Erhalt der Dauerfristverlängerung im Schutzschirmverfahren - und darüber hinaus?!

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Über das Vermögen einer Mandantin ist auf den Eigenantrag hin mit Beschluss vom 12.02.2014 ein Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) angeordnet worden. Das Unternehmen ist seit Jahren spezialisiert auf technische Kunststoffe. Die Einleitung des Sanierungsverfahrens war notwendig, weil das Unternehmen eine im Jahr 2008 erworbene englische Gesellschaft nicht gewinnbringend aufstellen konnte. Die englische Gesellschaft wurde erworben, um den Bereich POM und Halbzeuge marktseitig zu erschließen. Die Antragstellerin war bis dahin ausschließlich im Bereich Poly amid tätig. Unmittelbar nach der Akquisition führte die Finanzkrise bei der Antragstellerin zu deutlichen Verlusten. Es gelang insoweit nicht, nach Ende der Finanzkrise die englische Tochtergesellschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu bewegen. Im Rahmen des amtsgerichtlichen Beschlusses ist der Mandantin eine Frist von drei Monaten ab Zustellung des Beschlusses gesetzt worden, binnen derer ein Insolvenzplan vorgelegt werden musste. Die Insolvenzschuldnerin ist ausweislich des Beschlusses zudem ermächtigt worden, Verbindlichkeiten zu begründen, die im Falle einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten (§§ 270b Abs. 3). § 270b Abs. 3 S. 2 InsO ordnete die entsprechende Geltung des § 55 Abs. 2 InsO an.
 

1. Ausgangssituation

Die Mandantin war Soll-Versteuerer nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG). Ihr wurde bislang Dauerfristverlängerung nach den §§ 16 und 18 UStG und §§ 46 bis 48 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) gewährt. Ein Unternehmer möchte mit dem Antrag auf Dauerfristverlängerung erreichen, dass sein Finanzamt ihm eine einmonatige Frist zur Abgabe seiner Umsatzsteuervoranmeldung gewährt. Eine genehmigte Dauerfristverlängerung gilt nicht nur für die dem Antrag folgende Umsatzsteuervoranmeldung, sondern für sämtliche dem Antrag folgenden Umsatzsteuervoranmeldungen.

Als die Finanzverwaltung Kenntnis von der Anordnung des Schutzschirmverfahrens und der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung erhielt, widerrief sie die Dauerfristverlängerung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sei die Dauerfristverlängerung entsprechend zu widerrufen, weil spätestens mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Steueranspruch gefährdet erscheint (so OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 25.05.2007 – S 7340 A-85-St11, Rz. 61).
 

2. Lösung

Wir konnten in enger Abstimmung mit der Finanzverwaltung erreichen, dass die Dauerfristverlängerung im Schutzschirmverfahren erhalten blieb.

Die Dauerfristverlängerung ist ein Steuerverwaltungsakt, der ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO widerrufen werden kann. In Betracht kam hier allenfalls die Rücknahme eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Zukunft. Die Finanzverwaltung konnte davon überzeugt werden, dass eine Gefährdung des Steueranspruchs im konkreten Fall in Ansehung der besonderen Verfahrensart ausschied.

Besonderheit des Schutzschirmverfahrens war es, dass das Gericht auf Antrag der Schuldnerin eine umfassende Masseverbindlichkeitenbegründungskompetenz eingeräumt hat. Daraus folgte, dass sämtliche verwirklichte Steueransprüche im Rahmen des Schutzschirmverfahrens als Masseverbindlichkeiten zu behandeln waren und bezahlt werden mussten. Der Steueranspruch ist insoweit nicht auf die Quote beschränkt, sodass hier kein Ausfall zu Lasten des Fiskus zu erwarten war. Die Liquiditätsplanung hat aufgezeigt, dass genügend Liquidität vorhanden war, um die (Umsatz-) Steuer ansprüche zu erfüllen.

Eine Gefährdung des Steueranspruchs ist nur dann gegeben, wenn der Unternehmer seine Umsatzsteuervoranmeldungen nicht oder nicht rechtzeitig abgibt oder angemeldete Vorauszahlungen nicht entrichtet (vgl. FG Köln, Urteil vom 12.12.2012 – 9 K 2349/10). Die Schuldnerin kam ihren steuerlichen Pflichten sowohl hinsichtlich der Anmeldung als auch der Abführung der Steuer in der Vergangenheit vollumfänglich nach.
 

3. Fazit

Das Verfahren zeigt abermals deutlich, dass eine professionelle Vorbereitung und ein professioneller Umgang mit dem Instrument Schutzschirmverfahren dazu führt, dass auch die beteiligten Behörden das Vertrauen in das schuldnerische Unternehmen nicht zwingend verlieren.

Die Intention des Gesetzgebers mit der Einführung des ESUG (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) war unter anderem die Verbesserung der Sanierungs optionen durch eine Erweiterung der Möglichkeiten im Rahmen der Eigen verwaltung. Dem Sanierungsgedanken – und dem Willen des Gesetzgebers – würde es zuwiderlaufen, wenn über die Vorschriften der Umsatzsteuerdurchführungs verordnung die Dauerfristverlängerung für sanierungsbedürftige und sanierungsfähige Unternehmen widerrufen würde. Dies erscheint vor dem Hintergrund der beabsichtigten Verbesserung der Sanierungs kultur in Deutschland kontraproduktiv, sodass dies im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt werden muss und bei der professionell agierenden Finanzverwaltung auch berücksichtigt wird.

Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen per Liquiditätsplanung nachgewiesen werden kann, dass eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht zu befürchten ist. Im konkreten Fall ist es sogar gelungen, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine neue Dauer fristverlängerung zur neuen Steuernummer zu erhalten.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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