Force Majeure

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veröffentlicht am 3. März 2022
 

Die aktuellen Medien berichten, dass sich eine Unzahl von Unternehmen aus Russland zurückziehen, oder aber zumindest ihre unternehmerischen Engagements auf Eis legen oder in Frage stellen. Müssen sie hierbei auch vertragliche Sanktionen befürchten, was ist die Grundlage der Entscheidungen?

 

Bereits zum zweiten Mal in – aus juristischer Sicht – kurzer Folge ist nun die Frage nach der Anwendbarkeit und den Rechtsfolgen der force majeure – der höheren Gewalt gestellt. Bereits die Covid-19 Epidemie hatte vielfältige Fragen nach der Anwendbarkeit und rechtlichen Reichweite der Regeln zur force majeure gestellt, und es ist davon auszugehen, dass in dieser Hinsicht derzeit eine Vielzahl von Prozessen und Schiedsverfahren anhängig ist. Eine der Kernfragen war seinerzeit, ob die Epidemie denn ein Fall höherer Gewalt ist, und wenn ja, wie das nachzuweisen ist. Viele IHK haben in der Folgezeit diesbezügliche Bescheinigungen ausgestellt.

 

In der Ukraine herrscht heute Krieg. Und Krieg ist in allen internationalen  Verträgen, die Klauseln zur force majeure beinhalten, als force majeure Ereignis aufgezählt, ebenso in allen Musterklauseln, die ich hierzu in den letzten 25 Jahren gesehen habe. Es dürfte also in der Sache unstreitig sein und bleiben, dass der Krieg in der Ukraine einen Akt höherer Gewalt im Sinne des internationalen Vertragsrechts darstellt.
 

Was das für Mandanten, die Verträge mit Auslandsberührung abgeschlossen haben, die eine solche force majeure Klausel enthalten, bedeutet

In der Regel beinhalten die Verträge ausdrückliche Regelungen darüber, welche Rechte die Vertragsparteien haben, wenn ein Fall der höheren Gewalt vorliegt. Üblicherweise sehen diese Verträge vor, dass im Zeitraum, in dem die force majeure vorliegt, die vertraglichen Verpflichtungen ruhen und erst dann, wenn ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist, in dem die force majeure anhielt, kann die Lösung vom Vertrag in Betracht gezogen werden. Dieser Mechanismus kann wohl als internationaler Standard bezeichnet werden.

 

Das bedeutet, dass der Krieg in der Ukraine derzeit wohl in den meisten Fällen (noch) nicht dazu führt, dass Verträge aufgrund der vertraglichen Regelungen gekündigt werden können. Jedoch können die vertraglichen Pflichten wohl in den meisten Fällen sanktionslos – also ohne dass eine der Parteien sich schadensersatzpflichtig macht, ausgesetzt werden, also ruhend gestellt werden.

 

Diesem Grundverständnis folgend ist in den Vorschriften des UN-Kaufrechts zum internationalen Warenkauf (dort in den Artikeln 79 ff CISG/UN-Kaufrecht) festgelegt, dass eine Partei dann nicht für die Nichterfüllung ihrer Pflichten einzustehen hat, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hindernisgrund beruht, und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hindernisgrund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen.

 

Das UN-Kaufrecht beleuchtet in der eben beleuchteten Klausel zwei Punkte, die zu beachten sind. Zum einen muss von der Vertragspartei, die sich auf force majeure beruft, nachgewiesen werden, dass nicht nur ein Akt höherer Gewalt vorliegt, sondern auch, dass dieser sie an der Vertragserfüllung hindert. Zum anderen werden sich nur solche Unternehmen auf force majeure berufen können, die ihre Verträge vor Kriegsbeginn geschlossen haben, nicht solche, die die Verträge erst später geschlossen haben. Auch hier ist die Problemlage vergleichbar mit den Covid-Fällen: Nur die Partei kann Leistungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen, die tatsächlich vom Akt höherer Gewalt überrascht worden ist.

 

Unabhängig hiervon werden selbstverständlich solche Unternehmen – zumindest nach unserem deutschen Rechtsverständnis – von ihren Leistungspflichten frei, deren Leistungserbringung ihnen aufgrund eines Embargos untersagt ist. Denn im Rechtssinne bedeutet „nicht können" insbesondere auch „nicht dürfen".

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Frank J. Bernardi

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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