Nachhaltige Verpflegung beschaffen – „Klimaschutz mit Messer und Gabel”

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 10. März 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Essen ist keine Nebensache. Die Verwendung von Bio-Lebensmitteln stellt dabei auch einen wichtigen Baustein des „Klimaschutzes mit Messer und Gabel” dar. Insbesondere bei der Gemeinschaftsverpflegung in Schulen, Krankenhäusern, Kantinen, Kitas und Seniorenwohnheimen gehört der Einsatz gesunder Lebensmittel zu den Kernanliegen der Verantwortlichen.

 


In rund der Hälfte der Kantinen des Bundes wurden bereits die Nachhaltigkeitskriterien der DGE durch konkrete Maßnahmen umgesetzt.1 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat mit den „DGE Qualitätsstandards” wissenschaftlich basierte Kriterien aufgestellt, die bedarfs- und bedürfnisbezogene Empfehlungen zur nachhaltigen Verpflegung abgeben.2 Bei der Beschaffung von externen Verpflegungsdienstleistungen kann dem ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken auf unterschiedlichen Stufen eines Vergabeverfahrens Rechnung getragen werden. Besondere Bedeutung kommt insoweit der Leistungsbeschreibung, der Auftragswertschätzung, dem Einsatz entsprechender Gütezeichen und nach Zuschlag der konkreten Ausführung zu.

 

LEISTUNGSBESCHREIBUNG

In der Leistungsbeschreibung ist die Speisenversorgung so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben. Die Beschreibung der Verpflegungsleistungen muss für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich sein, sodass die Angebote miteinander verglichen werden können. Öffentliche Auftraggeber können daher in der Leistungsbeschreibung die Qualität und Herkunft der eingesetzten Lebensmittel verbindlich vorschreiben. Nicht ausreichend sind Aussagen wie „eine gesunde Mahlzeit”, da diese zu unbestimmt sind. Ausreichend kann dies nur sein, wenn in der Leistungsbeschreibung präzise Anforderungen aufgenommen werden, wann eine Mahlzeit als „gesund” gilt. Auf der anderen Seite sollte das geforderte Leistungsspektrum nicht zu eng gefasst werden. So entschied die Vergabekammer Karlsruhe, dass eine Festlegung des Auftraggebers, ausschließlich Anbieter von „Cook & Chill-Produkten” zuzulassen, nicht mehr von seinem Leistungsbestimmungsrecht gedeckt ist, wenn weder ersichtlich ist, dass die vorgenommene Beschränkung sachlich gerechtfertigt ist, noch dass diese Gründe tatsächlich vorhanden sind und es an einer für die konkrete Ausschreibung in den Vergabeunterlagen niedergelegten Dokumentation hinsichtlich der Entscheidung des Auftraggebers fehlt.3

 

AUFTRAGSWERTSCHÄTZUNG

Vor jeder Ausschreibung ist eine Auftragswertschätzung durchzuführen. Diese dient unter anderem dazu, den für die konkrete Ausschreibung maßgeblichen Schwellenwert zu bestimmen, der wiederum Auswirkungen auf den einzuhaltenden Rechtsrahmen hat. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VgV ist bei der Schätzung vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Die Vergabekammer Südbayern4 hat in ihrem Beschluss die folgenden Parameter miteinbezogen: Geschätzter Portionspreis x geschätzte tägliche Anzahl der Essen x Verpflegungstage während der Vertragslaufzeit + geschätzte Kosten für die Bereitstellung des Geschirrs5 + geschätzte Betriebs-6, Unterhalts- und Wartungskosten. Für die Schätzung des Portionspreises sind die Kosten je Essen zugrunde zu legen.7


GÜTEZEICHEN

Als Beleg dafür, dass die Speisenversorgung den in der Leistungsbeschreibung beispielsweise verlangten Bio-Merkmalen entspricht, kann der öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren außerdem die Vorlage von Gütezeichen verlangen. Da der öffentliche Auftraggeber den Wettbewerb durch die zwingende Vorgabe bestimmter Gütezeichen aber erheblich einschränken kann, sind an deren Verwendung besondere Voraussetzungen8 geknüpft. Solche Gütezeichen müssen deshalb für die geforderten Merkmale der Verpflegungsleistungen geeignet sein und auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen. Das Gütezeichen muss außerdem im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens entwickelt worden sein. Zudem muss es von allen betroffenen Unternehmen erworben werden können und die Anforderungen des Gütezeichens müssen von einem neutralen Dritten festgelegt worden sein. Die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt bspw. das europäische Bio-Logo nach der EG-Öko-Verordnung.9 Bei Umweltzeichen hingegen, die von privaten Unternehmen, Vereinigungen oder Nichtregierungsorganisationen vergeben werden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.

 

Für den Fall, dass die Verpflegungsleistungen nicht allen Anforderungen des jeweiligen Gütezeichens entsprechen müssen, hat der öffentliche Auftraggeber die betreffenden Anforderungen konkret zu benennen. Auch muss die Vergabestelle andere Gütezeichen akzeptieren, die gleichwertige Anforderungen an die Verpflegungsleistungen stellen. Der öffentliche Auftraggeber muss sogar andere geeignete Belege akzeptieren, wenn ein Unternehmen aus Gründen, die es nicht zu vertreten hat, nachweislich keine Möglichkeit hatte, das von der Vergabestelle geforderte oder ein gleichwertiges Gütezeichen innerhalb einer angemessenen Frist zu erlangen. Hierbei muss der Unternehmer allerdings wiederum nachweisen, dass die von ihm zu erbringende Verpflegungsleistung die Anforderungen des geforderten Gütezeichens erfüllt. Eine reine Eigenerklärung des Bieters, etwa seine nicht weiter belegte Versicherung, die angebotenen Verpflegungsleistungen entsprächen den Kriterien des Gütezeichens, ist in diesem Zusammenhang daher nicht ausreichend.


AUSFÜHRUNGSBEDINGUNGEN

Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus sog. Ausführungsbedingungen festlegen, um eine nachhaltige Beschaffung von Verpflegungsdiensten bei der Vertragsausführung sicherzustellen. So kann z. B. zwecks Abfallvermeidung vorgeschrieben werden, dass für standardisierte Lebensmittel wie Marmelade, Senf oder Zucker keine Portionsverpackungen zum Einsatz kommen dürfen. Wenn ein Bieter nicht willens oder in der Lage ist, solche Ausführungsbedingungen zu beachten, liegt von Beginn an kein zuschlagsfähiges Angebot vor. Kommt ein Auftragnehmer den Ausführungsbedingungen während der Erbringung der Verpflegungsdienstleistungen nicht nach, liegt eine Vertragsverletzung vor, die zivilrechtliche Konsequenzen (ggf. Sonderkündigungsrechte oder Vertragsstrafen) nach sich ziehen kann.

 

________________________________________

1 BT-Drucks. 19/13166, Seite 28, Antwort der Bundesregierung, Anlage 4.
2 https://www.dge.de/gv/dge-qualitaetsstandards/, abgerufen am 20.11.2019.
3 Vergabekammer Karlsruhe, Beschluss vom 18.12.2017, 1 VK 50/17.
4 Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 23.8.2017 – Z3-3-3194-1-24-05/17.
5 Im der Vergabekammer Südbayern vorliegenden Fall wurde die Bereitstellung des Geschirrs mit 2 Prozent des Wertes des Auftragsvolumens angesetzt.

6 Im der Vergabekammer Südbayern vorliegenden Fall wurden zu den Betriebskosten Heizung, Elektrizität, Gas und Wasser gezählt.
7 Vgl. zur Kostenkalkulation etwa die Handreichung „Gutes Essen macht Schule” der Agrar Koordination, Forum für internationale Agrarpolitik e. V., Stand: 2018.

8 § 34 VgV bzw. § 24 UVgO.
9 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28.6.2007.

 

________________________________________

 

 

Kontakt

Contact Person Picture

Holger Schröder

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

Partner

+49 911 9193 3556

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Freya Weber, geb. Schwering

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Europajuristin (Univ. Würzburg)

Associate Partner

+49 (911) 91 93 – 35 11

Anfrage senden

Profil

 

Deutschland Weltweit Search Menu