Verhältnis mehrerer öffentlicher Dienstleistungsaufträge zueinander

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Unter dem Regime der VO 1370 sind mehrere verschiedene öffentliche Dienstleistungsaufträge zwischen einem Betreiber und unterschiedlichen Behörden möglich. Entscheidend ist, welche Behörde den Betreiber mit welchen konkreten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut. Die weite Behördendefinition in Art. 2 lit. b) VO 1370 lässt das zu. Diese Vorschrift zielt lediglich darauf ab, ob eine Behörde zur Intervention im ÖPNV befugt ist, ohne etwas über den Umfang und die Reichweite der Interventionsbefugnis auszusagen.
 
Die Betrauung des Unternehmers mit der Betriebspflicht (§ 21 PBefG), der Beförderungspflicht (§ 22 PBefG) und der Tarifpflicht (§ 39 i.V.m. § 45 Abs. 2 PBefG) fällt in den Zuständigkeitsbereich der Genehmigungsbehörde, der eine Interventionsbefugnis durch das PBefG zusteht, denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 PBefG dürfen Linienverkehre mit Kraftfahrzeugen nicht ohne eine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung erbracht werden. Die Genehmigungsbehörde schließt dazu mit dem Unternehmer einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag in Form der Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung. Das ist möglich, da ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag nach Art. 2 lit. i) VO 1370 auch eine Verwaltungsregelung für den Einzelfall in Form eines Verwaltungsaktes sein kann.
 
Die Betrauung des Unternehmers mit weiteren gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ist hingegen nicht Sache der Genehmigungsbehörde. Insofern feht ihr eine weitergehende Interventionsbefugnis. Diese steht vielmehr dem ÖPNV-Aufgabenträger zu. Dem ÖPNV-Aufgabenträger ist nach § 1 Regionalisierungsgesetz und § 8 Abs. 4 S. 3 und 4 PBefG die Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen, im Rahmen derer er eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit ÖPNV-Leistungen sicherzustellen hat. Auf Grundlage dieser Bestimmungen kann auch der Aufgabenträger mit dem Unternehmer einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag abschließen. 
Zwischen dem Aufgabenträger und dem Unternehmer können zahlreiche und ganz unterschiedliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vereinbart werden. Es kommt nach der weiten Definition des Art. 2 lit. e) VO 1370 nur darauf an, dass es sich um eine Anforderung handelt, die der Unternehmer unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte. Im Gegenzug für die Übernahme der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen werden dem Unternehmer Ausgleichsleistungen gewährt. Dies kann durch einen Verkehrs- und Finanzierungsvertrag oder durch einen Zuwendungsbescheid geschehen. Beide Rechtsformen sind nach Art. 2 lit. i) VO 1370 zulässig.
 
Auch der Verkehrs- und Finanzierungsvertrag oder der Zuwendungsbescheid zwischen dem Aufgabenträger und dem Unternehmer über die Gewährung der Ausgleichsleistungen ist als öffentlicher Dienstleistungsauftrag nach Art. 2 lit. i) VO 1370 anzusehen. Er hat andere Parteien und ist inhaltlich verschieden von demjenigen öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der zwischen der Genehmigungsbehörde und dem Unternehmer bei Erteilung der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung zustande kommt.
 
Für die Vergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags über die Gewährung von Ausgleichsleistungen an den Unternehmer kommt es darauf an, ob es sich um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des allgemeinen Vergaberechts handelt oder um eine Dienstleistungskonzession. Für Letztere gelten die streng formalisierten vergaberechtlichen Regeln nicht. Die Abgrenzung wird über die Art der Gegenleistung vorgenommen. Während bei einem Dienstleistungsauftrag die Gegenleistung i.d.R. eine bestimmte oder bestimmbare Vergütung darstellt, gewährt die öffentliche Hand im Fall einer Dienstleistungskonzession als Gegenleistung ein Nutzungsrecht oder dieses Recht zuzüglich eines Entgelts. Letzteres setzt die Übernahme des überwiegenden wirtschaftlichen Risikos durch den Unternehmer voraus.
 
Voraussetzung für die zumindest überwiegende Übertragung des wirtschaftlichen Risikos auf den Verkehrsunternehmer ist, dass dieser seine Vergütung – i.d.R. durch Fahrkartenverkaufserlöse – von dritter Seite erhält. Erfolgt die Finanzierung ausschließlich über die Entgelte der Benutzer, so liegt allein darin bereits das erforderliche Betriebsrisiko, da mögliche Absatzschwankungen im Hinblick auf die differente Nutzung der Verkehrsmittel durch die Fahrgäste in der Regel nicht eindeutig im Vorhinein kalkulierbar sind. Gewährt der Aufgabenträger dagegen Zuschüsse an den Verkehrsunternehmer, so ist maßgeblich, dass der Unternehmer das Risiko überwiegend selbst trägt. Die Leistung des Aufgabenträgers hindert daher die Annahme einer Dienstleistungskonzession nicht. Maßgeblich ist, dass die Fahrgeldeinnahmen die Ausgleichsleistungen überwiegen.
 
 
 
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