Aufsichtsräte müssen Zeiteinsatz und Qualifikation im Auge behalten!

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zuletzt aktualisiert am 6. Juni 2018

Die Grundnorm zu den Aufsichtsratspflichten umfasst gerade 7 Worte: Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen, § 111 Abs. 1 AktG. Die erfreuliche Knapp- und Klarheit sollte nicht dazu führen, den tatsächlichen Pflichtenumfang als Aufsichtsratsmitglied zu unterschätzen. Und: Ohne ausreichenden Zeiteinsatz und ausreichende Qualifizierung kann den Pflichten kaum genügt werden.
 


Ein breiter Pflichtenkatalog…

Die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats ist in zahlreiche Einzelpflichten aufgefächert, die in ebenso zahl­reichen Einzelnormen niedergelegt sind. Die Geschäftsführung ist hinsichtlich Recht-/ Ordnungs­mäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überwachen, aber nicht nur im Unternehmen, sondern im gesamten Konzern, ebenso das vom Leitungsorgan – Vorstand bei der AG, Geschäftsführer bei der GmbH – ein­zu­richtende Risikoüberwachungssystem, Berichterstattungen sind zur Kenntnis zu nehmen, zu­stimmungs­pflichtige Geschäfte festzulegen und die Rechnungslegung zu kontrollieren, um nur einen Ausriss der Pflichten zu benennen. Die Gesetzgebung hat den Pflichtenkatalog in den vergangenen Jahren so erweitert, die Recht­sprechung ihn so verschärft, dass Fachliteratur und Presse von einem „Quanten­sprung” sprechen (vgl. zuletzt nur FAZ v. 25. September 2015, S. I 3 „Aufsichtsräte immer stärker gefordert”).
 

…der auch ernst zu nehmen ist

Werden die Pflichten mit einer Schadensfolge für das Unternehmen verletzt, ist die Folge klar: Die persönliche Haftung der Mitglieder des Überwachungsorgans, §§ 116, 93 AktG. Dabei gilt die Haftungsfolge nicht nur für die Aufsichtsratsmitglieder einer AG, sondern ebenso für die Mitglieder – fakultativer und obligatorischer – Aufsichtsräte von GmbHs. Wie ernst Pflichtenumfang und Haftungsrisiken zu nehmen sind, verdeutlicht die Häufung prominenter Fälle beabsichtigter Inanspruchnahmen der Mitglieder von Über­wachungs­organen: Am medien-prominentesten sicher die vom Vorstand der BayernLB verfolgte Inanspruchnahme der früheren Vorsitzenden des Verwaltungsrats wegen des Debakels aus dem Erwerb der österreichischen Hypo Group Alpe Adria. Weitere Fälle betreffen etwa Dresden, wo der von der Stadt in eine Gesellschaft als Aufsichtsrat ent­sandte Finanzbürgermeister wegen vorgetragener schwerwiegender Sorgfaltspflichtverletzungen persönlich mit einer Klage konfrontiert wurde. Und im brandenburgischen Doberlug-Kirchhain forderte der Insolvenz­verwalter der Stadtwerke GmbH von den Mitgliedern des (fakultativen) Aufsichtsrats Schadensersatz, weil es der Auf­sichts­rat pflichtwidrig zugelassen habe, dass die Geschäftsführung trotz Eintritts der Insolvenzreife Zahlungen i.S.d. § 64 S. 1 GmbHG vornahm. Zwar lehnte der BGH den Anspruch schlussendlich ab, das OLG Brandenburg sah ihn aber als gegeben an.
 
Klar ist, dass mit der Pflichtenbreite nicht verlangt werden kann, dass jedes Aufsichtsratsmitglied sämtliche Pflichten persönlich ausfüllen kann. Auch deshalb können aus der Mitte des Aufsichtsrats Ausschüsse zur Entscheidungsvorbereitung gebildet werden (§ 107 Abs. 3 S. 1 AktG). Dass aber kein Mitglied des Aufsichtsrats unter die Mindestkenntnisse allgemeiner, wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Art, die erforderlich sind, um alle üblicherweise anfallenden Geschäftsvorgänge ohne fremde Hilfe verstehen und beurteilen zu können, „rutschen” darf, entschied der BGH schon 1982 (II ZR 27/82). Nicht umsonst empfehlen sowohl der Deutsche Corporate Governance Kodex (für börsennotierte Gesellschaften) wie der Public Corporate Governance Kodex (für nicht-börsennotierte Gesellschaften des Bundes) – die Kodizes haben außerhalb ihrer unmittelbaren Geltungsbereiche keine rechtliche Bindungswirkung, dürften bei Auslegungsfragen aber Aus­strahlungs­wirkung entfalten – den Aufsichtsrat so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder „insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen” (DCGK 5.4.1 bzw. PCGK 5.2.1). Die Empfehlungen verdeutlichen, dass in von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen schon bei der Bestellung der Mitglieder des Über­wachungs­organs keinem guten Rat gefolgt wird, wenn dabei statt auf die Qualifikation eher auf die Besetzung nach Parteienproporz geachtet wird.
 

Qualifikation fordert Zeiteinsatz

Eng verbunden mit der erforderlichen Qualifikation ist der erforderliche Zeiteinsatz. Zwar sieht das Gesetz als Mindestvorgabe nur zwei Sitzungen je Kalenderhalbjahr bzw. eine Sitzung je Kalenderhalbjahr bei nicht-börsennotierten Gesellschaften vor (§ 110 Abs. 3 AktG). Allerdings sagt die Sitzungshäufigkeit nur wenig aus über den insgesamt erforderlichen Zeiteinsatz, da die Sitzungen auch vorbereitet, Unterlagen zur Kenntnis genommen und Überwachungs-, Prüfungs- und Beratungshandlungen erst vorgenommen werden müssen. Dabei wird gerade bei den quasi-ehrenamtlichen Aufsichtsratsmitgliedern kommunaler Gesellschaften nicht stets davon auszugehen sein, dass diese schon mit der Bestellung über die zur Vornahme dieser Handlungen erforderliche Qualifikation verfügen. Zum Mandatsausübungs- tritt damit der Qualifikationserlangungs-Zeiteinsatz hinzu.
 
Ein Verweis auf fehlende eigene Qualifikation kann dann nicht entlastend wirken, wenn ein Schadensfall darauf zurückzuführen ist, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats erhaltene Informationen nicht richtig bewerten – und dann die notwendigen Schritte ableiten – konnten. Aufsichtsratsmitglieder sollten Sicherung und Ausbau der eigenen Qualifizierung und auch den dazu erforderlichen Zeiteinsatz deshalb stets im Blick behalten und bei einzeln oder kollektiv erkannten Kenntnislücken Weiterbildungen einfordern und im Zweifel selbst suchen. Denn eines sollte auf der Hand liegen: Der „Schmerz” aus dem Offenbarenmüssen einer eigenen Kenntnislücke geht wesentlich weniger tief als die spätere Konfrontation mit einer Regressforderung.

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Peter Lindt

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