Versorgungssicherheit vs. Wettbewerbsneutralität – Dürfen Netzbetreiber Energiespeicheranlagen betreiben?

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​​​​​​veröffentlicht am 30. April 2025


Mit dem wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix und dem wachsenden Bedarf an Flexibilität rückt die Rolle von Energiespeicheranlagen zunehmend in den Fokus der Betreiber von Energieversorgungsnetzen (Netzbetreiber). Dabei stellt sich eine zentrale Frage: Dürfen Netzbetreiber Energiespeicheranlagen selbst errichten und betreiben – oder setzt das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) hierbei klare Grenzen? Der Gesetzgeber ist diesbezüglich leider nicht so eindeutig wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Grundsätzlich regelt § 7 Abs. 1 S. 2 des EnWG, dass es Netzbetreibern nicht gestattet ist, Eigentümer von Energiespeicheranalgen zu sein, diese zu errichten, zu verwalten oder zu betreiben (nachfolgend insgesamt „Betrieb“). Dem Wortlaut des Gesetzes folgend sind nach § 7 Abs. 2 S. 1 EnWG allerdings integrierte Versorgungsunternehmen mit weniger als 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden von dieser Regelung ausgenommen. Die in § 7 Abs. 2 enthaltene De-minimis-Regelung verweist vollumfänglich auf Absatz 1 und nimmt De-minimis-Netzbetreiber grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich heraus.

Die rechtswissenschaftliche Literatur geht jedoch davon aus, dass die De-minimis-Regelung für den Fall des Betriebs von Energiespeichern keine Anwendung finden darf, da dies nicht im Einklang mit einer europarechtskonformen Auslegung der Strombinnenmarktrichtline steht (Art. 36 Abs. 1 und Art. 54 Abs. 1). Bei dem allgemeinen Verweis auf § 7 Abs. 1 in § 7 Abs. 2 EnWG handle es sich um ein redaktionelles Versehen des nationalen Gesetzgebers. Das Verbot des Betriebs von Energiespeicheranlagen müsse in Übereinstimmung mit der Strombinnenmarktrichtlinie und der europäischen De-minimis-Regelung für alle Netzbetreiber gelten, unabhängig von ihrer Größe. Auch die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat sich bereits im Jahr 2021 hierzu geäußert. Laut BNetzA stehe der Betrieb von Energiespeichern durch Netzbetreiber oder ihre Tochterunternehmen mit Entflechtungsregelungen grundsätzlich nicht im Einklang. Gleichzeitig soll ein Betrieb aus praktischen Gründen in gesamtwirtschaftlich irrelevanten Einzelfällen ohne Sanktion bleiben.

Insofern ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass nach dem aktuellen Stand auch integrierte Versorgungsunternehmen mit weniger als 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden Energiespeicheranlagen grundsätzlich nicht betreiben dürfen.

Zur vollständigen Implementierung der Strombinnenmarktrichtlinie hat der Gesetzgeber durch das „Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben“ § 11b in das EnWG aufgenommen und zwei Ausnahmetatbestände für den Betrieb von Energiespeicheranlagen durch Netzbetreiber geschaffen.

§ 11b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EnWG:

Nach § 11b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EnWG kann die Regulierungsbehörde auf Antrag eines einzelnen Netzbetreibers ausnahmsweise den Betrieb einer Energiespeicheranlage gestatten. Eine Genehmigung durch die Regulierungsbehörde erfolgt jedoch nur, wenn

(i) die Energiespeicheranlage technisch notwendig ist, um einen sicheren, zuverlässigen und  
    leistungsfähigen Netzbetrieb zu gewährleisten,

(ii) die Energiespeicheranlage rein netzdienlich eingesetzt wird, d. h. keine Vermarktung am 
     Strommarkt erfolgt und

(iii) ein Ausschreibungsverfahren nach § 11a EnWG durchgeführt wurde und sich dabei 
      herausgestellt hat, dass kein anderer Marktteilnehmer bereit oder in der Lage ist, die 
      Energiespeicheranlage wirtschaftlich zu betreiben.

Zusätzlich ist zu beachten, dass die Regulierungsbehörde nach fünf Jahren eine Prüfung vornehmen wird, ob nun nicht doch ein Dritter in der Lage ist die entsprechende Leistung gleichwertig anbieten zu können. Bei einem positiven Ausgang des Ausschreibungsverfahrens ist die Energiespeicheranlage sodann an den Dritten zum Restbuchwert zu veräußern.

§ 11b Abs. 1 Nr. 2 EnWG:

Nach § 11 b Abs. 1 Nr. 2 EnWG kann die Regulierungsbehörde durch Festlegung gegenüber einer Gruppe an Netzbetreibern oder gegenüber allen Netzbetreibern den Betrieb von Energiespeicheranlagen als vollständig integrierte Netzkomponente gestatten. Den Begriff der vollständig integrierten Netzkomponente hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 38b EnWG legal definiert. Demnach sind dies „Netzkomponenten, die in das Übertragungs- oder Verteilernetz integriert sind, einschließlich Energiespeicheranlagen, und die ausschließlich der Aufrechterhaltung des sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs und nicht der Bereitstellung von Regelenergie oder dem Engpassmanagement dienen.“ Insofern ist auch nach der zweiten Ausnahmeregelung der Betrieb auf den ausschließlich netzdienlichen Einsatz der Anlage begrenzt. Die Erbringung von Regelenergie (ausgenommen Momentan-Reserve) und Netzengpassmanagement sowie jeglicher marktorientierter Einsatz sind demnach ausgeschlossen. Der Vorteil im Vergleich zur Ausnahmeregelung nach § 11b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EnWG beschränkt sich demnach darauf, dass es keines Antrags des jeweiligen Netzbetreibers bedarf und im Vorfeld keine Ausschreibung der Leistung erfolgen muss.

Die nachfolgende Darstellung fasst die beiden möglichen Ausnahmeregelungen nochmal zusammen:
 


Wie bereits erwähnt reduziert sich der Einsatzzweck der Energiespeicheranlage nach bei beiden Ausnahmeregelungen auf eine rein netzdienliche Fahrweise. Diese sollte lediglich die Themen Blindleistungsbereitstellung, die Gewährleistung von Schwarzstartfähigkeit sowie die vom Gesetzgeber nicht explizit ausgeschlossen Möglichkeit der Bereitstellung von Momentan-Reserve umfassen. Grundsätzlich stellt auch das so genannte „Peak-Shaving“ gegenüber dem vorgelagerten Netzbetreiber eine weitere Einsatzmöglichkeit dar, die aber nicht zu einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für den Netzbetreiber führt, dennoch zu sinkenden Netzentgelten beitragen kann.

Sollte ein Netzbetreiber auf Grundlage der eben dargestellten Ausnahmeregelungen eine Energiespeicheranlage betreiben, so ist davon auszugehen, dass die Anlage Bestandteil des kalkulatorischen Anlagenvermögens des Netzbetreibers ist und insoweit bei der Ermittlung der Netzkosten Berücksichtigung findet. Auch die Äußerungen der BNetzA im Rahmen der Tenorierungen der Stromnetzentgeltfestlegung deuten darauf hin sowie der Tatbestand, dass Energiespeicher als eigene Anlagengruppe eingeführt werden sollen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Betrieb eines Speichers durch einen Netzbetreiber unter den aktuellen Voraussetzungen mit großen Hürden behaftet ist. Netzbetreibern ist daher zu empfehlen, den Betrieb nicht innerhalb der Netzgesellschaft, sondern – sofern möglich – in einer vollständig rechtlich und organisatorisch entflochtenen Gesellschaft zu organisieren.

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