Direktvergabe: Subunternehmerklausel unbedingt erforderlich

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Das Oberlandesgericht München hat am 22.06.2011 (Verg 6/11) einen – nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf (siehe ÖPNV Kompass Ausgabe 02/2011) – weiteren maßgebenden Beschluss für die praktische Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (im Folgenden: VO 1370) erlassen. Dieser betrifft insbesondere die Anforderungen an eine Direktvergabe nach der VO 1370: Das OLG München knüpft dabei an einige wesentliche Punkte der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf an. Insbesondere mit der Feststellung, dass die Vergabevorschriften der VO 1370 schon gegenwärtig gelten und nicht erst ab dem Jahre 2019, hat die Ansicht des OLG Düsseldorf einen zweiten prominenten Vertreter in der Rechtsprechung gefunden. Begrüßenswert für die Praxis ist sicherlich die Feststellung, dass Art. 5 Abs. 2 VO 1370 die Vorgaben für eine In-House-Vergabe im öffentlichen Personenverkehr ausschließlich regelt. Hierdurch wird die zusätzliche Erfüllung der Vorgaben eines In-House-Geschäfts im Sinne des allgemeinen Vergaberechts entbehrlich gemacht, ohne dass zudem eine Dienstleistungskonzession erforderlich wäre.

Das Gericht hatte über eine Direktvergabe der Stadt Lindau an ein von ihr gegründetes Tochterunternehmen zu entscheiden. Hierbei sollte der Weg über eine Direktvergabe eröffnet werden. Im Rahmen der Betrauung zwischen der Stadt Lindau und dem Tochterunternehmen wurde der Tochter erlaubt, Subunternehmer für die Leistungserbringung einzusetzen. Ein Wettbewerber – der bisher über keinerlei Liniengenehmigungen für die Linien des Stadtverkehrs verfügte – griff die Direktvergabe an. Das OLG München sah diese im Ergebnis als unwirksam an.

 

Der Vergabesenat folgt der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in der Frage des zulässigen Rechtsschutzes gegen eine Direktvergabe nach der VO 1370. Nach Auffassung des Gerichts soll nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Weg über die Vergabeinstanzen analog §§ 102 ff. GWB einschlägig sein. Ebenso schließt sich das Gericht der Rechtsprechung an, dass die Übergangsvorschrift des Art. 8 Abs. 2 VO 1370 zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von der Beachtung der Vergabevorschriften der VO 1370 freistellt. Das Gericht positioniert sich damit entgegen der Ansicht der Europäischen Kommission und dem überwiegenden Teil der juristischen Literatur.
 
Aufschlussreich ist die Feststellung des Gerichts, dass die Betrauung der Stadt Lindau nicht als Verwaltungsakt qualifiziert werden könne, da es an einer Ermächtigungsgrundlage für einen derartigen zu einer Übernahme von Aufgaben der Daseinsvorsorge verpflichtenden (belastenden) Verwaltungsakt fehle. Nach Auffassung des Gerichts könne aus diesem Grunde, auch wenn ein Verwaltungsakt intendiert sein mag, nur von einem Vertrag ausgegangen werden. Folge dieser Rechtsprechung wäre die Verhinderung einer Umgehung des allgemeinen Vergaberechts, die mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes (anstatt dem Abschluss eines Beschaffungsvertrages) einhergehen würde.
 
Das Gericht hatte sich überdies mit der Problematik auseinanderzusetzen, dass die europaweite Vorveröffentlichung der beabsichtigten Direktvergabe gemäß Art. 7 Abs. 2 VO 1370 durch die Stadt Lindau bereits vor dem Inkrafttreten der VO 1370 (am 3.12.2009) erfolgt, die Vergabe an sich aber erst nach diesem Datum durchgeführt worden ist. Die Vergabekammer Südbayern hatte in der Vorinstanz hierin ein Hindernis für die Anwendbarkeit der VO 1370 gesehen. Demgegenüber stellt das OLG München in seinem Beschluss fest, dass es für die Anwendbarkeit der VO 1370 ausreiche, dass die eigentliche Direktvergabe nach dem Inkrafttreten der VO 1370 erfolgt sei.
 
Bemerkenswert sind die Ausführungen des Gerichts zur Frage, wann die Vergabevorschriften der VO 1370 und wann die Vergabevorschriften des allgemeinen Vergaberechts anwendbar sind. Das allgemeine Vergaberecht genießt nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370 Vorrang vor den Vergabevorschriften der VO 1370. Voraussetzung für die Einschlägigkeit des Art. 5 Abs. 2 VO 1370 sei daher nach den Ausführungen des Gerichts zunächst, dass eine Dienstleistungskonzession oder ein In-House-Geschäft vorliege. Interessant ist dabei, dass der Senat für das Vorliegen eines solchen In-House-Geschäfts nicht an die Voraussetzungen eines In-House-Geschäfts im Sinne des allgemeinen Vergaberechts anknüpft, sondern unmittelbar an die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 VO 1370. Von Interesse ist diese Vorgehensweise deshalb, weil Art. 5 Abs. 2 VO 1370 erst einschlägig ist, wenn sich ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag außerhalb des allgemeinen Vergaberechts bewegt. Das allgemeine Vergaberecht stellt allerdings von Art. 5 Abs. 2 VO 1370 abweichende Vorgaben für das Vorliegen eines vergaberechtsfreien In-House-Geschäfts auf. Das Gericht begründet seine Auffassung damit, dass Art. 5 Abs. 2 VO 1370 eine Spezialregelung darstelle, die den Fall der In-House-Vergabe im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs abweichend vom allgemeinen Vergaberecht regele. Um eine Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 vornehmen zu können, müssen sonach in vergaberechtlicher Hinsicht ausschließlich dessen Voraussetzungen erfüllt sein.
 
Die Unwirksamkeit der Direktvergabe der Stadt Lindau stützt das OLG München letztlich auf eine Verletzung der Eigenerbringungsquote gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. e VO 1370. Hiernach hat der Betreiber den überwiegenden Teil der Verkehrsleistung selbst zu erbringen. Da der öffentliche Dienstleistungsauftrag der Stadt Lindau den Einsatz von Subunternehmern nicht begrenzt habe, sei ein Verstoß gegen die VO 1370 zu konstatieren und die Direktvergabe folglich unwirksam. Insbesondere ändere nach Auffassung des Senats der Umstand, dass zumindest die Leitlinien der Bayerischen Staatsregierung über die Anwendung der VO 1370 den internen Betreiber verpflichten, 50 Prozent der Leistung selbst zu erbringen, nichts an dem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 lit. e VO 1370. Es ist daher unabdingbar eine Begrenzung des Subunternehmereinsatzes unmittelbar in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag vorzusehen. Diesbezüglich sollten die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen ihre bestehenden öffentlichen Dienstleistungsaufträge überprüfen. 
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