Versorgungsbedingungen insolvenzfest gestalten

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgestellt, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz tatsächlicher Abnahme von Energielieferungen und späterer Ablehnung der Vertragserfüllung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 103 II InsO kein faktischer Vertrag mit dem insolventen Kunden als Neuschuldner zustande kommt. Selbst wenn das Grundstück später an den insolventen Kunden freigegeben wird, unterliegen die Entgeltforderungen des Energieversorgungsunternehmen der Vollstreckungssperre des § 87 InsO und können deshalb nicht mehr außerhalb des Insolvenzverfahrens durchgesetzt werden.

 

Im BGH-Fall bestand ein Versorgungsvertrag zwischen Energieversorgungsunternehmen und Vermieter eines fremdvermieteten Grundstücks. Dieses Grundstück wurde mit Strom und Gas versorgt.  Über das Vermögen dieses Vermieters wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Mieter bezogen weiterhin Leistungen des Versorgungsunternehmens, welche teilweise von ihnen bezahlt wurden. Das Versorgungsunternehmen forderte den Insolvenzverwalter nicht nach § 103 II 2 InsOauf zu erklären, ob er Erfüllung verlangen will, d.h. die Fortsetzung des Energieversorgungsvertrag wünscht. Stattdessen versandte das Energieversorgungsunternehmen ein „Vertragsbestätigungsschreiben” an den insolventen Vermieter. Der Insolvenzverwalter erklärte dagegen später, dass er die Erfüllung des ursprünglichen Vertrages ablehne und lehnte eine vorrangige Bezahlung der Forderungen des Energieversorgers ab. Im Laufe des Insolvenzverfahrens wurden alle Mietverhältnisse beendet und das unbewohnte Grundstück freigegeben. Erst danach stellte das Energieversorgungsunternehmen mangels Bezahlung die Versorgung des Grundstücks ein.
  
Es stellte sich die Frage, ob und von wem gegebenenfalls Zahlung verlangt werden könnte.
 

Der BGH entschied, dass das Versorgungsunternehmen keine Zahlung von dem insolventen Vermieter verlangen kann. Zu den Gründen:
  • Die Entstehung einer Neuverbindlichkeit zwischen Versorgungsunternehmen und Mieter wird vom BGH abgelehnt.  Erbringt jemand bei einem beidseits nicht (vollständig) erfüllten Vertrag in Kenntnis der Insolvenzeröffnung vertragsgemäß seine Leistung, ohne den Insolvenzverwalter nach § 103 II 2 InsO aufzufordern, die Erklärung abzugeben, ob er Erfüllung verlangen will, entsteht daraus keine Neuverbindlichkeit. Ein solche Neuverbindlichkeit entsteht auch nicht, wenn der Insolvenzverwalter sogleich später die Vertragserfüllung ablehnt vgl. § 103 II 2 InsO. Die Leistung wurde nicht aufgrund neuer Vertragsvereinbarung erbracht, sondern aufgrund des Grundversorgungsvertrages. 
  • Nach Insolvenzeröffnung wurde auch kein neuer Versorgungsvertrag geschlossen. Die Bereitstellung von Strom und Gas durch das Versorgungsunternehmens stellt eine Realofferte dar.  Aus objektiver Sicht soll sich die Realofferte des Versorgungsunternehmens an denjenigen richten, welcher die bereitgestellte Energie nutzt. Dies ist vorliegend der Mieter, welcher die tatsächliche Verfügungsmacht über Strom und Gas innehat bzw. der Insolvenzverwalter, dem die rechtliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück zusteht. Dem ursprünglichen Vertragspartner des Grundversorgungsvertrages wurde gerade diese Verfügungsmacht durch das Insolvenzverfahren „entzogen”.
     
  • Der Übersendung der Vertragsbestätigung kommt keine rechtliche Bedeutung zu. Diese stellt kein Angebot auf Abschluss eines neuen Versorgungsvertrages dar. Sie hat lediglich deklaratorische Wirkung, ist also nicht rechtsgestaltend.

  • Auch eine teilweise Bezahlung hat keine rechtliche Bedeutung, indem der Versorgungsvertrag mit demjenigen zustande kommt, an den sich die Realofferte richtet, unabhängig von demjenigen, der die Leistung bezahlt.

  • Nach Freigabe des Grundstücks bis zur endgültigen Freigabeerklärung sind nicht nachträglich Neuverbindlichkeiten entstanden. Zwar gehört das Grundstück nicht mehr zur Insolvenzmasse. Die Freigabe hat aber nicht zur Folge, dass Verbindlichkeiten entfallen, die bereits bestehen.

  • Die Entstehung von Neuverbindlichkeiten aufgrund Inanspruchnahme von Leistungen nach Freigabe und endgültiger Einstellung des Verfahrens wurde abgelehnt. Es liegt wiederum keine Annahme der Realofferte vor. Das Grundstück war unbewohnt. Eine eventuelle Nutzung von Kleinstmengen Strom und Gas sind zu vernachlässigen.

  • Andere Ansprüche aus gesetzlichem Schuldverhältnis  nach Voraussetzungen über Ersatzversorgung (§ 38 I 1 ENWG), aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 I BGB wurden abgelehnt. Deren Voraussetzungen sind nicht gegeben.

 
Danach sollten Energieversorgungsunternehmen bereits im Vorfeld einer Insolvenz frühzeitig Versorgungseinstellungen androhen und umsetzen, Zahlungsgarantien bereits mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter vereinbaren oder notfalls Neuvertragsbestätigungen nur an Mieter oder Insolvenzverwalter versenden. Dabei sollte ein entsprechendes Insolvenzsicherungskonzept in den allgemeinen Versorgungsbedingungen bereits angelegt sein, da andernfalls erhebliche Risiken aus der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter bestehen. Das BGH-Urteil ist insofern ein weiterer Anlass, die in diesem Punkt häufig veralteten oder unvollständigen Versorgungsbedingungen jetzt zu aktualisieren oder zu ergänzen.

     

 

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Joachim Held

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