Von der Vollziehung ausgesetzte Steuerforderungen – Keine Aufnahme in den Zahlungsunfähigkeitsstatus

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1. Problemstellung

 Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) ist nicht immer klar, welche Forderungen eigentlich in den Zahlungsunfähigkeitsstatus aufzunehmen sind und welche außen vor bleiben können. Das OLG Brandenburg hat dies jedenfalls für Steuerforderungen entschieden, für die eine Aussetzung der Vollziehung gewährt wurde.
 

2. Urteil OLG Brandenburg (7 U 23/11)

Die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden führe nach Auffassung des Gerichts zur fehlenden Fälligkeit der Steuerschulden während der gesamten Aussetzungszeit. Die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide habe zu Folge, dass die Schuldnerin für die Dauer des Verfahrens vor dem Finanzgericht die Steuerschulden nicht als fällig i.S.d. §  17 I InsO ansehen musste. Wegen der ungeklärten steuerrechtlichen Situation im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit der Schuldnerin hatte das Finanzamt einer Sprungklage zugestimmt, weil es ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der Steuerbescheide hatte. Wenn auch die Wirksamkeit des Steuerbescheides für sich gesehen durch die Aussetzungen nicht berührt worden ist, so entfiel für die gesamte Aussetzungszeit die Verpflichtung zur Begleichung der Steuern ersatzlos. Der Aussetzung der Vollziehung kam für die Schuldnerin eine Wirkung zu, die einer zivilrechtlichen Vereinbarung, einen Anspruch für eine bestimmte Zeit nicht geltend zu machen, in der Wirkung nahezu gleichkam. Der Senat erachtete es somit für sachgerecht, die Steuerforderungen bis zum Ende der Aussetzungsfrist bei der Betrachtung der Zahlungsfähigkeit nicht in Ansatz zu bringen.
 

3. Fazit

Die Entscheidung ist zu begrüßen wenn auch dogmatisch nicht sauber und schafft bis auf weiteres Rechtsklarheit mit dem Umgang derartiger Steuerforderungen. Nach § 17 InsO ist ein Schuldner grundsätzlich zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Ob eine Steuerforderungen als fällig im Sinne des § 17 InsO anzusehen ist, hängt davon ab, ob nachfolgende Voraussetzungen vorliegen:
  • Die Forderung muss zunächst fällig sein i.S.d. § 220 AO i.V.m. dem jeweiligen Steuergesetz (UStG, KStG etc.) (1. Stufe)
  • Die Zahlungspflicht muss frei von Einwendungen und Einreden sein (2. Stufe)
  • Es muss ein erkennbarer Wille des Gläubigers vorliegen, vom Schuldner die Erfüllung zu verlangen (3. Stufe).
 
Eine stattgebende Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung lässt zwar die Wirksamkeit und den Bestand des Verwaltungsaktes sowie dessen Fälligkeit unberührt. Sie hat aber grundsätzlich zur Folge, dass der materielle Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes bis zum Widerruf der Aussetzung der Vollziehung nicht mehr verwirklicht werden kann.

Der Finanzverwaltung ist damit jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Verwaltungsaktes, die auf die Verwirklichung seines Regelungsinhalts sowie der sich daraus ergebenden Nebenfolgen gerichtet ist, untersagt. Damit kann der Steuerschuldner geltend machen, dass die grundsätzlich noch bestehende und fällige Zahlungspflicht für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung suspendiert und damit nicht (mehr) frei von Einwendungen ist (2. Stufe).

Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil er der, soweit ersichtlich, höchstrichterlich ungeklärten Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, inwieweit Steuerforderungen, deren Vollziehung ausgesetzt oder die gestundet sind, bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen des § 17 InsO zu berücksichtigen sind.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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