Ausgestaltung und Prüfung von Tax Compliance Systemen bei gemeinnützigen Organisationen

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veröffentlicht am 20. November 2017

   

Ein geprüftes Tax Compliance Management System (Tax CMS) dokumentiert die Regeln und Maßnahmen, die zur Einhaltung und Befolgung der vom Steuerpflichtigen zu beachtenden Pflichten gesetzt wurden. Damit leistet es einen Beitrag zur Verhinderung von wesent­lichen Regel­verstößen und damit zur Ver­meidung oder Reduzierung von Haftungs­risiken und steuer­straf­recht­lichen Risiken für das Unter­nehmen und seine Organe. Das Institut der Wirtschafts­prüfer gibt Praxis­hin­weise zur Aus­ge­stal­tung und Prüfung eines Tax Compliance ­Management Systems gemäß IDW PS 980 und schafft so Sicher­heit im Hinblick auf die An­for­de­rungen an ein inner­betriebliches Kontroll­system zur Erfüllung steuerlicher Pflichten.



Tax Compliance Management System

Unter dem Begriff Compliance wird die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen und unternehmensin­ternen Regelungen verstanden. Ein Compliance Management System (CMS) umfasst die vom Unternehmen vor­ge­ge­benen Grundsätze und Maßnahmen (z.B. Aufbau-, Ablauforganisation, Arbeitsanweisungen, Funktionstrennung, Vier-Augen-Prinzip), die auf ein regelkonformes Verhalten der gesetzlichen Vertreter und der Mitarbeiter des Unternehmens sowie ggf. von Dritten abzielen, d.h. auf die Einhaltung bestimmter Regeln und damit auf die Verhinderung von wesentlichen Verstößen.

  

Ein Tax Compliance Management System (Tax CMS) ist ein abgegrenzter Teilbereich eines CMS. Das Tax CMS soll die vollständige und zeitgerechte Erfüllung steuerlicher Pflichten sicherstellen. Es umfasst damit die Imple­men­tierung und Pflege eines innerbetrieblichen Systems zur Sicherstellung der steuerlichen Rechtsbefolgung im Interesse des Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Es beinhaltet demzufolge nicht nur die bloße Befolgung von Gesetzen, Richtlinien oder Regeln, sondern auch Maßnahmen und organisatorische Vorkehrungen, die die Ein­haltung dieser Regelungen innerhalb des Unternehmens absichern und deren Überprüfung zulassen.

  

Auch wenn Unternehmen zur rechtzeitigen Abgabe von vollständigen und richtigen Steuererklärungen gesetzlich verpflichtet sind, kann es trotz größter Sorgfalt zu Fehlern kommen. Das Bundesfinanz­ministerium hatte in seinem Schreiben vom 26. Mai 2016 ein innerbetriebliches Kontrollsystem zur Erfüllung steuerlicher Pflichten als Indiz genannt, das gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit bei fehlerhaften Steuererklärungen sprechen kann. Wie ein solches Kontrollsystem aussehen könnte, blieb jedoch offen.

  

Diese Lücke schließt das Institut der Wirtschaftsprüfer mit dem Praxishinweis zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems gemäß IDW PS 980. Demnach besteht ein Tax CMS aus sieben Grundelementen. Dazu gehört die Förderung einer Compliance-Kultur, die Festlegung von Compliance-Zielen, der Aufbau einer Compliance-Organisation, die Analyse der Compliance-Risiken, die Erstellung des Compliance-Programms und die Entwicklung eines Kommunikationsverfahrens sowie eines Überwachungs- und Verbesserungs­prozesses.

  

Ausgestaltung eines Tax CMS

Abb. 1: Erforderliche Punkte, die bei der Ausgestaltung eines Tax CMS berücksichtigt werden sollten

 

Ein Tax CMS umfasst die nebenstehenden sieben Grundelemente, die in die Geschäftsabläufe eingebunden sind. Die konkrete Ausgestaltung ist dabei unternehmensindividuell und z.B. abhängig von der Größe des Unter­neh­mens, Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, der Rechtsform oder vom Grad der Delegation von Aufgaben auf Unternehmensexterne wie Steuerberater. Idealerweise erfolgt die Dokumentation der einzelnen Elemente eines Tax CMS z.B. im Rahmen einer Steuerrichtlinie, Steuerstrategie, eines Organi­sationshand­buches, Leitbildes oder Verhaltenskodexes. Mit abnehmender Komplexität der unternehmens­individuellen Verhältnisse sinken auch die Anforderungen an die Dokumentation.

  

Die Tax Compliance Kultur ist die Grundlage für ein angemessenes und wirksames Tax CMS und wird ins­be­son­dere geprägt durch die Grundeinstellungen und Verhaltensweisen der geschäftsführenden Organe und des Mana­ge­ments sowie der Rolle der Aufsichtsorgane. Insbesondere sollte schlüssig und glaubhaft zum Ausdruck gebracht werden, dass die Einhaltung steuerlicher Vorschriften wichtig ist, Verstöße nicht geduldet und Zuwiderhandlungen sanktioniert werden. Zudem sollte die frühzeitige und umfassende Einbin­dung der unternehmensintern und –extern mit Steuern befassten Bereiche bzw. Dienstleister geregelt sein.

Auf der Grundlage der allgemeinen Unternehmensziele legen die gesetzlichen Vertreter die Ziele des Tax CMS fest. Diese stellen die Grundlage für die Beurteilung von Tax Compliance Risiken dar. Beispiele für Tax Compliance Ziele sind z.B. im Bereich der Umsatzsteuer die Einhaltung der im Umsatzsteuergesetz definierten Pflichten, wie rechtzeitige, vollständige und richtige Abgabe der Voranmeldungen und Jahreser­klärungen oder die Einhaltung der Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten.

  

Abb. 2: Sinnvolle interne sowie externe Verteilung der Verantwortlichkeiten im Unternehmen

 

Im Rahmen der Tax Compliance Organisation sind Aufgaben für die Einhaltung der steuerlichen Pflichten, d.h. Rollen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Ferner sind eine Ablauforganisation einzurichten und ausreichend Ressourcen vorzuhalten. Die Regelungen zu Rollen, Verantwortlichkeiten und Ablauforga­nisation müssen klar, eindeutig, lückenlos, umfassend und widerspruchsfrei ausgestaltet werden. So muss sich z.B. die Aufgaben­verteilung bis hin zur Unternehmensleitung zurückführen lassen. Schnittstellen zu Fachbereichen müssen klar und eindeutig definiert sein. Dies betrifft beispielsweise die Schnittstelle zur Personalabteilung im Zusammenhang mit der Lohnsteuer. Ein Tax CMS setzt keine separate Aufbau- oder Ablauforganisation voraus. In der Praxis bestehen in Unternehmen bereits organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der systematischen Erfüllung steuerlicher Pflichten, ohne diese explizit als Tax CMS zu bezeichnen.

   


Abb. 3: Mit den Daten aus einem Tax CMS können unterstützende visuelle Grafiken erstellt werden, die eine systematische Risikoerkennung erleichtern

  

Unter Berücksichtigung der Tax Compliance Ziele sind Tax Compliance Risiken, d.h. Risiken für Verstöße gegen einzuhaltende Regeln, festzustellen. Hierfür ist eine angemessene systematische Risikoerkennung und –beur­tei­lung durchzuführen. Risiken sind zu identifizieren und in Risikoklassen einzuordnen. Dabei sind ihre Ein­tritts­wahr­scheinlichkeit und mögliche Folgen zu berücksichtigen. Risiken sind beispielsweise bezogen auf die jeweilige Steuer­art zu identifizieren und zu beurteilen:
  • Allgemeine Risiken: Verletzung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten
  • Gemeinnützigkeit: Mittelverwendung nicht innerhalb von zwei Jahren nach Zufluss
  • Lohnsteuer: keine Versteuerung von Sachzuwendungen aufgrund fehlender Kenntnis
  • Umsatzsteuer: unzulässiger Vorsteuerabzug aufgrund fehlender formaler Voraussetzungen

  

 
Abb. 4: Präventive und detektive Maßnahmen zur Risikominimierung

 

Auf der Grundlage der Beurteilung der Tax Compliance-Risiken ist ein Tax Compliance Programm zu entwickeln. Hierbei handelt es sich um Grundsätze und Maßnahmen, die den Risiken entgegenwirken und die auf die Ver­mei­dung von Compliance-Verstößen ausgerichtet sind. Das Tax Compliance Programm umfasst auch die bei fest­gestellten Compliance-Verstößen zu ergreifenden Maßnahmen. Maßnahmen des Tax Compliance Programms können präventiv oder detektiv sein. Das Programm ist in geeigneter Form schriftlich zu dokumentieren. Dies kann z.B. mittels einer Risiko-Kontroll-Matrix erfolgen.

  

Über das Tax Compliance Programm sowie die festgelegten Rollen und Verantwortlichkeiten sind die betroffe­nen Mitarbeiter und erforderlichenfalls Dritte, wie z.B. Steuerberater, im Rahmen der Tax Compliance Kommunikation zu informieren. Hierbei ist festzulegen, wie und an wen Risiken sowie Hinweise auf mögliche und festgestellte Verstöße berichtet werden. Bei kleineren Unternehmen kann die Berichter­stattung auch informell, z.B. in einem dokumentierten Gespräch, erfolgen. In Abhängigkeit von der Größe und Komplexität des Unternehmens sind z.B. Kommunikationsmittel, Berichtsanlässe, -inhalte oder -zuständigkeiten zu definieren.

  

Das Tax CMS ist zu überwachen und zu verbessern. Im Rahmen der Tax Compliance Überwachung und ihrer Verbesserung sind z.B. Zuständigkeiten für die Überwachung zu regeln und ein Überwachungsplan zu entwickeln. Werden Tätigkeiten zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten auf Dritte, wie z.B. Steuerberater, übertragen, ist sicherzustellen, dass
  • der Dritte über die Anforderungen an die auf ihn übertragenen Tätigkeiten aufgeklärt und zu deren Erfüllung vertraglich verpflichtet worden ist,
  • dem Dritten die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden und
  • die Arbeitsergebnisse des Dritten einer Plausibilitätskontrolle durch das Unternehmen unterzogen werden.

   

Prüfung eines Tax CMS

Der IDW PS 980 unterscheidet drei Stufen der Prüfung eines Tax CMS. Diese drei Stufen spiegeln gleich­zeitig typische Entwicklungsstufen bei der Einrichtung eines Tax CMS wider:   
  • Stufe 1: Konzeptionsprüfung des Tax CMS
  • Stufe 2: Prüfung der Angemessenheit des Tax CMS
  • Stufe 3: Prüfung der Wirksamkeit des Tax CMS

   

Ein voll funktionsfähiges, angemessenes und wirksames Compliance-Management-System kann nur in der Stufe 3 bescheinigt werden.

   

Es hat sich als äußerst zielführend erwiesen, wenn der Wirtschaftsprüfer bereits bei der Konzeptionierung eingebunden wird. Als erster Meilenstein auf dem Weg zu einem voll wirksamen Tax CMS kann die Konzeption geprüft und mit einer entsprechenden Bescheinigung nach IDW PS 980 versehen werden.

   

1. Stufe: Konzeptionsprüfung des Tax CMS

In der Konzeptionsprüfung des Tax CMS werden im Wesentlichen die folgenden Fragestellungen beant­wortet:
  • Sind die in der Beschreibung des Tax CMS getroffenen Aussagen zur Konzeption in allen wesentlichen Punkten zutreffend dargestellt?
  • Sind alle Grundelemente eines Tax CMS enthalten?

   

Gegenstand der Konzeptionsprüfung ist auch eine Beurteilung der Aufbauorganisation des Tax CMS. Der Prüfungs­bericht zur Konzeptionsprüfung trifft eine Aussage darüber, ob die in der Tax CMS Beschreibung ent­hal­te­nen Aussagen zur Konzeption des Tax CMS angemessen dargestellt sind.

  

2. Stufe: Angemessenheitsprüfung des CMS

Mittels der Angemessenheitsprüfung soll festgestellt werden, ob die in der Beschreibung des Tax CMS dar­gestellten und implementierten Grundsätze und Maßnahmen des Tax CMS geeignet sind, Risiken für wesentliche Regelverstöße zu einem bestimmten Stichtag mit hinreichender Sicherheit zu erkennen und zu verhindern.

  

Der Prüfungsbericht zur Angemessenheitsprüfung trifft eine Aussage darüber, ob die in der Tax CMS Beschreibung enthaltenen Aussagen über die Grundsätze und Maßnahmen des Tax CMS in allen wesen­tlichen Belangen an­ge­mes­sen dargestellt sind. Er stellt fest, ob die dargestellten Grundsätze und Maßnahmen in Übereinstimmung mit den angewandten Tax CMS Grundsätzen geeignet sind, mit hinreichender Sicherheit sowohl Risiken für wesent­liche Regelverstöße rechtzeitig zu erkennen als auch solche Regelverstöße zu verhindern. Außerdem trifft der Prüfungsbericht eine Aussage darüber, ob die Grundsätze und Maßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt implementiert waren.

  

3. Stufe: Wirksamkeitsprüfung des CMS

Mittels der Wirksamkeitsprüfung soll festgestellt werden, ob die Grundsätze und die Maßnahmen des Tax CMS zu einem bestimmten Zeitpunkt implementiert und in einem bestimmten Zeitraum wirksam waren. Zudem wird über­prüft, ob die Grundsätze und Maßnahmen des Tax CMS allen Betroffenen bekannt waren und beachtet wurden.

  

Der Prüfungsbericht zur Wirksamkeitsprüfung trifft eine Aussage darüber, ob die in der Tax CMS-Beschrei­bung enthaltenen Aussagen über die Grundsätze und Maßnahmen des CMS in allen wesentlichen Belangen angemessen dargestellt sind. Er stellt fest, ob die dargestellten Grundsätze und Maßnahmen in Überein­stimmung mit den angewandten Tax CMS Grundsätzen geeignet sind, mit hinreichender Sicherheit sowohl Risiken für wesentliche Regelverstöße rechtzeitig zu erkennen als auch solche Regelverstöße zu verhindern und ob die Grundsätze und Maßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt implementiert waren. Darüber hinaus trifft er eine Aussage darüber, ob die Grundsätze und Maßnahmen während eines definierten Zeitraums wirksam waren.

  

Fazit

Ein Tax CMS unterstützt die gesetzlichen Vertreter in der Erfüllung ihrer Sorgfalts- und Organisations­pflichten. Ein implementiertes und geprüftes Tax CMS stellt ein unabhängiges Urteil für die Unternehmens­leitung und die Aufsichts­organe dar und leistet somit einen entscheidenden Beitrag zur Wahrnehmung der Über­wachungs­­funktion der Aufsichtsorgane. Darüber hinaus entfaltet ein implementiertes und geprüftes Tax CMS eine enthaftende Wirkung für die Organe des Unternehmens. Ein innerbetriebliches Kontroll­system zur Erfüllung steuerlicher Pflichten wird vom Bundesfinanzministerium als Indiz gewertet, das gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leicht­fertigkeit bei fehlerhaften Steuererklärungen sprechen kann. Nicht zuletzt werden durch eine Prüfung des Tax CMS Schwachstellen sowie Verbesserungspotenziale identifiziert.  

Kontakt

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Ralph Grässle

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

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Dr. Mathias Lorenz

Diplom-Kaufmann, Steuerberater, Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit

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