Post Merger Finance- und IT-Integration in der Digitalisierung

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veröffentlicht am 9. Oktober 2019 | Lesedauer ca. 5 Minuten, von Armin Wilting und Christoph Pauli


Der langfristige Erfolg einer Unternehmenstransaktion bzw. die erfolgreiche Einbin­dung des zugekauften Unternehmens, werden maßgeblich durch die Post Merger Integration beeinflusst. Dabei nehmen insbesondere die Bereiche IT und Finance eine wichtige Rolle ein. Zum einen umfassen sie die wesentlichen Schnittstellen zwischen beiden Unternehmen und werden benötigt, um einen reibungslosen Ablauf der Geschäftsprozesse zu garantieren.

Auf der anderen Seite fungieren die Bereiche – durch eben diese Schnittstellen-Funktion –als größter Träger potenzieller Synergien. Gleichzeitig hängen weitere Synergie-Faktoren direkt oder indirekt mit den beiden Bereichen zusammen.

Aufgrund der Faktoren, aber auch im Hinblick auf die anfallenden Kosten einer Post Merger Integration (i.d.R. entfallen rund 30 Prozent der gesamten Integrationskosten auf die IT-Integration), ist eine frühzeitige Planung und Umsetzung von Maßnahmen sowie die Einbindung fortschrittlicher Technologien unbedingt ratsam.



   

Bereiche der IT- und Finance Integration

Um die Integration von IT und Finance ausreichend zu planen, ist vorab ein entsprechendes Verständnis der einzelnen Bestandteile unerlässlich.


IT

Der Bereich IT kann in den meisten Fällen in die folgenden Kategorien aufgeteilt werden:


1.  IT-Organisation und -Prozesse

Der Bereich beinhaltet den organisatorischen Aufbau der IT-Abteilungen sowie die Prozesse und Leistungen innerhalb der IT. Das ist abhängig vom jeweiligen Geschäftsfeld und den entsprechenden Abläufen innerhalb des Unternehmens bzw. den Anforderungen der jeweiligen Abteilungen und Fachbereiche an die IT, sodass die Organisation oft stark an die Unternehmensstruktur angelehnt ist.


2.  Applikationen und Systeme

Unter Applikationen sind die einzelnen Programme bzw. Softwarelösungen zu verstehen, die Nutzer innerhalb des Unternehmens verwenden. Das umfasst Anwendungen für die Abbildung der Prozesse und der Buchhaltung bis hin zu individuellen Anwendungen wie Excel, aber auch Anwendungen für die Kommunikation.


3.  IT-Infrastruktur und -Sicherheit

Die IT-Infrastruktur bezeichnet die gesamte IT-Landschaft des Unternehmens. Das beinhaltet u.a. Data-Center, IT-Anlagen, Netzwerke sowie das Inter- und Intranet.


Unter IT-Sicherheit ist der Schutz der IT-Infrastruktur gegen unbefugten Zugriff, Schadsoftware und Internet-Kriminalität zu verstehen. Hierzu gehören ebenso Maßnahmen zum Schutz vor Systemausfällen. Insbesondere bei der Due Diligence und der IT-Integration wird mit besonders vertraulichen Informationen gearbeitet, sodass das Thema IT-Sicherheit eine wichtige Rolle einnimmt.


Finance

Der Bereich Finance kann je nach Unternehmensgröße sehr umfassend sein. Den Mittelpunkt stellt dabei die Buchführung dar, für die die Buchhaltung verantwortlich ist. Die Buchhaltung kann wiederum in weitere Bereiche aufgegliedert werden. Das beinhaltet ( aber beschränkt sich nicht auf) die nachfolgend beschriebenen Punkte:


Die Finanzbuchhaltung erfasst die Buchungsvorgänge, die zur Erstellung des Jahresabschlusses bzw. der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung notwendig sind.

Die Kundenverwaltung bzw. Debitorenbuchhaltung ist verantwortlich für die ausgehenden Rechnungen und Forderungen gegenüber Kunden und bildet die Schnittstelle zum Mahnwesen und der Rechnungserstellung. Die Lieferantenverwaltung bzw. Kreditorenbuchhaltung hingegen ist zuständig für die eingehenden Rechnungen und die Zahlungen an Gläubiger.

Während die Anlagenbuchhaltung für die Erfassung des Sachanlagevermögens verantwortlich ist, ist die Lager- oder Materialbuchhaltung für die Buchung von Sachverhalten in der Lagerverwaltung und Materialwirtschaft verantwortlich.

Neben dem buchhalterischen Teil sind andere Bereiche zu berücksichtigen, wie etwa Treasury. Hierbei ist es bspw. Essenziell, zu bestimmen, ob vorhandene Abteilungen in Form einer dezentralen Treasury-Abteilung bestehen bleiben oder sie in eine zentrale Abteilung integriert werden. Sollte der Käufer einen Cash-Pool nutzen, so ist ebenfalls frühzeitig eine potenzielle Anbindung zu prüfen und zu initiieren.


Vorbereitung und Vorgehensweise

Eine umfangreiche Vorbereitung und eine solide Integrationsstrategie bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Post Merger Integration, wobei ein Mangel an Erfahrung oder Ressourcen oftmals eine Hürde darstellen.


Due Diligence

Die Due Diligence bildet noch vor dem Abschluss der Transaktion einen wichtigen Bestandteil im Sinne der Post Merger Integration. Sie dient primär dazu, Risiken aufzuzeigen, die die Transaktion betreffen, gibt aber auch einen ersten Überblick über den Finanz- bzw. IT-Bereich. Das umfasst bspw. die zugrundeliegende Infrastruktur, historische und künftige Investitionen, verwendete Systeme und Applikationen oder bestehende Verträge.


Bei der Due Diligence ist es sinnvoll, bereits käuferseitig eine Integrationsstrategie der jeweiligen Teilbereiche in Anlehnung an die Gesamtintegrationsstrategie auszuarbeiten und frühzeitig den Chief Information Officer für die IT-Integration bzw. Chief Financial Officer für die Financial-Integration einzubinden. Hierzu gehört auch eine erste Abschätzung, welche Kosten ggf. entstehen, wenn das Zielunternehmen in die IT-Infrastruktur und Anwendungen des übernehmenden Unternehmens eingebunden werden soll.


Integrationstiefen

Bei der Entwicklung einer Integrationsstrategie ist die Wahl einer entsprechenden Integrationstiefe maßgeblich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit steigender Integrationstiefe das Potenzial für Synergien steigt. Allerdings steigt korrespondierend dazu auch der Integrationsaufwand, sodass Aufwand und Nutzen entsprechend der Anforderungen und angestrebten Ergebnisse angepasst werden sollten.

Hierbei wird zwischen unterschiedlichen Integrationstiefen unterschieden:


1.  Stand-Alone

Bleiben die Bereiche weitestgehend in ihrer vorhandenen Form bzw. dessen Systeme und Prozesse bestehen, so wird die Integrationstiefe als „Stand-Alone" bezeichnet. Das ist häufig der Fall, wenn das gekaufte Unternehmen weiterhin autonom funktionieren soll, um bspw. zu einem späteren Zeitpunkt wieder problemlos verkauft werden zu können. Es findet also nur eine Integration in geringfügigem Umfang statt und beide Unternehmen behalten weiterhin ihren ursprünglichen organisatorischen Aufbau. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass häufig eine Integration in das Reportingwesen des übernehmenden Unternehmens vorgesehen bzw. notwendig ist.


2.  Partial und Complete Integration

Im Kontrast zu der Stand-Alone Variante stehen die sog. Partial oder Complete Integration. Dabei werden die Systeme und Prozesse teilweise oder vollständig integriert. Diese Verfahren werden gewählt, wenn eine mittel- oder langfristige Anbindung des Unternehmens in das operative Geschäft beabsichtigt wird.

Je nach Tiefe der Integration werden Prozesse und Systeme zu denen des Käufers übertragen. Wobei ebenfalls eine Kombination beider Seiten möglich ist, bspw. innerhalb der Unternehmensfunktionen, um so zusätzliche Synergien zu heben.


Eine gut strukturierte und effizient gestaltete IT-Integration wirkt sich erheblich auf die Eingliederung anderer Bereiche aus und ebnet den Weg auch in diesen Bereichen, die Integration erfolgreich abzuwickeln. Die unterstützende Funktion spiegelt sich u.a. bei der Financial-Integration und deren Teilbereichen wie Buchhaltung und Controlling.


Digitalisierung

Um Prozesse zu identifizieren, wird klassischerweise auf den Unterlagen und Ergebnissen der Due Diligence aufgebaut und im weiteren Verlauf auf Gespräche mit dem verantwortlichen Fachpersonal und Management sowie auf Prozessdokumentation aufgesetzt.

Da diese klassische Vorgehensweise erprobt, aber mit einem erheblichem Aufwand verbunden ist, wird versucht, bei der Digitalisierung Möglichkeiten zu entwickeln, um die Schritte zu unterstützen und effektiver zu gestalten.

Process Mining stellt ein neues Verfahren dar, das nicht nur für die Post Merger Integration genutzt werden kann, sondern dafür auch sinnvolle Anknüpfpunkte bietet. Das Ziel ist, dadurch eine strukturierte Übersicht der Geschäftsprozesse zu erhalten, um sie effizienter zu gestalten oder zielgerichtet neue bzw. optimierte Prozesse in ein Unternehmen zu implementieren.

Die heutzutage verwendeten ERP-Systeme erfassen nahezu alle Informationen zu den Prozessabläufen innerhalb eines Unternehmens. Die Interaktionen mit dem ERP-System werden festgehalten, dokumentiert und mit entsprechenden Informationen, wie etwa Anwender und Uhrzeit, erfasst. Process Mining setzt auf der Grundlage auf, sodass alle zusammengetragenen Informationen aus dem ERP-System und anderen Dateien gesammelt werden und im Anschluss daran Data-Mining-Algorithmen angewendet werden können. Daraus resultierend werden Trends und Muster identifiziert und detaillierte Ist-Prozessbeschreibungen abgeleitet.

Die Vorteile des Process Minings bestehen neben der Kosten- und Zeitersparnis darin, dass die Ergebnisse auf unverfälschten und objektiven Rohdaten basieren. Dadurch wird verhindert, dass Prozesse durch subjektive Einschätzungen oder veraltete Dokumentationen verzerrt dargestellt werden.


Fazit

Eine erfolgreich abgeschlossene Transaktion geht Hand in Hand mit einer erfolgreichen Integration. Nur durch eine frühzeitig geplante und effizient gestaltete Integration können die gewünschten Synergien gehoben werden. Durch die enge Verzahnung zum operativen Geschäft nehmen die Bereiche IT und Financial eine besonders wichtige Rolle ein und bilden die Voraussetzung für einen Großteil der potenziellen Synergien. Aus dem Grund ist eine frühzeitige Einbindung der Entscheidungsträger und des Fachpersonals sinnvoll, um eine geeignete Integrationsstrategie zu definieren und passende Maßnahmen und Meilensteine festzulegen.

 
Bei der Integration können neben klassischem Projektmanagement neue Verfahren genutzt werden, um die Komplexität und den Arbeitsaufwand, aber auch das Fehlerpotenzial der Integration zu reduzieren. Process Mining stellt ein solches Verfahren dar und obwohl die Ansätze und aktuell zur Verfügung stehenden Anwendungen noch in den Kinderschuhen stecken, stellt das Verfahren eine sinnvolle Ergänzung entlang des Integrationsprozesses dar.

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