Die PBefG-Novelle: Auch nach einem Jahr Praxis ein guter Kompromiss!

PrintMailRate-it

​Schnell gelesen:

Die nach mehr als vier Jahren trotz kontroverser Diskussion gelungene Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) wurde in der Öffentlichkeit vornehmlich mit der in der Novelle gleichzeitig geregelten Liberalisierung des innerdeutschen Fernbuslinienverkehrs wahrgenommen. Für die Kommunen als Aufgabenträger des ÖPNV und für die Verkehrsunternehmen sind aber die Neuregelungen für den ÖPNV wesentlich bedeutender und teils existenziell. Deshalb war es für die an den Verhandlungen im Sommer 2012 beteiligten Fachpolitiker, Referenten und Beamten auch sehr wichtig, mit der Gesetzesnovelle einen fairen Ausgleich zwischen Aufgabenträger- und Unternehmerinteressen zu erzielen und dabei das Genehmigungsverfahren praktikabel zu gestalten.
 
Von Andreas Wille, Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
  
Die erste Resonanz der „staunenden Öffentlichkeit” im September 2012 war durchaus positiv. Nach einem Jahr der intensiven Diskussion und Anwendung der neuen Regelungen bin ich nicht nur als an den seinerzeitigen Verhandlungen Beteiligter der Überzeugung, dass sich der positive erste Eindruck auch bei näherem Hinsehen bestätigt und in der noch frischen Praxis grundsätzlich bewährt hat.
 
Eine – wenn nicht die wesentlichste – Änderung im neuen PBefG gegenüber dem bisherigen Gesetzeswortlaut ist die europarechtlich vorgegebene, wesentlich engere Definition des Begriffs der Eigenwirtschaftlichkeit. Auch nach dem novellierten PBefG haben eigenwirtschaftliche Verkehre Vorrang, aber nur, wenn sie nur unwesentlich von den Vorstellungen des Aufgabenträgers abweichen. Die verschachtelten und sehr kompliziert erscheinenden Regelungen zum relativen Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre sind von elementarer Bedeutung, das sicherlich auch nur in wenigen Einzelfällen gerechtfertigte gegenseitige Misstrauen bei Aufgabenträgern und Unternehmern zu beseitigen. Denn das neue PBefG hat dadurch auf die allermeisten Fragen eine Antwort.
  
Lediglich in einem Punkt zeichnet sich ein Streit ab, der in nächster Zeit die Gerichte beschäftigen wird: § 13 Absatz 2a Satz 5 PBefG verpflichtet den Aufgabenträger bei Vorgaben zur Anwendung eines Gemeinschaftstarifes zur Gewährung eines Ausgleichs gegenüber dem Unternehmer. Trotz der eindeutigen Regelung im Gesetz und ausweislich der Gesetzesbegründung, nach der der Aufgabenträger frei entscheiden kann, ob er den Ausgleich über den Dienstleistungsauftrag oder eine allgemeine Vorschrift gewährt, wird aus dem Gesetz ein Anspruch der Unternehmer auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift abgeleitet. Denn Finanzierungen über allgemeine Vorschriften für Höchsttarife berühren die Eigenwirtschaftlichkeit von Verkehren nicht. Diese „kreative” Haltung der potenziell eigenwirtschaftlichen Unternehmen wird sich rechtlich nicht durchsetzen lassen. Der Gesetzeswortlaut ist klar und entspricht auch der Intention des Gesetzgebers.
  
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der PBefG-Novelle ist die klare Positivregelung zur Direktvergabemöglichkeit an interne Betreiber oder für geringfügige Verkehrsleistungen, weil dies die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht. Die Neuregelung zu den alternativen Bedienungsformen wie AnrufLinienTaxi oder Taxibus, die eine Genehmigung solcher Verkehre generell zulässt, war notwendig und überfällig; dies hat jüngst das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Auch die unter Berücksichtigung der europarechtlichen Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 anzupassenden Verfahrensregelungen im novellierten PBefG haben ihren ersten Praxistest bestanden, auch wenn gerade im Übergang zum neuen Recht in Einzelfällen vom Gesetz zugelassene individuelle Lösungen gefunden werden mussten. Die im Gesetz ebenfalls geregelte Fernbusliberalisierung mit einem angemessenen Schutz des Nahverkehrs schafft Mobilität für neue Kundengruppen und trägt mit Sicherheit zu einem weiteren Imagegewinn des Busses bei. Hinsichtlich der Vorgaben zur Barrierefreiheit des ÖPNV ab dem Jahr 2022 bestehen Vorbehalte vieler Kommunen, weil es an den finanziellen Mitteln zur fristgerechten Umsetzung fehle; hier wird es erforderlich sein, unter Vergrößerung der Anstrengungen mit allen Beteiligten die sinnvolle Reihenfolge der Umsetzungsschritte abzustimmen.
 
Zusammenfassend halte ich auch ein Jahr nach seiner Verabschiedung das novellierte PBefG für ausgewogen und praxistauglich. Das erste Jahr seiner Anwendung hat gezeigt, dass das aus abweichenden Entwürfen entwickelte Gesetz ein in sich stimmiges und auch vollständiges Regelwerk darstellt, das sich mit Sicherheit auch in der Zukunft bewähren wird.​

Kontakt

Contact Person Picture

Jörg Niemann

Diplom-Jurist

Partner

+49 40 2292 977 33

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu