Das wettbewerbliche Vergabeverfahren

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Art. 5 VO (EG) Nr. 1370/2007 statuiert für öffentliche Personenverkehre auf Straße und Schiene besondere Regelungen für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge von einer zuständigen Behörde an einen Betreiber. Neben mehreren Arten von Direktvergaben findet sich in Art. 5 Abs. 3 VO 1370 eine Vorschrift zum sog. wettbewerblichen Vergabeverfahren, die über § 8b PBefG weiter konkretisiert wird.
​Demnach muss das für die wettbewerbliche Vergabe angewandte Verfahren allen Betreibern offen stehen, fair sein und den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung genügen. Nach Abgabe der Angebote und einer eventuellen Vorauswahl können im wettbewerblichen Vergabeverfahren unter Einhaltung dieser Grundsätze Verhandlungen geführt werden, um festzulegen, wie der Besonderheit oder Komplexität der Anforderungen am besten Rechnung zu tragen ist.
  
Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO 1370 ist recht allgemein gefasst. Sie legt lediglich Vergabegrundsätze fest, aber keine Regeln im Detail. Wegen ihres hohen Abstraktionsgrades ist eine Konkretisierung durch das nationale Recht unerlässlich. Für den Anwendungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes hat der Gesetzgeber in der neu eingefügten Norm des § 8b PBefG und einigen ergänzenden Vorschriften, insbesondere § 8a PBefG, die Ausgestaltung der europarechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 VO 1370 umgesetzt.
  
Entschließt sich die zuständige Behörde, einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens an einen Betreiber zu vergeben, fordert Art. 7 Abs. 2 VO 1370 von ihr eine Vorabbekanntmachung. Demnach muss die Behörde ein Jahr vor Einleitung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union ihren Namen und ihre Anschrift, die Art des geplanten Vergabeverfahrens sowie die von der Vergabe betroffenen Dienste und Gebiete veröffentlichen. Durch § 8a Abs. 2 PBefG ist der deutsche Gesetzgeber über diese europarechtlichen Mindestanforderungen hinausgegangen und fordert in der Vergabebekanntmachung von der zuständigen Behörde möglichst weitergehende Angaben zum Fahrplan, zum Beförderungsentgelt, zu den vorgesehenen Standards der Verkehrsleistung sowie inwieweit eine Vergabe als Gesamt- oder Teilleistung (Netz, Teilnetz, Linienbündel, Linie) beabsichtigt ist (§ 8a Abs. 2 Satz 3 PBefG). § 8a Abs. 2 Satz 4 PBefG lässt aus Vereinfachungsgründen in der Vorabbekanntmachung den Verweis auf den Nahverkehrsplan oder andere öffentlich zugängliche Dokumente zu. Die Vorabbekanntmachung soll gemäß § 8a Abs. 2 Satz 2 PBefG nicht früher als 27 Monate vor dem geplanten Betriebsbeginn veröffentlicht werden. Weiter soll in die Vorabbekanntmachung ein Hinweis auf die Vorschrift des § 12 Abs. 6 PBefG aufgenommen werden, wonach Unternehmer Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Linienverkehr gemäß § 8 Abs. 4 PBefG spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung stellen müssen. Tun Unternehmer das, machen sie deutlich, bereit zu sein, die vom Aufgabenträger in § 8 Abs. 3 PBefG festgelegte ausreichende Verkehrsbedienung auch ohne die mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag verbundenen Ausgleichsleistungen von der zuständigen Behörde erbringen und sicherstellen zu können. Das wettbewerbliche Vergabeverfahren dürfte in solchen Fällen wegen des in § 8 Abs. 4 und § 8a Abs. 1 PBefG normierten Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre nicht weiter geführt werden.
 
Werden keine Anträge auf Genehmigung einer eigenwirtschaftlichen Verkehrsleistung gestellt, erfolgt entsprechend Art. 7 Abs. 2 VO 1370 ein Jahr nach der Vorabbekanntmachung die eigentliche Bekanntmachung. Sie leitet das wettbewerbliche Vergabeverfahren ein und muss allen Bietern zugänglich sein. § 8b Abs. 2 PBefG bietet der zuständigen Behörde hierzu eine Veröffentlichungsmöglichkeit auf der Webseite www.bund.de an. Die Bekanntmachung hat alle Informationen, die für die Teilnahme am wettbewerblichen Vergabeverfahren erforderlich sind, zu enthalten, insbesondere zum Ablauf, zu den Eignungsnachweisen und zu den Zuschlagskriterien einschließlich deren vorgesehenen Gewichtung.
 
Der Ablauf des wettbewerblichen Vergabeverfahrens im Detail wird in § 8b Abs. 3 bis 7 PBefG konkretisiert. Die zu erbringenden Dienstleistungen müssen im öffentlichen Dienstleistungsauftrag eindeutig und umfassend beschrieben werden. Ziel ist die Gewinnung miteinander vergleichbarer Angebote. Die im wettbewerblichen Vergabeverfahren gesetzten Fristen haben angemessen in Relation zur Komplexität der Dienstleistungen zu sein (§ 8b Abs. 3 PBefG). Wenn im öffentlichen Dienstleistungsauftrag Unteraufträge zur Erbringung der Dienstleistungen zugelassen werden, kann die zuständige Behörde vorgeben, dass die Übertragung auf die Unterauftragnehmer nach wettbewerblichen Grundsätzen vorzunehmen ist (§ 8b Abs. 5 PBefG). Alle Bieter müssen gleich behandelt werden (§ 8b Abs. 4 PBefG), das Verfahren ist von Beginn an fortlaufend zu dokumentieren und alle wesentlichen Entscheidungen sind zu begründen (§ 8 Abs. 6 PBefG). Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 8b Abs. 4 PBefG). Die nicht berücksichtigten Bieter müssen entsprechend den Regularien der §§ 101a, 101b GWB unverzüglich durch die zuständige Behörde informiert werden (§ 8b Abs. 7 PBefG). Bedenkt man, dass wegen Art. 5 Abs. 3 Satz 3 VO 1370 nach Abgabe der Angebote und einer eventuellen Vorauswahl auch Verhandlungen mit den Bietern geführt werden können, zeigt sich, dass die Erfordernisse des Art. 5 Abs. 3 VO 1370 i.V.m. § 8b PBefG weniger streng und formalisiert sind als das allgemeine Vergaberecht.
 
Weitere Konkretisierungen zum wettbewerblichen Vergabeverfahren finden sich in § 8a Abs. 4 PBefG. Demnach sind in wettbewerblichen Vergabeverfahren die Interessen des Mittelstandes angemessen zu berücksichtigen. Bei der Vergabe der Leistungen besteht eine Pflicht zur Losbildung. Auffällig ist, dass § 8a Abs. 4 PBefG keine Möglichkeit für die zuständige Behörde vorsieht, bei wettbewerblichen Vergabeverfahren von einer Losbildung abzusehen, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Eine zu § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB vergleichbare Vorschrift fehlt in § 8a Abs. 4 PBefG. Im Hinblick auf die Losbildung erweist sich das wettbewerbliche Vergabeverfahren somit strenger als das allgemeine Vergaberecht.
   
Zur Aufnahme des Betriebs und zur Erbringung der im öffentlichen Dienstleistungsauftrag festgelegten Dienstleistungen benötigt der Gewinner des wettbewerblichen Vergabeverfahrens eine personenbeförderungsrechtliche Linienverkehrsgenehmigung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 PBefG). Den dafür erforderlichen Antrag hat der Gewinner nach § 12 Abs. 7 PBefG spätestens sechs Monate vor dem Beginn der beantragten Geltungsdauer bei der Genehmigungsbehörde zu stellen, wobei diese Frist auf Antrag verkürzt werden kann.
  

Abbildung 1: Relevante Normen (Zum Vergrößern der Grafik bitte hier klicken).

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Jörg Niemann

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