Neue BGH-Entscheidung in Sachen Wasserpreise Calw

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veröffentlicht am 15. Juli 2017

 

Mit der Entscheidung des zuständigen Kartellsenats des BGH (Beschluss vom 15. Mai 2012 – KVR 51/11) begann eine neue Zeitrechnung bei der Kontrolle von Wasserentgelten. Das zuvor besonders im Zusammenhang mit der Wasserversorgung in Hessen mehrfach angewandte und branchenweit diskutierte Vergleichsmarktkonzept (§ 103 GWB) erhielt mit dem Kostenprüfungsansatz (§§ 19, 32 ff. GWB) ein gleichrangiges Pendant zur Feststellung eines Preishöhenmissbrauchs bei Wasserversorgungsunternehmen.

 

Der BGH bestätigte damit dem Grunde nach die durch die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg angewandte Methode zur Feststellung überhöhter Wasserentgelte der Energie Calw GmbH und hob den anderslautenden Beschluss des OLG Stuttgart (Az.: 201 Kart 2/11) auf. Das OLG Stuttgart musste daraufhin erneut in der Sache entscheiden. (Vgl. hierzu auch Wasser Kompass 03/2012)
   
Das OLG Stuttgart hob in der Folge die Preissenkungsverfügung der Landeskartellbehörde vom 24. Februar 2011 mit Beschluss vom 5. September 2013 (Az.:201 Kart 1/12) erneut auf und verwies die Sache seinerseits an die Landeskartellbehörde zurück. Als Begründung führte das OLG Stuttgart aus, dass neben nicht nachvollziehbaren Kürzungen in der Kostenkalkulation die von der Landeskartellbehörde verwendeten Vorgaben der Strom- und Netzentgeltverordnung als Einstieg in die Preishöhenmissbrauchskontrolle auch in der Wasserversorgung zwar grundsätzlich geeignet seien, die Landeskartellbehörde habe diese Vorgaben jedoch fehlerhaft verwendet. So ist es nach Auffassung des OLG Stuttgart nicht möglich, die Netzentgeltverordnungen zur Kalkulation eines „Als-ob-Wettbewerbspreises” lediglich in einigen ausgewählten Punkten anzuwenden. Vielmehr müssten – wenn die Behörde Netzentgeltverordnungen anwenden will – diese vollständig der Kalkulation des „Als-ob-Wettbewerbspreises” zugrunde liegen.
  
Mit seiner aktuellen Entscheidung gab der BGH jetzt der Rechtsbeschwerde der Landeskartellbehörde gegen die Aufhebung ihrer Verfügung statt. Der Beschluss des OLG Stuttgart vom 5. September 2013 wurde erneut aufgehoben und die Sache wieder zur Entscheidung zurück an das OLG Stuttgart verwiesen (Beschluss vom 14. Juli 2015 - KVR 77/13). Das Verfahren in Sachen „Wasserpreise Calw” geht damit in eine weitere Runde. 

  

Folgende Aspekte der Entscheidung des BGH sind für die Beurteilung von Wasserpreisverfahren über den konkreten Fall hinaus von besonderer Bedeutung:

  • Eine vollständige Aufhebung der Verfügung durch das OLG Stuttgart  ist nur dann möglich, wenn sich die Verfügung als Ganzes fehlerhaft erweist. Das war hier nicht der Fall. Die Verfügung war lediglich teilweise fehlerhaft und kann so keine vollständige Aufhebung rechtfertigen.
  • Trotz des in diesem Verfahren geltenden Amtsermittlungs-grundsatzes hat das Wasserversorgungsunternehmen Mitwirkungspflichten. Verletzt es diese, kann ihm dies im Rahmen der Beweiswürdigung zur Last gelegt werden.
  • Ein Einschreiten der Landeskartellbehörde ist nicht erst bei einer Überhöhung der Preise um 7,5 Prozent, sondern bereits ab 3 Prozent möglich.

       

Und die Konsequenzen für die Branche?

  • Die durch den BGH definierte Aufgreifschwelle von 3 Prozent erweitert den Auffälligkeitsbereich der Kartellbehörden und damit den Kreis der grundsätzlich im Sinne der Kartellbehörde verdächtigen Unternehmen.
  • Eine selektive oder teilweise fehlerhafte Anwendung der Netzentgeltverordnungen bei der Kalkulation eines „Als-ob-Wettbewerbspreises” zur Untersuchung eines Preishöhenmissbrauchs führt nicht dazu, dass die Verfügung als Ganzes fehlerhaft ist. Fehler auf Seiten der Behörde wirken damit nicht so schwer wie durch das OLG Stuttgart entschieden.  
  • Zudem betont der BGH die Mitwirkungspflicht der betroffenen Wasserversorgungsunternehmen zur Aufklärung des Sachverhalts.
     
Die Entscheidung ist ein weiterer Baustein in der mühsamen und langwierigen Entwicklung eines Wasserkartellrechts. Die niedrige Aufgreifschwelle wird wohl kaum Auswirkungen auf die Praxis haben, da eine formale Aufgreifschwelle bislang nicht existierte, sie unterstreicht jedoch die Ernsthaftigkeit die der BGH der Durchsetzung des Kartellrechts auch im Wassersektor beimisst. Die Ausführungen zur Anwendbarkeit der parallelen Vorgaben aus den regulierten Sparten Strom und Gas erweitern den Spielraum der Kartellbehörden erneut und sind damit ganz auf der Linie der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass den Kartellbehörden möglichst viele Freiheiten bei der Durchsetzung des Kartellrechts gegeben werden sollen.  
  
Auch diese aktuelle Entscheidung des BGH unterstreicht daher die Notwendigkeit für die Branche, sich mit dem Thema „angemessene Wasserpreise” weiter intensiv zu beschäftigen. Idealerweise werden so – gemeinsam mit den Behörden – Lösungen für einen sinnvollen Umgang mit dem gegebenen Rechtsrahmen gefunden.  
 
Verlässt sich die Branche auf die sukzessive Klärung aller Rahmen-bedingungen der kartellrechtlichen Preisprüfungen im Wassersektor durch die Gerichte, würde sich die bereits erkennbare Lähmung vieler Unternehmen bezüglich der Anpassung von Wasserpreisen an den tatsächlichen Finanzierungsbedarf ihrer Leistung weiter verstärken. Die Nachteile für den aktuell noch erfreulich hohen Standard der Wasserversorgung in Deutschland wären dann kaum noch abzuwenden. Das sollte im Interesse aller Beteiligten unbedingt vermieden werden. 
 
Die gute Nachricht ist, dass sehr gute Ansätze und geeignete Instrumente zur Erklärung kostendeckender Wasserentgelte bereits existieren. Benchmarking und im Einzelfall zur Unterstützung der Erklärung aufwandsgleicher Kosten auch statistische Effizienzanalysen, die richtige Ermittlung entgeltrelevanter Kosten und die Modellierung kostenstrukturadäquater, individualisierter Tarifmodelle sind etablierte und praxiserprobte Methoden, die Kosten einer rationellen Betriebsführung zu erklären. Dadurch kann ein betroffenes Unternehmen, sowohl der vom BGH ausdrücklich hervorgehobenen Mitwirkungspflicht des Wasserversorgers bestmöglich entsprechen, aber natürlich in der Regel auch inhaltlich dem Vorwurf überhöhter Wasserpreise sehr gut begegnen.
   
Gerne möchten wir Sie zu unseren Werkstattgesprächen „Rationelle Betriebsführung und Anpassung der Wasserentgelte” einladen.

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