Verrechnungspreise in Italien: Steuerfallen bei Funktionsverlagerungen (Teil 3)

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Aus betriebswirtschaftlichen Gründen verlagern Unternehmen immer häufiger Tätigkeitsfelder ins Ausland, der Fiskus vermutet dahinter aber in der Regel eine Maßnahme zur Steuervermeidung. Wer die steuerrechtlichen Aspekte von Beginn an berücksichtigt, erspart sich viel Ärger und hohe Kosten.

Offene Grenzen, erleichterte Transport- und Kommunikationswege sowie die zunehmende Harmonisierung der Märkte erlauben es, das Gewinnpotential von Konzernen durch Umstrukturierungen zu optimieren. Dazu werden ehemals im Inland ausgeübte Funktionen in kostengünstigere Länder verlagert oder näher am Zielmarkt platziert (sogenannte Funktionsverlagerungen (im Englischen Business Restructuring)). Die Absicht der verlagernden Unternehmen ist hierbei in den meisten Fällen rein betriebswirtschaftlicher und nicht – wie vom Fiskus angenommen – steueroptimierender Natur. Im Gegenteil: Der steuerliche Aspekt wird in der Regel nicht einmal bemerkt. Genau hier liegt das zentrale Risiko. Die Finanzverwaltung schaut bei solchen Funktionsverlagerungen ganz genau hin, vor allem weil sie befürchtet, dass durch die Verlagerung ins Ausland künftiges Steuerpotential im Inland verloren geht. Gleichzeitig beanstanden die Behörden Ausgleichszahlungen von dem Unternehmen, welches die Funktion in Zukunft ausführen wird.

Der italienische Fiskus stützt sich bei der Beurteilung entsprechender Fälle auf die internationalen Richtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), welche in epischer Breite mögliche Arten von Funktionsverlagerungsfällen beleuchten und die steuerlichen Folgen analysieren (siehe Report on The Transfer Pricing Aspects of Business Restructurings; 22 Juli 2010). Die Komplexität dieser Normen macht es für den Steuerpflichtigen grundsätzlich schwer, entsprechende Sachverhalte zu erkennen und angemessen zu reagieren. Das Problem, relevante Funktionsverlagerungen aus steuerlicher Sicht zu identifizieren, wird zudem oft dadurch verstärkt, dass der Steuerpflichtige die Maximierung des Gewinnpotentials auf Konzernebene in den Vordergrund stellt und die steuerlichen Aspekte auf nationaler Ebene gar nicht erfasst.
 
Der folgende, immer wieder anzutreffende Fall soll die bereits genannten unterschiedlichen Sichtweisen des Fiskus einerseits und des Steuerzahlers andererseits plastischer darstellen: Ein italienisches Unternehmen nimmt ein verlustbringendes Produkt aus seinem Sortiment und verlagert die Produktion auf eine Tochtergesellschaft in einem Niedriglohnland. Aufgrund der mangelnden Profitabilität der Produkte auf dem italienischen Markt kommt es dabei nicht zu Gewinneinbußen. Im Zuge dessen verkauft der Steuerpflichtige die (aus seiner Sicht „wertlosen”) Produktionsmaschinen zum Marktwert an die Tochtergesellschaft. Für den in Italien ansässigen Steuerpflichtigen scheint sich die Transaktion somit zu lohnen. Dennoch könnte der italienische Fiskus hierin eine Funktionsverlagerung sehen und eine zusätzliche Ausgleichszahlung verlangen, da die Verlagerung der Produktion das ausländische Unternehmen in die Position bringt, aus dem zukünftigen Verkauf der Produkte Gewinne zu generieren. Nach Ansicht des Fiskus hätte das verlagernde Unternehmen das Gewinnpotential des ausländischen Unternehmens jedoch sehen und sich zumindest einen Teil davon durch Ausgleichszahlungen vergüten lassen müssen.
 
Die steuerlichen Folgen einer Funktionsverlagerung sind umso drastischer, je profitabler die verlagerte Funktion ist. Der Grund hierfür ist, dass die Finanzbehörde die Ausgleichszahlung in der Regel bemisst, indem sie das aus der verlagerten Funktion resultierende Gewinnpotential über einen unendlichen Zeithorizont bestimmt und den Gegenwartswert durch Diskontierung auf den Zeitpunkt der Verlagerung ermittelt. Das kann teilweise zu extrem hohen, die Liquidität der Unternehmen gefährdenden Einmalzahlungen führen.
Nur wer Funktionsverlagerungen rechtzeitig erkennt, hat die Chance den entsprechenden steuerlichen Risiken bereits in der Planungsphase entgegenzuwirken. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die einmaligen Ausgleichszahlungen auf einen längeren, die Liquidität schonenden Zeithorizont auszudehnen (als Beispiel seien Lizenzzahlungen genannt) oder sogar komplett zu vermeiden (im obigen Praxisfall etwa, indem das ausländische Unternehmen die Produkte produziert und auf Basis der Kostenaufschlagsmethode an das italienische Unternehmen verrechnet, welches dann seinerseits die Produkte an den Endkunden fakturiert). Grundsätzlich empfiehlt sich eine dreigliedrige Vorgehensweise (aufgrund der Komplexität der Normen scheint hier jedoch die Hinzuziehung eines sachkundigen Beraters vorteilhaft):
1. Prüfung, ob durch die geplante Restrukturierung die Tatbestandsmerkmale einer Funktionsverlagerung erfüllt werden und – falls möglich – die Einleitung von Gegenmaßnahmen (siehe oben)
2. Falls eine Funktionsverlagerung nicht vermieden werden kann, sollte der Steuerpflichtige einer unangemessenen Bestimmung der Ausgleichszahlung seitens der Finanzverwaltung durch ökonomisch fundierte, selbst angestellte Berechnungen zuvorkommen (BEACHTE: Der Wert der Ausgleichszahlung kann durch diverse diskretionäre Annahmen stark schwanken)
3.

Erstellung einer ausführlichen Verrechnungspreisdokumentation, um dem Fiskus keinen Interpretationsspielraum zu lassen (und um eventuelle Strafzahlungen zu vermeiden)

 

Eine ursprüngliche Version des Artikels erschien in der in der Südtiroler Wirtschaftszeitung vom 14. Juni 2013.
 

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