Die neue Verlustverrechnung nach § 8d KStG: Nutzen für Start-up-Unternehmen

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Grundsätzlich gehen Verlust­vorträge bei Aufnahme neuer Investoren bei einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent unter (§ 8c KStG). Auf diese Weise geht die Möglich­keit verloren, künftige Gewinne und damit auch Steuern zu reduzieren. V.a. für Start-ups mit anfänglicher Verlust­phase ein negativer Beige­schmack des Einstiegs neuer Investoren. Durch Einführung des neuen § 8d KStG soll in diesen Fällen eine Verlust­nutzung in künftigen Jahren weiterhin möglich werden. Das Gesetz tritt (rückwirkend) zum 1. Januar 2016 in Kraft und ist damit bereits auf schädliche Anteils­eignerwechsel im laufenden Geschäftsjahr anwendbar. Doch ist die Neuregelung tatsächlich eine Chance für Start-ups?

 

 

 

Die (neue) Verlustverrechnung

Die Verlust­verrechnung bei Kapital­gesellschaften stand in der steuerlichen Historie schon öfter zur Diskussion. Ein Dorn im Auge des Gesetzgebers war dabei immer der sog. „Mantelkauf”, d.h. die „Veräußerung” von Verlust­vorträgen. Über Jahre war der Mantelkauf ein beliebtes Gestal­tungs­instrument der Steuersenkung. Diese Gestaltung wurde spätestens mit Einführung des § 8c KStG im Jahr 2008 weitgehend eingeschränkt. Danach führt allein der Anteils­eignerwechsel von mehr als 25 Prozent (bzw. 50 Prozent) zu einem (teilweisen) Untergang der Verluste. Einzig für konzerninterne Umstrukturierungen sowie bei Vorhandensein stiller Reserven wurden Ausnahme­regelungen geschaffen.

 

Aus Sicht insbesondere junger, innovativer Unter­nehmen war und ist die Regelung allerdings zu restriktiv. Sie sind meist nicht in Konzern­strukturen eingebunden und auch der Nachweis stiller Reserven fällt in der Anfangsphase oft schwer. Start-ups finanzieren sich jedoch sehr häufig in der anfänglichen Verlust­phase nicht über Banken, sondern sind auf Investoren angewiesen. Durch den Wegfall der Verlust­vorträge verliert der Einstieg der Investoren an Profi­tabilität. Mit Einführung der neuen Verlust­verrechnung gem. § 8d KStG soll künftig nicht mehr allein auf einen schädlichen Beteiligungs­wechsel, sondern v.a. auf die Fort­führung des bestehenden Geschäfts­betriebs abgestellt werden (sog. Fortführungsgebundener Verlustvortrag).

 

Fortführung des Geschäftsbetriebs

Zentrale Voraussetzung  der Weiterführung der Verlustvorträge ist, dass der Geschäfts­betrieb eine gewisse Zeit vor dem Anteils­eignerwechsel (seit Gründung bzw. mind. 3 Jahre) bestand und danach im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird. Eine zeitliche Begrenzung der Fortführung des Geschäfts­betriebs nach dem Gesellschafterwechsel wurde nicht gesetzlich normiert. Die festgestellten fort­führungs­gebundenen Verlust­vorträge stehen also bis zu deren Verbrauch unter dem Risiko aufgrund einer Änderung des Geschäftsbetriebes oder anderer Verstöße künftig doch noch unterzugehen.

 

Der Geschäfts­betrieb wird lt. Gesetz anhand qualitativer Merkmale wie den angebotenen Dienst­leistungen oder Produkten, dem Kunden- und Lieferantenkreis, den bedienten Märkten und der Qualifikation der Arbeit­nehmer im Rahmen einer Gesamt­betrachtung festgemacht. Fraglich ist dabei, ob jede Änderung dieser Qualitätsmerkmale zu einer Änderung des Geschäfts­betriebes führt. Zwar wurde im Gesetz­gebungsprozess durch das Bundesministerium der Finanzen zugesagt, dass organisches Wachstum weiterhin möglich sein soll. Streitanfällig bleibt jedoch die Frage, wie flexibel die Auslegung tatsächlich ist. Was passiert, wenn – wie häufig in der anfänglichen Entwicklungsphase – die strategische Ausrichtung angepasst oder erweitert wird? Was passiert, wenn neue Produkte entwickelt werden? Inwieweit kann auf eine Änderung des Marktes tatsächlich angemessen reagiert werden, ohne die Verlust­nutzungs­möglichkeit zu verlieren? Schlussendlich bleibt hier abzuwarten, inwieweit die Finanzverwaltung die Auslegung der Qualifikations­merkmale weiter konkretisiert. Im Einzelfall ist es auf jeden Fall empfehlens­wert, die Merkmale des Geschäftsbetriebes vor und nach dem Anteilseignerwechsel zu dokumentieren.

 

Schädliche Ereignisse

Der Gesetzgeber zählt in § 8d Abs. 2 KStG abschließend die schädlichen Ereignisse auf, die der (weiteren) Verlust­nutzung entgegenstehen. Neben der Einstellung oder Ruhendstellung des Geschäfts­betriebes, wird auch bei Zuführung einer andersartigen Zweckbestimmung, der Aufnahme eines zusätzlichen Geschäfts­betriebs sowie der Übertragung von Wirtschaftsgütern zu einem geringeren als dem gemeinen Wert, die Verlustnutzung für die Zukunft versagt. Zuletzt führt auch die Beteiligung an einer Mitunter­nehmerschaft oder die Stellung eines Organträgers zum (nachträglichen) Wegfall der Verluste. Allen schädlichen Ereignissen ist der Gedanke immanent, dass die Verluste wirtschaftlich von demselben (verlustträchtigen) Geschäftsbetrieb genutzt werden und damit ein Missbrauch ausgeschlossen ist. Dennoch birgt die Definition  der schädlichen Ereignisse Anwendungs- und Auslegungsprobleme, die aktuell v.a. für junge, dynamische Unternehmen zu Rechts­unsicherheit führt.

 

Konkurrenz zwischen § 8c KStG und § 8d KStG

Der Gesetzgeber hat sich – entgegen der Bedenken in Literaturkreisen – bewusst gegen eine Angliederung des § 8d KStG an den bestehenden § 8c KStG entscheiden. Der Steuerpflichtige muss sich für eine der beiden Normen entscheiden. Der Antrag gem. § 8d KStG kann nur bei Abgabe der Steuererklärung, d.h. weder rückwirkend gestellt noch künftig zurückgezogen werden.

 

Aufgrund der Konkurrenz der beiden Normen ist im Vorfeld eine detaillierte Risikoanalyse und -abwägung notwendig. Problematisch könnte der Fall einer – v.a. im Start-up-Bereich üblichen – Minder­heits­beteiligung, bspw. in Höhe von 25,1 Prozent der Anteile, sein. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für die Anwendung des § 8c KStG, gehen die Verlustvorträge lediglich anteilig unter. Kommt es hingegen bei Anwendung des § 8d KStG aufgrund eines schädlichen Ereignisses zu einem Untergang der Verluste, so gehen nach dem Gesetzeswortlaut die Verlustvorträge in voller Höhe unter. Das kann im Einzelfall weitreichende steuerliche Nachteile bedeuten, weshalb das Risiko des (zeitnahen) Eintritts eines schädlichen Ereignisses im Vorfeld analysiert und in die Entscheidung einbezogen werden sollte.

 

Fazit

Grundsätzlich ist die Erweiterung der Verlust­verrechnungs­möglichkeit durch § 8d KStG sehr zu begrüßen. Inwieweit sich hier für Start-ups tatsächlich eine Chance ergibt, wird sich in der Auslegung der Finanzverwaltung sowie im Einzelfall entscheiden. So kann es bei einer engen Auslegung der qualitativen Merkmale eines Geschäftsbetriebes bereits durch „natürliche” Veränderungen oder Reaktionen auf die sich ändernden Markt­bedingungen zu einer Versagung der weiteren Verlust­nutzung kommen. Damit ergäbe sich durch Einführung des § 8d KStG für junge, dynamische Unternehmen kein Vorteil. Darüber hinaus ist bei einer Minderheits­beteiligung auf die Konkurrenz zwischen § 8c KStG sowie § 8d KStG zu achten, da sich der spätere Untergang der Verluste gem. § 8d KStG als steuerlich nachteilig erweisen kann.


zuletzt aktualisiert am 25.01.2017

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