working Capitals der letzten 12 Monate). Verkäufer argumentieren, dass dieser Ansatz für beide Seiten fair ist. Die bisher angewandte Rechnungslegungspraxis muss jedoch eindeutig identifizierbar sein. So könnte die Nichterfassung bestimmter Verbindlichkeiten, die nach GAAP erfasst werden müssten, Anlass für Meinungsverschiedenheiten sein, warum diese Verbindlichkeiten de facto bisher nie erfasst wurden. Daher ist eine detaillierte Due Diligence-Prüfung sowohl der Jahres- als auch der Monatszahlen wichtig, um Missverständnisse hinsichtlich mehrdeutiger Definitionen in der bisherigen Rechnungslegungspraxis zu mindern.

Fazit

GAAP sind die Eckpfeiler der Finanzberichterstattung. Nuancen zwischen lokalen GAAP und Abweichungen von den Standards können eine Herausforderung bei Transaktionen darstellen. Ein effizientes Management dieser Herausforderungen erfordert eine umfassende Due Diligence, adäquate Festlegung der Rechnungslegungsprinzipien im Kaufvertrag und strategische Planung der Integration nach dem Erwerb. Wenn diese komplexen Themen proaktiv angegangen werden, können Käufer und Verkäufer die Transparenz verbessern, Risiken minimieren und letztlich für einen reibungsloseren Abschluss der Transaktion sorgen.

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Frank Breitenfeldt

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, CPA, Transaction Services

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