Silicon Valley Bank und Credit Suisse – Too big to fail?

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veröffentlicht am 4. Juli 2023

 

 

Erst der Kollaps der Silicon Valley Bank in den USA und nun die Übernahme der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse. Die jüngsten Bankenkrisen erinnern an die weltweite Finanzkrise der Jahre 2007/2008 und wecken Befürchtungen eines Dominoeffektes. Erneut stellt sich die Frage, ob diese Ereignisse eine Gefahr für das weltweite Finanzsystem darstellen.

 

Krise der Silicon Valley Bank

Die Silicon Valley Bank (SVB) war eine auf Start-up Finanzierung spezialisierte Bank in den USA. Im März 2023 wurde das Vermögen der SVB nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung durch die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) beschlagnahmt und der Betrieb eingestellt. Mit einer Bilanzsumme von mehr als 200 Milliarden USD handelt es sich um die zweitgrößte US-Bankenschließung aller Zeiten.

 

Die SVB verzeichnete während der Coronapandemie einen starken Zuwachs an Einlagen, da viele Technologieunternehmen in der Boomphase bis 2021 ihr Geld bei der SVB verwahrt haben. In der Niedrigzinsphase wurden diese Einlagen zu einem großen Teil in längerfristige Staats- und Hypothekenanleihen angelegt. Als die US-Notenbank die Zinsen erhöhte, um die Inflation einzudämmen, fielen die Anleihenkurse. Hierdurch verlor ein Großteil der Wertpapiere der SVB deutlich an Wert. Durch den Anstieg der Zinsen geriet daneben auch die Technologiebranche unter Druck, da sich die Kapitalkosten erhöhten und Investoren zurückhaltender wurden. Viele der SVB-Kunden riefen daher ihre Einlagen ab. Die SVB war in Folge dessen gezwungen ihre Anleihen mit hohen Kursverlusten zu verkaufen. Als die SVB Kapitalbedarf anmeldete, gerieten die Kunden in Panik und ein Bankenansturm (Bankrun) setzte ein. Die FDIC beschlagnahmte daraufhin das Vermögen der SVB. Wie viel von den Verlusten durch die Einlagensicherung abgefangen wird, ist derzeit noch nicht klar.

 

Die Pleite der SVB hat auch Auswirkungen auf einige europäische und deutsche Unternehmen. Nach Informationen des Handelsblatts soll die SVB 3.600 europäische Kunden gehabt haben, von denen rund zehn Prozent aus Deutschland kommen sollen. Die deutsche Start-up-Szene scheint jedoch von einer strukturellen Krise weniger bedroht, da weniger Jungunternehmen ihr Geld bei der SVB hinterlegt haben.


Als Konsequenz der Pleite gerieten die Aktienkurse vieler weiterer internationaler Banken stark unter Druck und es besteht die Frage, inwiefern der Zusammenbruch der SVB eine Gefahr für das globale Finanzsystem darstellt. Die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat nach der Pleite der SVB ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot gegenüber der Zweigniederlassung in Frankfurt am Main angeordnet. Sie stellte in ihrer Presseerklärung jedoch dar, dass die Zweigstelle über keine systematische Relevanz verfüge und die Bank in Deutschland keine Einlagen von Kunden sammelt, wodurch keine Konsequenzen für die Einlagensicherung in Deutschland entstehen. Auch der Bundesverband deutscher Banken schätzt die Folgen der Pleite für die deutschen Banken als übersichtlich ein.


Ein Dominoeffekt wie im Fall der weltweiten Finanzmarktkrise, die durch die Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers ausgelöst wurde, wird nicht erwartet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die SVB bei Weitem nicht so groß und verflochten war, wie Lehman Brothers. Hinzu kommt, dass die SVB ein auf Risikokapital und Start-ups spezialisiertes Kreditinstitut mit einem untypisch großen Klumpenrisiko war. Zudem sind seit der Finanzkrise zahlreiche Sicherungsmaßnahmen beschlossen worden, die eine Wiederholung damaliger Geschehnisse verhindern sollen.


Neben der SVB sind jedoch auch weitere Banken der gleichen Gefahr ausgesetzt, wie der jüngste Fall der Signature Bank verdeutlicht. Diese war ebenfalls sehr stark von den gestiegenen Zinsen betroffen und musste von der amerikanischen Zulassungsbehörde geschlossen werden. Auch europäische Geldinstitute stehen letztlich vor einem ähnlichen Problem, da diese in den vergangenen Jahren auch verstärkt in Staatsanleihen investiert haben und auch die EZB den Leitzins deutlich erhöht hat. Für diese Banken könnte es bedrohlich werden, wenn die Kunden kurzfristig ihre Einlagen abrufen.


Krise der Credit Suisse

Die zweitgrößte Schweizer Bank Credit Suisse wurde Ende März von der UBS für ca. drei Milliarden Franken übernommen. Die Übernahme wurde von der Schweizerischen Nationalbank mit einer Liquiditätszusage von rund 100 Milliarden Franken an beide Banken unterstützt. Zur Reduzierung von Risiken wurde vom Bund zudem eine Garantie zur Übernahme von Verlusten i. H. v. neun Milliarden ausgesprochen. Seit der Finanzkrise ist dies die größte Bankenübernahme in Europa.


Anders als im Fall der SVB ist die Krise der Credit Suisse vordergründig auf jahrelanges Missmanagement und Risikogeschäfte zurückzuführen.

 

Die Schweizer Bank steckte nach Medienberichten schon seit einigen Jahren in der Krise:Von 2004 bis 2007 soll die Credit Suisse dem verurteilten Drogenboss Evelin Banev geholfen haben Drogengeld zu waschen. Zwischen den Jahren 2013 und 2016 soll die Bank zudem Kreditfinanzierungen i. H. v. von zwei Milliarden Dollar für den Ausbau der Küstenwache, der Schifffahrtsflotte und der Thunfischbranche Mosambiks arrangiert haben. Im Zuge dessen sollen durch ein Bestechungs- und Schmiergeldsystem hunderte Millionen Dollar verschwunden sein und die Credit Suisse musste nach dem Schluss eines Vergleichs 475 Million Dollar an Strafe zahlen. Auch in die Insolvenz der Greensill Bank im Jahr 2021 war die Credit Suisse angeblich verwickelt. Die Credit Suisse habe angeblich mehrere Lieferketten-Finanzierungsfonds aufgelegt, die in von Greensill gekaufte und verbriefte Forderungen investierten. Bei den Forderungen handelte es sich um offene Lieferantenrechnungen. Als sich viele Forderungen als nicht werthaltig herausstellten, musste Greensill Insolvenz anmelden und die Credit Suisse Fonds mit einem Wert von zehn Milliarden Dollar einfrieren. Wenige Wochen nach der Greensill Pleite musste die Credit Suisse im Zusammenhang mit der Krise von Archegos Capital Management einen weiteren Verlust von 4,4 Milliarden Franken verkraften. Der Hedgefonds soll Bankenkapital genutzt haben, um auf US-Medienaktien und chinesische Tech-Werte zu spekulieren. Nachdem der Kurs eines Medienkonzerns, an dem der Fonds groß beteiligt war, stark eingebrochen war, forderten viele Banken nach mehr Sicherheiten. Als Archegos die Sicherheiten nicht erfüllte, stießen die Banken im großen Stil Wertpapiere ab. Die Credit Suisse musste dabei allerdings hohe Kursverluste hinnehmen.


Zur generell schwierigen finanziellen Situation der Credit Suisse kam dann noch – bedingt durch den Kollaps der Silicon Valley und der Signature Bank – die allgemeine Unsicherheit des Bankensektors hinzu. Hierdurch wurden viele Aktien verkauft und der Kurs sank. Nachdem der saudische Großaktionär dann erklärte, die Credit Suisse nicht weiter finanziell zu unterstützen, sank der Kurs auf ein Rekordtief.


Laut der Einordnung vom internationalen Finanzstabilitätsrat gehörte die Credit Suisse zu den 30 systemrelevanten Banken der Welt. Diese Banken sind international vernetzt, weshalb ihr Scheitern andere Banken mitreißen können. Die Übernahme durch die UBS war demnach entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und für die Gewährleistung der Finanzstabilität. Im Zuge der Übernahme der Credit Suisse wird die UBS zur zweitgrößten Privatbank der Welt, die eine noch größere Bedeutung für das Finanzsystem hat.

Eine weltweite Finanzkrise wie in den Jahren 2007 und 2008 wird derzeit nicht erwartet. So erklärte die EZB-Chefin Christine Lagarde: „Der Bankensektor des Eurogebiets ist widerstandsfähig und verfügt über eine starke Kapital- und Liquiditätsposition”. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion erklärte, dass die Credit Suisse ein Sonderfall sei. Diese sei durch ein schlechtes Management und durch den Abzug von Kundengeldern in Probleme gekommen. Insgesamt sei die europäische Bankenbranche stabil. Im Markt sehe er im Moment kein weiteres Ansteckungspotenzial. Auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin erklärte, dass das deutsche Finanzsystem „stabil und robust” sei.


Während eine direkte Ansteckung demnach ausgeschlossen wird, liegt die größte Gefahr derzeit in dem erlittenen Vertrauensverlust. Verschärft sich die Befürchtung, dass die Kreditinstitute ihre Verpflichtungen nicht erfüllen können, kann dies weitere Wechselwirkungen auslösen.


Dilemma der Zentralbanken

Durch die Unruhen im Bankensektor und die hohe Inflation befinden sich die US-Notenbank und die EZB derzeit in einem Dilemma hinsichtlich der Entscheidung, ob Zinserhöhungen eingestellt oder weiter vorangetrieben werden sollen. Weitere Zinserhöhungen bergen das Risiko von zusätzlichen Bankenproblemen. Eine Pause der Zinserhöhungen hingegen könnte die anherrschende Inflation weiter anfeuern.


Trotz der jüngsten Ereignisse im Bankensektor verfolgte die US-Notenbank erst einmal weiterhin den Weg einer Leitzinserhöhung. Anfang Mai erhöhte sie den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte, sodass die Leitzins-Spanne bei 5,00 bis 5,20 Prozent angehoben wurde. Im Juni wurden die Zinserhöhungen für die USA dann jedoch mindestens unterbrochen. Die Federal Reserve System (Fed) ließ den Leitzins unverändert. Für das Jahr 2023 rechnet die Fed mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3,3 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt soll im laufenden Jahr bei 0,4 Prozent liegen.


Die EZB hob den Leitzins dagegen auch im Juni um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 4,0 Prozent an und kündigte direkt weitere Zinsschritte an. Für das Jahr 2023 rechnet die EZB derzeit mit einer Inflation von 5,9 Prozent und mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent.


Die Leitzinsen sind derzeit auf dem höchsten Stand seit der weltweiten Finanzkrise 2008. Gleichzeitig wackelt die Konjunktur. Die Euro-Zone und Deutschland sind in die Rezession gerutscht. Die weitere Entwicklung an den Finanzmärkten sollte vor diesem Hintergrund genau beobachtet werden.

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