„Remote Working“: Überlegungen aus Verrechnungspreis­sicht

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veröffentlicht am 27. Juli 2023 | Lesedauer ca. 3 Minute


„Remote Working“ wird seit langem praktiziert, hat aber nach der Covid-19-Krise sowohl hinsichtlich des Ausmaßes als auch der Dauer des Phänomens an Relevanz gewonnen. Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über die potenziellen Verrech­nungs­preisauswirkungen zu geben, die sich aus der zunehmenden Nutzung von „Remote Working“ in multinationalen Unternehmen ergeben können.



Agiles, grenzüberschreitendes Arbeiten oder „Remote Working“ ist seit langem in der Diskussion, hat aber nach der Covid-19-Krise sowohl in Bezug auf das Ausmaß als auch auf die Dauer des Phänomens einen starken Anstieg erfahren. Der Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften verschärft das Phänomen zusätzlich. Remote Working kann aus steuerlicher Sicht eine Reihe wichtiger Auswirkungen für ein Unternehmen haben, wie z.B. die Frage möglicher Betriebsstättengründungen oder Überlegungen zu persönlichen Steuerzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen der verschiedenen beteiligten Personen. Angesichts des potenziellen Um­fangs des Themas und um einige Denkanstöße zu geben, die nicht immer berücksichtigt werden, wird sich dieser Artikel hauptsächlich auf Verrechnungspreisaspekte im Zusammenhang mit dem Phänomen des Remote Working konzentrieren.
 
In einem ersten Schritt ist es notwendig, zu beurteilen, wann und in welcher Weise Remote Working per se einen verrechnungspreisrelevanten Sachverhalt darstellen kann. Zu diesem Zweck kann es nützlich sein, einige illustrative Beispiele zu betrachten.
 
Betrachten wir den Fall einer Person, die ursprünglich bei einem Unternehmen in Deutschland beschäftigt war und beschließt, von Italien aus bei der betreffenden Tochtergesellschaft desselben Konzerns zu arbeiten. In diesem Fall ist das Unternehmen zu ermitteln, zu dessen Gunsten die Person ihre Arbeit verrichtet. Sollte der Nutznießer der Tätigkeit der Person weiterhin das deutsche Unternehmen sein, müsste eine grenzüberschrei­tende konzerninterne Transaktion (und damit eine verrechnungspreisrelevante Transaktion) für die Erbringung von Dienstleistungen durch das italienische Unternehmen an das deutsche Unternehmen festgestellt werden, die es vorher nicht gab und die mit der von der verlegten Person erbrachten Dienstleistung übereinstimmt. Wäre hingegen der Begünstigte der ausgeübten Tätigkeit das italienische Unternehmen, so würde kein Vorgang wie der oben beschriebene entstehen, aber es könnte eine Funktionsverlagerung vorliegen. Wenn die Übertra­gung von Funktionen, Risiken und Vermögenswerten signifikant ist, kann sie darüber hinaus zu einer Änderung des Funktionsprofils der an der Übertragung beteiligten verbundenen Unternehmen führen, was wiederum eine Änderung der Verrechnungspreisgestaltung des multinationalen Konzerns als Ganzes zur Folge haben könnte. Absurderweise könnte der Transfer eines einzigen Hauptakteurs dazu führen, dass die Rollen und funktionalen Charakterisierungen der beiden Einheiten geändert werden.
 
Ungeachtet des Extremfalls ist es in jedem Fall von entscheidender Bedeutung zu berücksichtigen, dass die Unternehmen die Situation des „Remote Working“ häufig als eine von den Arbeitnehmern auferlegte Bedingung „erleiden“. Besonders deutlich wird das (auf Unternehmensseite) bei „Tech-Unternehmen“ und (auf Arbeitneh­mer­seite) bei Personen, die Funktionen ausüben, die im Verrechnungspreisjargon als „DEMPE-Funktionen“ bezeichnet werden, oder die auf andere Weise Positionen mit Entscheidungsbefugnissen innerhalb des Unter­nehmens innehaben, für das sie arbeiten.

Folglich muss der Arbeitnehmer, der von einem anderen Land aus arbeiten muss als dem, in dem das Unter­neh­men, zu dessen Gunsten er seine Aufgaben wahrnimmt, ansässig ist, sorgfältig geprüft werden, um zu verstehen, ob die neue Konstellation zu grenzüberschreitenden Transaktionen führen könnte, die aus Verrech­nungspreissicht relevant sind.
 
Sobald erkannt ist, dass eine grenzüberschreitende konzerninterne Transaktion vorliegt, die aus Verrechnungs­preissicht relevant ist, muss eine angemessene Vergütung definiert werden. In diesem Bereich scheint es derzeit keine allgemeingültige Methode zu geben. Einige der bereits in Betracht gezogenen Lösungen konzen­trieren sich auf die Anwendung der „Profit Split Methode“, die sowohl im Hinblick auf die Berechnung Höhe als auch auf die anschließende Rechtfertigung in Bezug auf den Fremdvergleichsgrundsatz im Rahmen einer möglichen Verrechnungspreisdokumentation potenziell sehr komplex ist. Als Alternative schlagen einige die Anwendung der Cost-Plus-Methode vor (die üblicherweise bei der Erbringung von Dienstleistungen angewandt wird), die zwar generell einfacher anzuwenden ist, aber bei Tätigkeiten mit hoher Wertschöpfung, wie sie unter die OECD-Definition der „DEMPE-Funktionen“ fallen, schwieriger (oder sogar weniger geeignet) ist.
 
Einige Alternativen lassen sich auf die so genannten „save haven“ zurückführen (bei denen es sich jedoch häufig um einseitige Maßnahmen handelt und die daher das Risiko bergen, dass sie nicht von allen an der zu analysierenden Transaktion beteiligten Ländern akzeptiert werden), auf eine „formulary apportionment“ nach dem Vorbild des OECD-Vorschlags für Pillar One, oder die Besteuerung nur auf der Ebene der natürlichen Person anzuwenden (wodurch jedoch die dem Unternehmen zuzurechnende steuerpflichtige Komponente vollständig verloren ginge).
 
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es auf der Ebene der internationalen Best Practice keine eindeutige Lösung gibt, die universell anwendbar ist und von den verschiedenen Steuerverwaltungen als solche anerkannt wird. Ziel dieses Artikels ist es daher, neben dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Einzelfallbeurteilung auf der Grundlage der spezifischen Situation des Arbeitnehmers und des multinationalen Unternehmens, für das er seine Tätigkeit ausübt, Denkanstöße und mögliche Vorschläge für den Umgang mit dieser Frage zu geben, falls sie auftritt.

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