Unter Beobachtung beim Wegzug: Steuerliche Compliance bei internationaler Mobilität

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veröffentlicht am 12. August 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Das Leben in einer globalisierten Welt und das national sowie auf europäischer Ebene verankerte Recht, sich an einem frei wählbaren Ort aufhalten zu dürfen, motiviert immer wieder Personen, ihren Wohnsitz in einen anderen Staat zu verlagern.

In solchen Fällen ist Vorsicht geboten: der deutsche Fiskus hat vom Gesetzgeber ein Instru­men­ta­rium an die Hand bekommen, mit dem unter gewissen Voraus­setzungen auch noch nach einer Verlagerung des Wohnsitzes in einen anderen Staat steuerliche Verpflichtungen für die „Weggezogenen” erhalten bleiben.



Die gesetzliche Grundlage dafür findet sich im Außersteuergesetz (AStG).

In §§ 2 - 5 AStG sind die verschiedenen Fälle geregelt, bei deren Vorliegen eine Besteuerung von Einkünften bzw. Vermögen auch noch nach einem Wegzug aus Deutschland durch die deutsche Finanzverwaltung erfolgen kann und davon auch regelmäßig Gebrauch gemacht wird.

Die erweitert-beschränkt betitelte Besteuerung erstreckt sich nach den Vorschriften im AStG sowohl auf die Einkommensteuer als auch die Erbschaft­steuer.

Der unter Compliance-Gesichtspunkten relevante Hauptanwendungsfall ist tatsächlich in der Besteuerung des Einkommens zu sehen; dadurch entsteht eine jährlich anfallende Steuer, die zudem weitestgehend ereignis­unabhängig zu entrichten ist. Anders im Fall der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die an ein Ereignis, also einen Erbfall oder eine Schenkung anknüpfen.

Im Grunde kommt eine derartige Besteuerung – obwohl keine Ansässigkeit in Deutschland mehr besteht – dann in Betracht, wenn

  • eine natürliche Person von den letzten zehn Jahren vor Ende der eigentlichen Steuerpflicht in Deutschland mind. fünf Jahre unbe­schränkt in Deutschland steuerpflichtig war


und

  • im Ausland eine im Vergleich zu Deutschland niedrigeren Besteuerung unterliegt


und

  • wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland noch immer verfolgt werden.


Zu den Einzelheiten siehe den Beitrag „Besteuerung nach dem Wegzug: Die erweiterte beschränkte Steuer­pflicht”.

Und genau dort beginnt der Irrtum: der physische Wegzug aus Deutschland lässt nicht zwingend die Steuer­pflicht in Deutschland entfallen. Der Trugschluss zeigt sich in folgender Annahme: das Leben und Arbeiten findet im „neuen” Staat statt; was geht das Deutschland an, wenn im neuen Staat Steuern entrichtet werden.

Der deutsche Fiskus stellt das sog. Welteinkommensprinzip in den Mittelpunkt. Und wenn nach wie vor die Brücken nach Deutschland nicht endgültig abgerissen sind, z.B. weil Immobilienbesitz vorhanden ist und die Immobilie vermietet wird, dann werden in tatsächlich physischer Abwesenheit immer noch bedeutende wirtschaftliche Interessen in Deutschland verfolgt.

Gerade das Beispiel der fremdvermieteten Immobilie ist der sprichwörtliche Klassiker für das Fortbestehen einer Steuerpflicht im Inland. Weitere ausschlaggebende Inlandsinteressen können sich wegen verschiedener anderer Szenarien ergeben:

  • Wenn ein Unternehmen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betrieben wird, der Unternehmer selbst jedoch im Ausland sesshaft ist, so § 3 Abs. 3 Nr. 1 AStG;
  • wenn 30 Prozent der Gesamteinkünfte oder mind. 62.000 Euro in Deutschland erwirtschaftet werden, § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG, aber auch
  • wenn das dem Steuerpflichtigen zuzurechnende Gesamtvermögen zu mind. 30 Prozent in Deutschland gehalten wird oder wenigstens 154.000 Euro beträgt, § 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG.


Auch sog. „Grenzgänger”, die in Deutschland das primäre Arbeitseinkommen erzielen, aber bspw. in der Schweiz leben, sind u.U. besonderen Steuerpflichten zu unterwerfen.


Welche Folgen ergeben sich?

Sind die Voraussetzungen der erweitert-beschränkten Steuerpflicht erfüllt, darf der deutsche Fiskus bis zehn Jahre nach dem Wegzug aus Deutschland in Deutschland diejenigen Einkünfte weiter besteuern, die nicht ausländische Einkünfte sind. Im Fall des Immobilien-Klassikers ist der Nachweis durch das Finanzamt, das weiterhin deutsche Einkünfte erwirtschaftet werden, leicht zu führen. Insbesondere bei Kapitaleinkünften ist die Abgrenzung aber schwierig und es kann zu manch unerwartetem Zugriff des deutschen Fiskus kommen.

Ohne eine professionelle und genaue Beratung kann es daher dazu kommen, dass sich der Steuerpflichtige in Sicherheit wiegt, da er schließlich nicht mehr in Deutschland ansässig ist, und in der Folge keine Steuerer­klärungen mehr in Deutschland einreicht.

Dadurch verkürzt der Steuerpflichtige „in Abwesenheit” Steuern in Deutschland, was letztlich dazu führen kann, dass bei Entdecken der Tatsache durch die Finanzverwaltung eine vorsätzliche Steuerverkürzung, also eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abgabenordnung (AO) angenommen werden kann. Und damit droht in manchen Fällen mehr als teurer Ungemach.

Neben dem dann zu erwartenden Steuerstrafverfahren, sind die verkürzten Steuern selbstverständlich nachzu­entrichten und – zum Ärgernis der Steuerpflichtigen – auch mit dem hohen Zinssatz aus der Abgabenordnung (derzeit 0,5 Prozent pro Monat und somit 6 Prozent pro Jahr) zu verzinsen. Die entsprechenden Steuern können zumindest innerhalb der EU im Wege des Amtshilfeverfahrens auch im Ausland vollstreckt werden.


Fazit

Die deutsche Besteuerung kann auch den ins Ausland verzogenen Steuerpflichtigen schneller einholen, als ihm lieb sein kann.

Zur Vermeidung von durchaus auch mental, aber v.a. finanziell belastenden Steuer­straf­ver­fahren und einer im Nach­gang vor­zunehmenden Nach­deklaration, empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld eines Wegzugs aus Deutsch­land in einen ausländischen Staat, die Wohnsitzverlagerung außerdem steuerlich vollständig zu durchdenken.

Nicht nur, dass die Nächte dadurch ruhiger durchlebt werden können: ressourcen­bindende Nacherklärungs-Verfahren können auf die Weise vermieden und der Start in die bevorstehende Zukunft in der „neuen Heimat” dann auch in vollen Zügen genossen werden.


Checkliste:

  • Welteinkommensprinzip beherzigen!
  • Sämtliche Einkünfte bereits im Vorfeld zusammenstellen und sie auf die Anforderungen der sog. wesentlichen Interessen prüfen (lassen).
  • Sich v.a. in steuerlicher Hinsicht konsequent auf den Wegzug vorbereiten- nicht nur haptisch die Türen hinter sich schließen.
  • Ggf. professionelle Beratung zur Klärung einzelner Aspekte dazu ziehen.
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