Beteiligungsrechte des deutschen Betriebsrates bei Unternehmenstransaktionen

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 24. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Die umfassenden Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei Unternehmenstransaktionen werden in der Praxis häufig übersehen. Dies kann für den Unternehmer nicht nur die Festsetzung eines Bußgeldes nach sich ziehen, sondern die Transaktion auch verzögern. 


Zwischen der Bestimmung der geeigneten Art der Unternehmenstransaktion und der Findung eines angemessenen Kaufpreises können im Vorfeld von Unternehmenstransaktionen bestehende Mitwirkungsrechte des Betriebsrates schnell außer Acht gelassen werden. Dies kann zwar die Transaktion als solche nicht verhindern, jedoch zu zusätzlichen Kosten, Mehraufwand und einem schlechten Betriebsklima führen. 

Vor diesem Hintergrund lohnt ein genauer Blick auf diesen Themenbereich.

I. Unterrichtungspflicht bei Share und Asset Deal gegenüber dem bestehendem Wirtschaftsausschuss 

In Unternehmen mit mehr als 100 ständigen Arbeitnehmern im Inland ist ein gebildeter Betriebsrat nach § 106 Abs. 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichtet, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden. Als Hilfsorgan des Betriebsrates hat der Wirtschaftsausschuss die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und das übrige Betriebsratsgremium darüber zu unterrichten. Besteht kein Wirtschaftsausschuss, fällt diese Aufgabe in Einzelfällen dem Betriebsrat zu. 

Der Unternehmer ist gemäß § 106 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über wirtschaftliche Angelegenheiten unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht Be-triebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden. Zu den Unterrichtungsgegenständen zählen der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben (§ 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG) als auch die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist (§ 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG). Letztere erfasst nur den Kontrollerwerb im Zusammenhang mit einem Erwerb der Anteile (Share Deal). In diesen Fällen ist auch bei Fehlen eines Wirtschaftsausschusses der Betriebsrat zuständig, § 109a BetrVG. Ein Betriebsübergang im Wege eines Asset Deals fällt allerdings unter die beschränkte Generalklausel des § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG und ist somit auch eine wirtschaftliche Angelegenheit, über die der Unternehmer zu unterrichten hat. Die Unterrichtungspflicht besteht sowohl im übertragenden als auch im übernehmenden Unternehmen, sofern ein Wirtschaftsausschuss vorhanden ist. 

1. Umfang der Unterrichtungspflicht

Die Unterrichtung muss nicht nur den Umfang und die zu erwartenden Auswirkungen der Maßnahmen, sondern auch deren Gründe erkennen lassen. Dem Wirtschaftsausschuss sind ergänzend die Folgen für die Personalplanung darzustellen, wie insbesondere ein geplanter Personalabbau sowie vorgesehene Versetzungen. Findet eine Übernahme des Unternehmens, d.h. der Erwerb der Kontrolle (§ 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG) statt, muss der Unternehmer zudem über den potentiellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie über die sich daraus ergebenden Folgen für die Arbeitnehmer informieren. Gleiches gilt, wenn im Vorfeld der Übernahme des Unternehmens ein Bieterverfahren durchgeführt wird. Potentieller Erwerber ist, wer ein bindendes Angebot zum Erwerb des Unternehmens abgegeben oder sich vertraglich zur Übernahme verpflichtet hat.

2. Maßgeblicher Zeitpunkt und Form der Unterrichtung 

Die Unterrichtung hat unaufgefordert und so frühzeitig zu erfolgen, dass die Angelegenheit noch in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses mit dem Unternehmer beraten und der Betriebsrat etwaige weitere Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ausüben kann, bevor die geplante Maßnahme durchgeführt wird. Rein unternehmerische Vorüberlegungen ohne eine gewisse Planreife lösen noch keine Unterrichtungspflicht aus, wohl aber die Bewertung unterschiedlicher unternehmerischer Optionen. Verspätet ist eine Unterrichtung in jedem Fall nach der endgültigen Entscheidung des Unternehmers und der Unterzeichnung eines Kaufvertrages. 

Der Wirtschaftsausschuss muss alle Informationen erhalten, die für eine sinnvolle Beratung erforderlich sind. Eine bestimmte Form der Unterrichtung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Zu den erforderlichen Unterlagen, welche der Unternehmen dem Wirtschaftsausschuss vorzulegen hat, zählen alle Berichte, Pläne und Analysen über die geplante wirtschaftliche Angelegenheit. In den Unternehmenskaufvertrag als solches muss keine Einsicht gewährt werden. 

3. Rechtsfolgen bei unterlassener oder fehlerhafter Unterrichtung 

Wird eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinne des § 106 BetrVG entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend durch den Unternehmer erteilt, sieht § 109 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine Entscheidung durch die zeit- und kostenintensive externe Einigungsstelle vor. Eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses durch den Unternehmer stellt zudem eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 Abs. 1 BetrVG dar, die mit einer Geldbuße in der Höhe von bis zu EUR 10.000 geahndet werden kann. Bei besonders groben Verstößen gegen die Unterrichtungspflicht kann das Arbeitsgericht nach Anrufung durch den Betriebsrat ein Zwangs- bzw. Ordnungsgeld gegen den Unternehmer gem. § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG verhängen.

4. Hinweis für die Praxis

Der Unternehmer sollte die geteilten Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnen. Geschieht dies, ist eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht aus § 79 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG durch Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nach § 120 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG strafbewehrt. Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses sind nicht berechtigt, sich ohne Zustimmung des Unternehmers von den vorgelegten Unterlagen Ablichtungen oder Abschriften anzufertigen. Der Unternehmer muss lediglich die Anfertigung von Notizen gestatten.

II. Zuleitungspflicht gegenüber dem Betriebsrat bei umwandlungsrechtlichen Maßnahmen 

Auch im Rahmen von umwandlungsrechtlichen Maßnahmen ist ein bestehender Betriebsrat zu beteiligen. Der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf ist dem zuständigen Betriebsrat jedes beteiligten Rechtsträgers gemäß § 5 Abs. 3 Umwandlungsgesetz (UmwG) spätestens einen Monat vor dem Tag des beabsichtigten Verschmelzungsbeschlusses zuzuleiten. Da die Zuleitung an einen unzuständigen Betriebsrat die Eintragung verhindern kann, empfiehlt es, die Zuständigkeit gemäß BetrVG vorab zu prüfen und im Zweifel den Verschmelzungsvertrag vorsorglich allen in Betracht kommenden Arbeitnehmervertretungen zu übersenden. Der Verschmelzungsvertrag muss nach § 5 Abs. 1 UmwG die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer als auch für ihre Vertretungen umfassend darstellen. Ein Nachweis über die rechtzeitige Zuleitung an den zuständigen Betriebsrat ist der Anmeldung zum Handelsregister beizufügen. Der Betriebsrat kann auf die Einhaltung der Monatsfrist verzichten, nicht jedoch auf die Zuleitung an sich. Der Verzicht ist ebenfalls zu dokumentieren und dem Registergericht nachzuweisen. 

Entsprechende Zuleitungserfordernisse finden sich für den Unternehmensspaltungs- und Übernahmevertrag in § 126 Abs. 3 UmwG sowie für den Formwechsel in § 194 Abs. 2 UmwG. 

III. Verhandlung von Interessenausgleich und Sozialplan 

Unternehmensrechtliche Änderungen wirken sich häufig auch auf der betrieblichen Ebene im Sinne des Betriebsverfassungsgesetz aus. Mit Verschmelzungen oder Spaltungen im Sinne des UmwG können auch Änderungen der Betriebsstruktur verbunden sein. Eine Betriebsänderung gemäß § 111 Nr. 3 BetrVG liegt beim Zusammenschluss mit anderen Betrieben bzw. bei der Spaltung von Betrieben vor. Der Zusammenschluss mit anderen Betrieben kann dadurch erfolgen, dass zwei Betriebe zu einem neuen Betrieb vereinigt werden oder dass ein Betrieb einen anderen aufnimmt. Die Spaltung von Betrieben erfasst sowohl die unternehmensinterne Betriebsaufspaltung durch Änderung der Organisationsstrukturen als auch die unternehmensübergreifende Betriebsaufspaltung durch Übertragung eines Betriebsteils auf einen anderen Inhaber.

In Unternehmen mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern, ist der Betriebsrat über eine geplante Betriebsänderung zu unterrichten. Zudem ist der Unternehmer verpflichtet, mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich, d.h. über das „Ob, Wie und Wann”​ der Betriebsänderung zu führen, § 112 Abs. 1 BetrVG. Hier kann auch ein Recht des Betriebsrates bestehen, die Betriebsänderung bis zu einem Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen in der Einigungsstelle zu verzögern. Die Aufstellung eines Sozialplans, der nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer ausgleichen oder mindern soll, ist durch den Betriebsrat erzwingbar, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Die Aufstellung eines Sozialplans, der nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer ausgleichen oder mindern soll, ist durch den Betriebsrat erzwingbar, gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.

IV. Fazit ​

Unternehmen ist zu empfehlen, den Wirtschaftsausschuss und den Betriebsrat rechtzeitig über geplante Transaktionsvorhaben zu informieren und diese in den Prozess miteinzubinden. Das Risiko, dass vertrauliche Informationen zu früh mit Dritten geteilt werden, kann in der Praxis gemindert werden.

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