Geschäftsführer im Haftungsdilemma: Organisation ist der beste Schutz!

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​​Konzentration auf das operative Geschäft und die Buchhaltung wird die Steuern schon machen? Mitnichten eine charmante Lösung! Der steuer­liche und insbesondere der steuer­straf­rechtliche Gesetzgeber erweist sich gerade hier als kleinlich. Steuerliche Pflichten sind und bleiben Chefsache.

 

​​Organpflichten nach steuerlichem Verfahrensrecht, insbesondere § 34 AO

Die gesetzlichen Vertreter juristischer und natür­licher Personen und die Geschäftsführer, v.a. von Personen­gesellschaften, haben deren steuer­liche Pflichten zu erfüllen. An solchen Pflichten besteht ein ganzer Strauß, insbesondere Erklärungs-, Auskunfts-, Nachweis-, Berichtigungs-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie selbstverständlich auch die Pflicht zur Zahlung von Steuern an sich (§§ 33, 34 AO).
 

Eine schuldhafte Verletzung der Pflichten setzt den gesetzlichen Vertreter wirtschaftlichen Risiken in eigener Person aus. Selbst eine haftungsbegrenzte Rechtsform der Gesellschaft schützt hier nicht. Es steht – neben einer etwaigen strafrechtlichen Verantwortung – oft auch vermögensmäßig eine persönliche Einstandspflicht im Raum.
 

Risiko der persönlichen Einstandspflicht für Steuerschulden

Nach § 69 AO haften Vorstände, Geschäftsführer usw. persönlich, wenn sie die ihnen auf­er­legten steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen und deshalb Steuern zu niedrig oder zu spät festgesetzt oder entrichtet werden. Ob sie zur Zahlung herangezogen werden, liegt zwar grundsätzlich im Ermessen der Behörde, riskant wird es jedoch besonders dann, wenn von der Gesellschaft selbst keine Zahlung zu erwarten ist, eine Steuerstraftat vorliegt oder trotz bestehender gesetzlicher Verpflichtung Steuern nicht einbehalten oder abgeführt wurden (§ 191 AO, § 219 AO).
 

Gerade Einbehalt, Anmeldung und Abführung von Lohnsteuer (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG, § 41a Abs. 1 S. 1 EStG) sind besonders anschaulich für solche Pflichten und ein mögliches Ent­scheidungs­dilemma: Reichen die vorhandenen Mittel der Gesellschaft nicht aus, um Arbeitnehmer, Finanz­amt sowie Sozial­ver­sicherungskassen zu befriedigen, kann das Organ nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung gezwungen sein, die Auszahlungsbeträge an die Mitarbeiter soweit zu reduzieren, dass anteilige Löhne sowie entsprechende Lohnsteuer und Sozialabgaben voll bezahlt werden können. Hier tut qualifizierte steuerliche, steuerstrafrechtlich präventive, aber auch insolvenzrechtliche Beratung Not.
 

Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil auch außerhalb der Abgabenordnung Sanktionen und Haftungsrisiken lauern, z.B. für bestimmte nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge, § 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB, oder bei „Erschleichen” einer Investitionszulage (Subventionsbetrug, § 823 Abs. 2 BGB, § 264 StGB).

 

Weitere Haftungstatbestände für nicht einbehaltene und abgeführte Steuern finden sich für Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 5 EStG, § 45a Abs. 1 EStG), bei Bauleistungen sowie in weiteren Branchen mit spezialgesetzlichen Regelungen. Aber auch das Umsatzsteuergesetz kennt Haftungsregelungen und führt sehr schnell zu großen Haftungsrisiken in steuerlicher und steuerstrafrechtlicher Hinsicht.
 

Besonders belastend: Haftung bei Steuerstraftaten

Besondere Risiken persönlicher Inanspruchnahme bestehen für die Organe einer Gesellschaft im Bereich der Steuerstraftaten. Nach § 71 AO haften Täter, wie auch Teilnehmer an einer Steuer­hinter­ziehung oder einer Steuerhehlerei, für verkürzte Steuern und Hinterziehungszinsen. Als Täter oder Gehilfen einer solchen Steuerstraftat kommen insbesondere und vorwiegend die in §§ 34 und 35 AO genannten Vertreter in Betracht, die steuerliche Pflichten zu erfüllen haben.
 

Dazu gehört auch die Pflicht der Berichtigung sich nachträglich als unzutreffend erweisender Steuer­er­klärungen nach § 153 AO. Auch hier ist der Gesetzgeber sehr deutlich: Kommt der entsprechend zur Korrektur Verpflichtete nicht unverzüglich dieser Pflicht nach, dann schlägt eine derartig verspätete oder gar unterlassene Berichtigung nur allzu schnell in eine Steuer­hinter­ziehung um. Eine derartige Berichtigungspflicht besteht sogar auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung nicht positiv gekannt, sie aber in Kauf genommen hat und zu einem späteren Zeitpunkt zur Erkenntnis gelangt, dass die ursprünglichen Angaben unrichtig oder unvollständig waren.
 

Bei einer derartigen Korrektur ist jedoch zu beachten, dass nicht nur die unvollständige bzw. unrichtige Steuererklärung an sich, sondern zudem alle Erklärungen betroffen sind, die Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Steuern haben können.
 

Die Klärung damit einhergehender Sachverhalte kann eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen und mit der Unverzüglichkeit der Berichtigung kollidieren. In welchem zeitlichen Rahmen eine derartige Berichtigung vonstattengehen soll, dazu schweigt sich der Gesetzgeber aus und spricht „nur” von unverzüglich, d.h. übersetzt: sofort, ohne schuldhaftes Zögern.
 

Auch um dieses zeitliche Risiko in den Griff zu bekommen, ist es angeraten, bei derartigen Sachverhalten spezialisierte Berater aufzusuchen.
 

Organisation als Risikobegrenzung und möglicher Weg aus dem Dilemma

Die Vielzahl der hier nur beispielhaft angeschnittenen Organpflichten im Bereich des Steuer­rechts verdeutlicht anschaulich, dass auf Organebene ernstzunehmende Haftungsrisiken bestehen. Reines Vertrauen auf eine Directors-and-Officers (D&O)-Versicherung ist dabei keine Lösung.       
   

Die Einrichtung eines angemessenen, funktionierenden, d.h. gelebten Tax Management- und Tax Compliance Systems ist der zentrale Schritt zur Reduzierung dieses Haftungsrisikos, nicht nur in steuerlicher Hinsicht. Von enormer Wichtigkeit hierbei ist die tatsächliche Umsetzung und die „Lebbarkeit” dieses Tax Compliance Systems, denn nur dies zeigt die Ernsthaftigkeit der Bestrebung. Ein Feigenblatt oder ein zahnloser Papiertiger schadet dabei umso mehr!
 

Qualifiziertes, regelmäßig geschultes und gewissenhaft überwachtes Personal wie auch definierte Arbeitsabläufe und externe Berater helfen, Fehler und Verschulden zu verringern. Flankierend kann bei mehreren Geschäftsführern/Vorständen eine eindeutige interne Ver­ein­barung im Rahmen einer Geschäftsverteilung mögliche Erleichterung bringen. Ermessens­gerechter Haftungsadressat werden dann in erster Linie die für steuerrechtliche Angelegen­heiten zuständigen Organmitglieder sein. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung aller vertretungsberechtigten Organmitglieder wird allerdings nur solange in den Hintergrund treten, wie der Informationsfluss auf Organebene sichergestellt ist und keine Unregelmäßigkeiten erkennbar sind.
 

Ob und inwieweit durch die Implementierung eines derartigen Tax Compliance Management Systems der strafrechtliche Vorsatz ausgehebelt wird, wird im Einzelnen geprüft werden müssen; als Indiz wird es den Ausschlag in die eine oder andere Richtung geben können.
 

zuletzt aktualisiert am 29.06.2016

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