Energiesammelgesetz zum KWKG: Zukunftsorientierte Industrie- und Klimapolitik oder Vollstreckung EU-beihilferechtlicher Vorgaben?

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Mit dem Energiesammelgesetz will der Gesetzgeber neben Änderungen des EEG, EnWG und SeeAnlG umfassende Änderungen des KWKG vornehmen. Dabei sind die Neuregelungen für große KWK-Bestandsanlagen, Dampfsammelschienenanlagen und das Kumulierungsverbot weniger Umsetzung einer energiepolitischen Zielagenda, als Reaktion auf beihilferechtlichen Druck und Nachjustierung zu Auslegungsstreitfragen, zugunsten der mit den zahlreichen Streitigkeiten ohnehin personell wie inhaltlich überforderten Verwaltung. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber den hier bisher fehlenden Investitionsvertrauensschutz noch durch angemessene Übergangsregelungen sicherstellt. Andernfalls bleibt nur noch die Inanspruchnahme verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes.

 

Aus 100-Tagen wird eine Energiesammlung

Nachdem aus dem 100-Tage Gesetz das Energiesammelgesetz geworden ist und bisher nur verschiedene Bruchstücke eines Artikelgesetzes im Umlauf waren, sind jetzt in kurzer Folge ein Referentenentwurf (Stand: 31. Oktober 2018) ein „Gesetzentwurf der Bundesregierung” (Stand: 2. November 2018) und „Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD” (BT-Drs. 19/5523 vom 6. November 2018) mit über 20 Artikeln zur Änderung des EEG, KWKG, EnWG, WindSeeG und SeeAnlG nebst der zugehörigen Verordnungen veröffentlicht worden. Dabei wird es höchste Zeit, dass das an sich für die Zeit nach der Hessenwahl (27. Oktober 2018) angekündigte offizielle Gesetzgebungsverfahren voranschreitet. Sowohl das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die stromkostenintensive Industrie stehen bezüglich der im Dezember zu erlassenden EEG-Umlagebegrenzungsbescheide für das Kalenderjahr 2019 als auch die Netzbetreiber und KWK-Eigenstromanlagenbetreiber bezüglich der seit dem 1. Januar 2018 immer weiter auflaufenden um 60 Prozent erhöhten EEG-Umlage für neue KWK-Eigenstromanlagen unter wirtschaftlichem Druck. Spätestens wenn hier Liquiditätsengpässe mitursächlich für Insolvenzen werden, hat der Gesetzgeber nicht nur einen Reputationsschaden, sondern auch ein staatshaftungsrechtliches Problem. Nachdem sich die Regierungskoalition über Monate hinweg (auch) im Bereich der Energiepolitik als handlungsunfähig gezeigt hat, soll das Gesetz nunmehr zügig die parlamentarischen Hürden nehmen und bis Ende Dezember 2018 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Nachdem die erste Lesung im Bundestag bereits am 9. November 2018 stattgefunden hat, findet jetzt die Überarbeitung des Regierungsentwurfs in den Bundestagsausschüssen statt. Parallel sind bereits die Bundesratsausschüsse mit dem Gesetzgebungsverfahren befasst, die bereits umfassende Änderungsanträge angekündigt haben. Der Bundesrat soll auf seiner letzten Plenarsitzung in diesem Jahr, am 14. Dezember 2018, über das Gesetz entscheiden. Angesichts des Umfangs des Änderungsgesetzes, der zum Teil überraschenden, umstrittenen Änderungen und dem sich bereits von der Länderseite formierenden Widerstand ist es allerdings unwahrscheinlich, dass das Gesetzgebungsverfahren als Gesamtpaket bis zum Jahresende verabschiedet werden kann.

 

Fortentwicklung der Kraft-Wärme-Kopplung

Von besonderer Bedeutung ist dabei die Novellierung des KWKG. Der Regierungsentwurf (BT-DrS 19/5523 vom 06. November 2018) sieht hier Neuregelungen zur

 

  • Neu-Definition des Begriffs der „elektrischen KWK-Leistung” (§ 2 Nr. 6d KWKG-RegE)
  • Streichung der Modernisierungsschwellen als Tatbestandsvoraussetzung des Modernisierungsbegriffs (§ 2 Nr. 18 KWKG-RegE)
  • Einführung der neuen Förderkategorie der Dampfsammelschienenanlagen (§ 2 Nr. 6a-c, § 6 Abs. 1a, § 7 Abs. 2a, § 8 KWKG-RegE),
  • Verschärfung des Kumulierungsverbots für Fördermittel (§ 7 Abs. 6 KWKG-RegE)
  • Förderung großer Bestandsanlagen (§ 13 KWKG 2017),
  • die Übernahme der neuen Mess- und Schätzgrundsätze aus dem EEG (§ 26c KWKG-RegE),
  • neuen Transparenzpflichten für stromkostenintensive Unternehmen (§ 27a Abs. 3 KWKG-RegE)
  • Erhöhung des Wettbewerbs im KWKG-Dienstleistungsmarkt durch genossenschaftliche Prüfungsverbände (§ 30 Abs. 1 KWKG-RegE)
    vor.

 

Verheerendes Signal für die Investitionssicherheit

Unter dem beihilferechtlichen Druck einer Überprüfung der Förderhöhe sieht sich die Bundesregierung gezwungen, die Fördersätze für große KWK-Bestandsanlagen über 2 MW in Abhängigkeit von der Leistungsgröße gestaffelt abzusenken. Dabei soll die Förderung ab 50 MW auf 1,3 ct/kWh, ab 100 MW auf 0,5 ct/kWh und ab 300 MW auf 0,3 ct/kWh sinken. Über 300 MW sollen KWK-Bestandsanlagen überhaupt keinen Anspruch mehr auf Anschlussförderung haben. Dabei will der Gesetzgeber die Änderung für alle Bestandsanlagen unabhängig vom Zeitpunkt des Inkrafttretens auch rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 absenken. Dabei hat diese Regelung eine sog. „unechte” Rückwirkung auf Investitionsentscheidungen zu Bestandsanlagen, die keine Modernisierung darstellen. Dabei können Generalüberholungen oder Instandsetzungsarbeiten bei derartigen Großanlagen bereits hohe Investitionen auslösen, die sich nur über die gesetzlich garantierte Förderdauer von 15.000 Vollbenutzungsstunden amortisieren. Daneben müssten durch die angekündigte echte Rückwirkung zum 1. Januar 2019 besonders hohe verfassungsrechtliche Hürden des Vertrauensschutzes überwunden werden. Dass hierzu alleine die Kenntnisnahmemöglichkeit der gesetzlichen Evaluierungspflicht (§ 34 Abs. 1) ausreichend ist, muss bezweifelt werden. Anders als zum Beispiel der eindeutige Genehmigungsvorbehalt zur KWKG-Umlage-Entlastung in § 35 Abs. 12 KWKG 2017 fehlt es an einer vergleichbaren Regelung zur Bestandsanlagenförderung. Sollten Gerichte der EU-Wettbewerbskommission und dem nationalen Gesetzgeber nicht Einhalt gebieten, wäre dies ein fatales Ergebnis für Investitionssicherheit in der KWK-Branche.


Auch die Fortsetzung der mit dem KWKG 2017 bereits eingeleiteten Verschärfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 KWKG grenzt an staatliche Willkür. Der Gesetzgeber meint insofern die Auslegung der beihilferechtlichen Genehmigung durch eine Klarstellung in der nationalgesetzlichen Umsetzung vornehmen zu müssen. Dabei setzt er in seiner Gesetzesbegründung den unbestimmten Rechtsbegriff der „nahezu ausschließlichen Lieferung an Dritte” mit einer Verbotsschwelle von mehr als 1 Prozent Eigenversorgung gleich. Auch die Beschränkung auf die Belieferung über ein Netz der allgemeinen Versorgung oder geschlossene Verteilernetze entbehrt vor allem angesichts der jenseits jeder Verhältnismäßigkeit stehenden Relevanzschwelle jeder sachlichen Rechtfertigung. Damit werden gesetzgeberische Versäumnisse zulasten des Vertrauens der Betreiber von KWK-Bestandsanlagenbetreiber in den Wortlaut des KWKG 2016 und KWKG 2017 enttäuscht. Angesichts der zahlreichen anhängigen Streitverfahren ist die Novelle hier auch ein Eingriff des Gesetzgebers in laufenden Verfahren zugunsten des BAFA. Insofern liegt ein sogenannter „Formmissbrauch” vor, der mindestens Kostenerstattungsansprüche in den laufenden Widerspruchs- und Gerichtsverfahren begründen könnte. Auch hier ein verheerendes Signal einer vermeintlich wirtschaftsfreundlichen Bundesregierung, die klimapolitische Anforderungen der KWK-Förderpolitik ohnehin aufgegeben zu haben scheint, für die Betriebsfortsetzung von KWK-Bestandsanlagen.

 

Dampfsammelschienenanlage: Nachjustieren am KWK-Anlagenbegriff

Auch die Neuregelungen zur Dampfsammelschienenanlage zäumen das Pferd von hinten auf: Das BAFA meint seine Verwaltungspraxis zur Zulassung von Dampfsammelschienenanlagen ändern zu müssen, weil der Bundesgerichtshof (BGH) zum EEG – immerhin auf der Grundlage von Änderungen der gesetzlichen EEG-Anlagendefinition – statt der langen Zeit nach ganz herrschender Auffassung anerkannten Auslegung eines sog. „engen” Anlagenbegriffs einen sog. „weiten” Anlagenbegriff festgestellt hat. Dabei fehlt es im KWKG aber bislang überhaupt an einer substantiellen Definition des Anlagenbegriffs, sodass sich die Übertragung des EEG-Anlagenbegriffs weder selbstverständlich noch zwingend ist. Statt hier durch eine eindeutige Definition des Anlagenbegriffs eine verständliche und rechtssichere Regelung vorzunehmen, hat die Regierungskoalition nunmehr einen Sondertatbestand der „Dampfsammelschienenanlage” mit eigenen Modernisierungsschwellenwerten, Förderdauern und Zulassungsvoraussetzungen eingeführt. Sonderregelungen zur Beschränkung der Brennstoffe, zu Kohledampfkesselanlagen, zum Kohle-Ersatzbonus, den Modernisierungsschwellen und Förderdauern machen die Regelung äußerst komplex und damit fehleranfällig. Immerhin erkennt der Gesetzgeber hier für Dampfsammelschienenanlagen einen grundsätzlichen Förderbedarf an, sodass hier mit einer großzügigen Ermessensausübung in der Zulassungspraxis des BAFA zu rechnen ist.

 

Wettbewerbsverzerrungen durch Eigenorganisationen?

Schließlich führt der Regierungsentwurf die Erstellung von KWKG-Prüfungen durch genossenschaftliche Prüfungsverbände ein. Jede Genossenschaft ist nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) verpflichtet einem Prüfungsverband anzugehören. Dieser übernimmt neben der regelmäßigen Pflichtprüfung (§ 53 GenG) auch die Gründungsprüfung von Genossenschaften (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 GenG). Damit sollen Genossenschaften ermöglicht werden, ihre besonderen gesetzlichen Prüfpflichten besonders wirtschaftlich zu erfüllen, da sie Prüfdienstleistungen außerhalb des allgemeinen Markts für Wirtschaftsprüferdienstleistungen eindecken können. Insofern besteht ein hohes Eigeninteresse, auch die EEG- und KWKG-rechtlichen Prüfungspflichten durch diese Eigenorganisationen erfüllen zu lassen. Ob dies angesichts der hochkomplexen spezialgesetzlichen Anforderungen der EEG- und KWKG-Prüfungen fachlich sinnvoll ist und eine wettbewerbliche Rechtfertigung dafür besteht, nicht nur die besonderen genossenschaftsrechtlichen Prüfpflichten, sondern auch die allgemeinen energierechtlichen Prüfpflichten für Genossenschaften zu privilegieren, ist fraglich.

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