Early Tax Birds 17/2025: BFH zur abkommensrechtlichen Betriebsstätte eines Taxiunternehmens

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 17/2025 (28. April – 4. Mai 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 5. Mai 2025 | Lesedauer ca. 5 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

Steuergeschichte selbst miterlebt: Weiß noch jemand, was eine OFD ist? Einige Bundesländer (z.B. Baden-Württemberg) haben zwar noch eine, aber deren Blütezeit ist definitiv vorbei. In einem klassischen dreistufigen Behördenaufbau der Landesfinanzverwaltungen war die Oberfinanzdirektion (= OFD) früher in allen Bundesländern die sog. Mittelbehörde. Bis zum 31. Dezember 2007 waren die Oberfinanzdirektionen zusätzlich auch noch Mittelbehörden der Bundesfinanzverwaltung und als solche auch den Hauptzollämtern übergeordnet. Nach mehreren Strukturreformen lösten viele Bundesländer die OFD auf, so auch Hamburg. In deren ehemaligem Gebäude, mitten in der Innenstadt prominent am Rödingsmarkt gelegen, wird nun ein gehobenes Hotel beherbergt. Dort kann man prima schlafen – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. 

Auch die Early Tax Birds wissen natürlich: Behördenschelte ist von der Seitenlinie immer einfach, aber als neulich eine Mitarbeiterin des Bundeszentralamts für Steuern in den „sozialen Medien“ ihre Antwort auf die Frage postete, was ihr an ihrem Job besonders gut gefalle (Antwort: Zeitsouveränität), da schwoll der Hals des frühen Vogels angesichts abertausender nicht bearbeiteter Anträge auf Quellensteuererstattung doch einmal kurz an. Wobei wir zugeben müssen: Das Wort „Zeitsouveränität“ ist schon was für germanistische Feinschmecker. In diesem Sinne: Eine geruhsame Woche!

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße
Prof. Dr. Florian Haase und das Redaktionsteam​​

  
 
Aktu​elle Gesetzgebung​​
  

Zustimmung zum Koalitionsvertrag

Die SPD hat am 30. April 2025 mehrheitlich dem am 9. April 2025 veröffentlichten Koalitionsvertrag​ zugestimmt. Zuvor hatten bereits CDU und CSU am 28. April 2025 dem Koalitionsvertrag zugestimmt und ihre künftigen Minister und Ministerinnen bekanntgegeben. Zum Koalitionsvertrag hatten wir Ihnen ausführlich in unserer Ausgabe 14/2025​ berichtet. Am 6. Mai 2025 soll nun Friedrich Merz als Bundeskanzler gewählt werden. Zuvor soll am 5. Mai 2025 der Koalitionsvertrag feierlich unterzeichnet werden. Wir sind gespannt, was die neue Regierungsbildung für das Steuerrecht bedeutet, und halten Sie selbstverständlich zu allen steuerrechtlichen Entwicklungen auf dem Laufenden. 
   
Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
EU arbeitet weiter zur Nachhaltigkeit im Steuerbereich

Das Thema Nachhaltigkeit im Steuerbereich steht weiterhin ganz oben auf der Agenda der EU. Am 24. April 2025 fand eine öffentliche Anhörung des "FISC Subcommittee on Tax Matters"​ statt. Ziel der Anhörung war es, den Einsatz steuerlicher Anreize zur Förderung sauberer Energielösungen zu untersuchen, insbesondere im Luft- und Seeverkehr. Ein Schlüsselelement der Diskussion waren die Empfehlungen des sog. Draghi-Berichts, der sich mit steuerlichen Strategien zur Förderung des grünen Übergangs befasst. Die Experten werden untersuchen, wie gezielte steuerliche Maßnahmen nachhaltige Praktiken fördern können, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu beeinträchtigen.  

    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Abkommensrechtliche Betriebsstätte eines Taxiunternehmens in den Räumen einer Taxifunkzentrale

Unser Urteil der Woche befasst sich mit der Entscheidung des BFH vom 18. Dezember 2024, I ​R 47/21Darin hatte der BFH über das Vorliegen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte eines Taxiunternehmens in der Schweiz zu entscheiden. Der Kläger ist unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Er betrieb ein Taxiunternehmen mit im Handelsregister angemeldeten Sitz in der Schweiz, wo er über einen Zusammenschluss mit anderen selbständigen Taxihaltern (Taxizentrale) Fahrdienstleistungen erbrachte. Der Kläger hatte jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Taxizentrale. Dort erledigte er ein- bis zweimal pro Woche sämtliche Vorarbeiten für die Buchführung, bezahlte von dort Unternehmensrechnungen, führte Telefonate sowie sonstige Korrespondenz. Jedem Mitglied der Taxizentrale war ein individueller, persönlicher Standcontainer zugewiesen, für den es jeweils nur einen Schlüssel gab. Der Kläger bewahrte in diesem Container die erforderlichen Unterlagen für die Buchhaltung und die Überwachung der Fahr- und Ruhezeiten auf. In den Streitjahren beschäftigte er vier bis fünf Angestellte. Die Einkünfte aus dem Taxiunternehmen unterlagen in der Schweiz der Besteuerung. Für die Streitjahre ging das Finanzamt (FA) bei der Einkommensteuerveranlagung davon aus, dass die in der Schweiz erzielten Einkünfte des Taxiunternehmens in Deutschland steuerpflichtig seien, weil keine abkommensrechtliche Betriebsstätte in der Schweiz i. S. d. Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz (DBA) vorläge. Es habe in der Schweiz keine feste Geschäftseinrichtung zur Verfügung gestanden. Die zur Verfügung gestellten Einrichtungen dienten lediglich der Fahrauftragsvermittlung und stünden allen Mitgliedern zur Verfügung. Eine eigene Verfügungsgewalt oder unternehmerische Leitungstätigkeit sei damit nicht verbunden gewesen. Es handelte sich bei der Nutzung der Taxizentrale eher um eine Unterstützungsleistung. Das FG Baden-Württemberg gab der Klage mit Urteil vom 14. Oktober 2021​ statt. Das FA legte Revision gegen das Urteil des FG ein. Dem Verfahren trat das BMF bei.

Die Revision gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg wies der BFH als unbegründet zurück. Die gewerblichen Einkünfte aus dem Taxiunternehmen sind nach dem DBA in voller Höhe von der inländischen Besteuerung auszunehmen und dürfen lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts in Deutschland berücksichtigt werden. Der Kläger unterhält in der Schweiz eine abkommensrechtliche Betriebsstätte i. S. d. Art. 5 DBA, welcher sämtliche Einkünfte des Taxiunternehmens zuzuordnen sind. Die örtliche Verbindung der Geschäftseinrichtung muss nicht auf einer mechanischen Verbindung mit der Erde beruhen, sondern kann sich aus der bloßen Belegenheit an derselben Stelle ergeben. Neben der örtlichen Verbindung erfordert die feste Geschäftseinrichtung eine zeitliche Komponente. Die Merkmale der örtlichen und zeitlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung des Unternehmens sind nicht isoliert zu betrachten und stehen zueinander in Wechselwirkung. Der Büroraum als Gebäudeteil weist eine feste Verbindung zur Erdoberfläche auf und wurde vom Kläger dauerhaft genutzt. Es ist unerheblich, dass dem Kläger kein konkreter Arbeitsplatz zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen war. Das Erfordernis einer ausreichenden Verfügungsmacht kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern steht mit der örtlichen und zeitlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung in Wechselwirkung. Eine ausreichende Verfügungsmacht besteht, wenn der Unternehmer einen dauerhaften rechtlichen Nutzungsanspruch aufgrund von Eigentum oder einer erteilten Nutzungsüberlassung innehat. Nicht ausreichend ist eine bloße tatsächliche Mitbenutzung ohne ein entsprechendes dauerhaftes Nutzungsrecht. Die dauerhafte Überlassung personenbeschränkter Nutzungsstrukturen kann ein Indiz für das Bestehen einer dauerhaften Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung sein. Die Überlassung des Standcontainers ist daher ein Indiz für das Bestehen einer dauerhaften Verfügungsmacht des Klägers über die Büroräume sowie für die dauerhafte Nutzungsabsicht. Art. 5 Abs. 1 DBA sieht vor, dass die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise in der Geschäftseinrichtung ausgeübt werden muss. Es reicht aus, wenn mit der Geschäftseinrichtung nur ein Teil der Tätigkeiten des Unternehmens ausgeübt wird. Allerdings ist eine feste Geschäftseinrichtung, mit der lediglich Hilfstätigkeiten i. S. d. Art. 5 Abs. 3 DBA erbracht werden, zur Begründung einer Betriebsstätte nicht ausreichend. Geschäftsleitende sowie unternehmerisch administrative Tätigkeiten, die zentrale Unternehmensfunktionen betreffen, sind keine Hilfstätigkeiten i. S. d. Art. 5 Abs. 3 Buchst. e DBA. Die Haupttätigkeit des Unternehmens ergibt sich grundsätzlich aus dem Unternehmensgegenstand. Im Fall eines Taxiunternehmens mit mehreren Angestellten besteht die Haupttätigkeit nicht allein in der Personenbeförderung. Die Geschäftsleitung sowie unternehmerisch administrative Tätigkeiten, wie z.B. die Personalverwaltung, Vorbereitung der laufenden Unternehmensbuchführung, Rechnungswesen, Finanzkontrolle sowie die Kontrolle der Einhaltung behördlicher Unternehmensauflagen, zählen ebenfalls ​zu den Haupttätigkeiten eines Unternehmens. 

Das vorliegende Urteil wurde insbesondere im Kontext mit dem sog. „Spind-Urteil" des BFH vom 7. Juni 2023​ mit Spannung erwartet. Dort ging es darum, dass ein Flugzeugmechaniker, der Gesellschafter einer britischen Ltd. war und für diese als Mechaniker tätig wurde, einen Spind mit seinem Namen zur Aufbewahrung von Kleidung auf einem inländischen Flughafengelände hatte. Der Steuerpflichtige ging davon aus, dass die Einkünfte nicht dem deutschen Besteuerungsrecht unterlägen. Das FA nahm dagegen an, dass durch den vorhandenen Spind eine Betriebsstätte nach § 12 AO vorlag und der Steuerpflichtige ausschließlich auf dem inländischen Flughafengelände tätig wurde. Der BFH entschied, dass die Anforderungen einer festen Geschäftseinrichtung nach dem Abkommensrecht erfüllt sind, wenn dem Dienstleistenden im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung personenbeschränkte Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen, wie z. B. ein Spind oder ein Schließfach, zur Verfügung gestellt werden. Mit dem nun vorliegenden Urteil bestätigt der BFH  seine bisherige Rechtsprechung und nimmt keine weitere Korrektur des Betriebsstättenbegriffs vor. Der BFH hat lediglich ergänzt, dass geschäftsleitende sowie unternehmerisch administrative Tätigkeiten keine Hilfstätigkeiten i. S. d. Art. 5 Abs. 3 Buchst. e DBA-Schweiz sind, die gegen das Vorliegen einer Betriebsstätte sprechen.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der BFH diese Woche mit dem Urteil I R 39/21 vom 18. Dezember 2024 verdeutlicht hat, dass eine feste Geschäftseinrichtung zeitlich grundsätzlich eine Mindestdauer von sechs Monaten voraussetzt. Diese Mindestdauer bezieht sich nicht nur auf die Geschäftseinrichtung, sondern ebenfalls auf die unternehmerische Tätigkeit, die in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Die Frist ist dann nicht eingehalten, wenn sie lediglich durch die Abwicklung eines Unternehmens überschritten wird. Eine Ausnahme von der Mindestdauer ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Unternehmen nur für weniger als sechs Monate besteht und die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der Geschäftseinrichtung des Betriebsstättenstaats ausgeübt wird.

 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
I R 12-13/21
​18. Dezember 2024
Missbräuchliche Inanspruchnahme eines abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs
I R 39/21


​18. Dezember 2024
Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
I R 41/21
11. Dezember 2024
VGA: Verrechnungspreisbestimmungen bei sogenannten Parallelimporten
II B 54/24 (AdV)
​10. April 2025
​Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids; Verlängerung der Nachbehaltensfrist
II R 44/21
11. Dezember 2024
Erstmalige Erklärung zur optionalen Vollverschonung von Betriebsvermögen im Rahmen eines Änderungsbescheids
II R 50/22​
11. Dezember 2024
Erbschaftsteuer bei Rentenzahlungen aus dem Vermögen einer liechtensteinischen Stiftung 
III R 43/22
​20. Februar 2025
Kindergeldanspruch während des Freiwilligen Wehrdienstes
V R 18/22

19. Dezember 2024
​Keine Besteuerung nach Durchschnittssätzen bei Ersatzaufforstung
​VI R 18/22

​20. Februar 2025
​Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, auch wenn Post regelmäßig nicht an allen Werktagen zugestellt wird
​I R 14/21​
​18. Dezember 2024
​Gewinnfeststellung bei "Einmann"-KGaA

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