Wirksamkeit eines Gesellschafterausschlusses bei Erhebung einer Ausschließungsklage durch einen Gesellschafter – Abkehr von der Bedingungslösung

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veröffentlicht am 16. Januar 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Nicht selten kommt es zu Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern, die eine Fortsetzung der Gesellschaft für die betroffenen Gesellschafter unzumutbar macht. Insbesondere in einer Zwei-Personen-GmbH kann dies zu Problemen führen. Der Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grund ist daher ein in der Praxis angewandtes Mittel zur Beendigung der „Zusammenarbeit” auf Gesellschafterebene, welches häufig durch die Gesellschaft, und zwar auch ohne gesellschaftsvertragliche Regelung, geltend gemacht wird.

In dem Urteil vom 11.7.2023 – II ZR 116/21 befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) nicht nur mit der umstrittenen Frage, ob neben der Gesellschaft selbst auch ein Gesellschafter die Ausschließungsklage erheben darf. Vielmehr erörtert der BGH auch die ebenfalls umstrittene Frage, wann ein einer Ausschließungsklage stattgebendes Urteil Wirksamkeit entfaltet. Der BGH gibt in dieser Entscheidung seine bisher vertretene sog.  „Bedingungslösung” auf.

Sachverhalt

Der Kläger und der Beklagte sind die einzigen Gesellschafter einer GmbH, die jeweils zur Hälfte an dieser beteiligt sind. Das Stammkapital der GmbH wurde vollständig eingezahlt. Die Satzung der GmbH enthält weder zum Ausschluss noch zur Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters Regelungen. 

Der Kläger begehrt mit seiner Klage primär die Einziehung der Anteile des Beklagten an der GmbH gegen Zahlung einer Abfindung oder alternativ die Abtretung seines Geschäftsanteils. Für den Fall der Erfolglosigkeit dieses Hauptantrags begehrt der Kläger hilfsweise den Ausschluss des Beklagten unter der Bedingung, dass die Gesellschaft an den Beklagten innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung zu zahlen hat.

Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, gab der BGH, beruhend auf einer Sachprüfung dem Kläger mit einem Versäumnisurteil recht.

Ein Gesellschafter ist berechtigt, eine Ausschließungsklage gegen einen anderen Gesellschafter zu erheben

Der BGH diskutiert in seiner Entscheidung zunächst die umstrittene Frage, ob neben der Gesellschaft selbst auch ein Gesellschafter eine Ausschließungsklage gegen einen anderen Mitgesellschafter erheben kann und bejaht dies im Ergebnis. Bedingung hierfür sei aber, so der BGH, dass die Voraussetzungen der sog. actio pro socio vorliegen. Insbesondere bedarf es demnach eines Sozialanspruchs des Gesellschafters gegen seinen Mitgesellschafter.

Diesen Standpunkt begründet das Gericht damit, dass das Recht auf Ausschließung eines Gesellschafters seinen materiellen Grund in der gesellschaftlichen Treupflicht hat. Die actio pro socio solle die Gesellschafter auch vor Beeinträchtigungen durch eine unrechtmäßige Einflussnahme auf die Geschäftsführung bei der Verfolgung von aus der gesellschaftlichen Treuepflicht erwachsenden Ansprüchen schützen. Diese Gefahr bestehe auch bei Ausschließungsklagen, weil der oft intensiv geführte Streit zwischen den Gesellschaftern sich auf die Geschäftsführung der Gesellschaft und damit auch auf die Durchsetzung einer gebotenen Ausschließung auswirke. Nach Auffassung des BGH ist der Gesellschafter also immer dann prozessführungsbefugt, wenn die Klage durch die Gesellschaft wegen der bei der Gesellschaft gegebenen Machtverhältnisse unzumutbar oder undurchführbar ist. So sah es der BGH auch hier.

Ein Urteil über den Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund ohne statutarische Regelung ist bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam und nicht durch die Leistung der Abfindung bedingt

Des Weiteren hat sich der II. Zivilsenat des BGH mit der ebenfalls umstrittenen Frage auseinandergesetzt, ob ein solcher Gesellschafterausschluss nur unter der Bedingung der Zahlung einer Abfindung erfolgen kann. Während dies vom BGH in der Vergangenheit bejaht wurde (sog. Bedingungslösung), hält der II. Zivilsenat an dieser Rechtsprechung nunmehr nicht mehr fest. Ein Ausschließungsurteil soll bereits mit dessen Rechtskraft wirksam sein und nicht (mehr) von der Zahlung einer Abfindung abhängig sein.

Eine ausreichende Sicherung des Abfindungsanspruchs erfolgt nach Ansicht des BGH zum einen durch das Gebot der Kapitalerhaltung. Zum anderen wird die Sicherung durch die persönliche Haftung der verbliebenen Gesellschafter ab dem Zeitpunkt, in dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist, gewährleistet.

Der II. Zivilsenat argumentiert in diesem Zusammenhang mit der andernfalls entstehenden Schwebelage zwischen Rechtskraft und Bedingungseintritt, die den übrigen Gesellschaftern in besonderem Maße unzumutbar sei, insbesondere vor dem Hintergrund der Gefahr, dass der auszuschließende Gesellschafter seine verbliebenen Gesellschafterrechte in diesem Zeitraum nutzt, um die gestaltende Wirkung des Ausschließungsurteils zu verzögern oder zu vereiteln.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die Entscheidung des BGH hat grundlegende Bedeutung, insbesondere aufgrund der Aufgabe der jahrzehntelangen Anwendung der vom BGH vertretenen  „Bedingungslösung”. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Ausscheidens eines Gesellschafters (bei fehlender gesellschaftsvertraglicher Regelung) ist also nicht mehr die Zahlung einer Abfindung. Mit anderen Worten: Ein Gesellschafterausschluss – wie in der vorliegenden Konstellation – ist bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam, sodass eine Abfindungszahlung insoweit hierfür keine Wirksamkeitsvoraussetzung mehr darstellt.

Darüber hinaus hat der BGH mit diesem Urteil klargestellt, dass neben der Gesellschaft auch der einzelne Gesellschafter berechtigt ist, gegen einen (Mit-) Gesellschafter eine Ausschließungsklage zu erheben.

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