Closing Accounts: Handlungsempfehlungen für den Käufer gegen nachteilige Kaufpreisanpassungen

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veröffentlicht am 30. April 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Closing Accounts, auf deren Basis der endgültige Kaufpreis ermittelt wird, sind bei Unternehmens­kauf­verträgen weit verbreitet. Gleichwohl sind sie wegen bestehender Spielräume bei ihrer Erstellung anfällig für einseitige Gestaltungen durch den Ersteller. Mit einer aktiven Rolle kann die Käuferseite Vorkehrungen gegen nachteilige Kauf­preis­anpassungen treffen.


Closing Accounts sind Finanzinformationen, die bei Unternehmenstransaktionen auf einen bestimmten Stichtag, den Vollzugstag bzw. das sog. Closing i.d.R. von der Verkäuferseite erstellt werden, um daraus beim Kauf­preis­findungs­mechanismus den endgültigen Kaufpreis zu ermitteln. Die Überleitung von einem Ausgangs­wert (Enterprise Value) auf den letztendlichen Kaufpreis (Equity Value) erfolgt mittels einer sog. Kaufpreisüber­leitung (Equity Bridge), deren Bestandteile ebenso wie die maßgeblichen Rechnungsle­gungsgrundsätze für die Erstellung der Closing Accounts regelmäßig im Kaufvertrag festgelegt werden. Ein solcher Closing Accounts-Mechanismus ist insbesondere bei internationalen M&A-Transaktionen gängig.


Zeitliche Einordnung im Transaktionsprozess und Kaufpreisrelevanz

Sofern die Vertragsparteien einen Closing Accounts-Mechanismus vereinbaren, erfolgt im Laufe der Trans­aktion zweimal eine Ableitung des Kaufpreises zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Zunächst wird auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrags meist ein vorläufiger Kaufpreis ermittelt und (zumindest bis auf etwaige Sicherheitseinbehalte) ausgeglichen. Der endgültige Kaufpreis hingegen wird zu den Verhältnissen des Vollzugstags anhand eigens auf das Datum zu erstellender Finanzinformationen ermittelt und die Differenz zum vorläufigen Kaufpreis ausgeglichen. Folglich haben die Closing Accounts Kaufpreisrelevanz.

Zwar legen die Parteien im Kaufvertrag fest, welche Partei die Closing Accounts erstellt; dennoch bietet der Closing Accounts-Mechanismus ein Konfliktpotenzial wegen bestehender Bilanzierungs- und Ermessensspiel­räume und entgegengesetzter Interessen der Vertragsparteien. Die erstellende Partei kann die Spielräume bewusst kaufpreiswirksam zu ihren Gunsten nutzen. Insofern hat diejenige Partei, der die Closing Accounts vorgelegt werden, ein berechtigtes Interesse an der Angemessenheit der bei der Erstellung der Finanzinfor­mationen verwendeten Schätzungen und Annahmen.


Maßgebliche Rechnungslegungsgrundsätze

Anders als allgemeingültige Finanzinformationen wie bspw. ein ordentlicher Jahresabschluss resultieren Closing Accounts nicht aus einer gesetzlichen, sondern aus einer schuldrechtlichen Verpflichtung. Sie erfüllen das Informationsbedürfnis eines spezifischen Adressatenkreises. Daher legen die Vertragsparteien sowohl die Bestandteile – etwa eine vollständige Bilanz oder lediglich Working Capital-relevante Posten – als auch die maßgeblichen Regelungen für deren Aufstellung einschließlich der Rechnungslegungsgrundsätze für Ansatz und Bewertung im Kaufvertrag fest. Grundsätzlich könnten damit für die Erstellung der Closing Accounts auch von bestehenden Standards wie HGB oder IFRS abweichende Regelungen vereinbart werden, sofern sie bei einer etwaigen neutralen Überprüfung vertretbar sind.

Im Interesse einer Vergleichbarkeit der Closing Accounts mit dem (Plan-)Abschluss, auf dem der vorläufige Kaufpreis ermittelt wird, sollten für die Erstellung beider Finanzinformationen die identischen Rechnungs­legungsgrundsätze Anwendung finden. Ferner sollten sich die Stetigkeit der verwendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ebenso wie das Vorgehen bei der Anwendung der Methoden an demjenigen Zahlenwerk orientieren, auf dessen Basis der vorläufige Kaufpreis ermittelt wird. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, Abwei­chungen zu HGB oder IFRS oder fallspezifische Vorgaben zu definieren. Damit können bspw. bei nicht prü­fungs­pflichtigen Zielgesellschaften das Vorgehen hinsichtlich einer bislang unterlassenen Bilanzierung unfertiger Leistungen im Projektgeschäft im Voraus festgelegt oder Ermessensspielräume bei der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten für die Bewertung von Rückstellungen eingegrenzt werden. Ebenso kann durch geeignete Vorgaben eine Deckungsgleichheit zwischen ausgewählten Posten der Closing Accounts und den bei einer Due Diligence gewonnenen Analyseergebnissen, die teilweise auf Monatsbasis basieren, erzielt werden.


Überprüfung vorgelegter Finanzinformationen und Prüfungssicherheit

Die Verlässlichkeit der vorgelegten Finanzinformationen lässt sich mit einer Überprüfung der Closing Accounts durch einen Experten der Rechnungslegung – etwa durch einen Wirtschaftsprüfer – steigern. Die Art der Überprüfung und damit verbunden der Grad an Prüfungssicherheit kann bei der Beauftragung individuell festgelegt werden. Ein Wirtschaftsprüfer orientiert sich dabei an den einschlägigen Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) oder den vergleichbaren internationalen Vorschriften.

Soll durch die Überprüfung der Closing Accounts eine hinreichende Prüfungssicherheit erreicht werden, sind die Prüfungshandlungen so zu gestalten, dass das Prüfungsurteil in einen sog. Prüfungsvermerk führt. Damit bestätigt der beauftragte Prüfer, dass die in den Finanzinformationen enthaltenen Informationen in allen wesentlichen Belangen nach den vereinbarten Grundsätzen erstellt wurden. Sofern die zu prüfenden Finanz­informationen einen Abschluss darstellen, richtet sich die Überprüfung nach dem Prüfungsstandard IDW PS 480 bzw. dessen internationalem Pendant ISA 800. Bezieht sich der Prüfungsauftrag dagegen auf eine Finanz­aufstellung oder auf einzelne Bestandteile einer Bilanz – bspw. den relevanten Posten des Working Capitals – findet der Prüfungsstandard IDW PS 490 bzw. der internationale ISA 805 Anwendung.


Ist ein begrenztes Maß an Prüfungssicherheit ausreichend, kann eine Plausibilitätsprüfung der Finanzinfor­mationen im Sinne einer prüferischen Durchsicht genügen. Das Ergebnis der prüferischen Durchsicht mündet dann in einer als Negativaussage formulierten Bescheinigung, dass nach kritischer Würdigung mit einer gewissen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die vorgelegten Finanzinformationen in wesentlichen Belangen nicht in Übereinstimmung mit den anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt worden sind (sofern das entsprechend zutrifft). Die prüferische Durchsicht erfolgt nach IDW PS 900 bzw. entsprech­end des internationalen ISRE 2400. Verglichen mit der zuvor beschriebenen Prüfung ist die prüferische Durch­sicht weniger zeitaufwändig und preislich günstiger.

Alternativ bieten sich mit dem Prüfer vereinbarte Untersuchungshandlungen – sog. Agreed Upon Procedures – an, wenn von den Vertragsparteien definierte Untersuchungshandlungen durch einen unabhängigen Prüfer durchgeführt werden sollen. Beispielhaft wäre eine Prüfung, ob die anlassorientiert vorgelegten Informationen mit tatsächlichen Werten – bspw. der Buchhaltung des Zielunternehmens – übereinstimmen. Bei einem solchen Auftrag gibt der Prüfer kein auf Prüfungshandlungen beruhendes Urteil ab, sondern berichtet lediglich über bei seinen Untersuchungshandlungen festgestellte Tatsachen. Da die vereinbarten Untersuchungs­handlungen weder eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit noch eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit wie oben beschrieben darstellen, kann hieraus keine Prüfungssicherheit gewonnen werden. Die Durchführung verein­barter Untersuchungshandlungen richtet sich nach dem internationalen ISRE 4400.


Frist zur Überprüfung, Einspruch und Einigungsverfahren

Im Kaufvertrag werden regelmäßig nicht nur die Fristen festgelegt, innerhalb derer die erstellende Partei die Closing Accounts und die darauf aufbauende Equity Bridge vorzulegen hat, sondern auch innerhalb welchen Zeitraums nach Vorlage ein etwaiger Einspruch der anderen Partei zu erfolgen hat. Zudem sind üblicherweise auch die Form und der Detailgrad des Einspruchs sowie mögliche nachträgliche Änderungen des Einspruchs vertraglich vereinbart. Der zeitliche Rahmen des möglichen Einspruchs determiniert auch die Frist für die Überprüfung der vom Ersteller als endgültig vorgelegten Closing Accounts. Üblich sind zwischen 30 und 60 Tage. In Abhängigkeit von der Komplexität des Transaktionsobjekts sowie der Verhandlungsstärke der jeweil­igen Partei kann die Frist auch mehrere Monate sein. Ebenso wird für den Fall eines Einspruchs vorsorglich nicht nur ein Zeitraum, innerhalb dessen sich die Parteien um Einigung bemühen wollen, sondern auch ein abschließendes Schiedsverfahren vereinbart, falls die Vertragsparteien eine Einigung innerhalb des fest­gelegten Zeitraums ohne Mitwirkung eines unabhängigen Dritten nicht erzielen können.


Aktive Rolle der Käufer bei Closing Accounts erforderlich

Wegen des Informationsvorsprungs des i.d.R. die Closing Accounts erstellenden Verkäufers ist es für den Käufer empfehlenswert, eine aktive Rolle bei der Erstellung und Überprüfung der vorgelegten Closing Accounts einzunehmen. So könnte zu überlegen sein, die Closing Accounts trotz des höheren Aufwands selbst zu erstellen und das quasi als „weitere Anfangsinvestition in den Kaufgegenstand” zu betrachten. Zumindest aber sollte bereits im Kaufvertrag die Möglichkeit, die vorgelegten Finanzinformationen durch einen von der empfangenden Partei ausgewählten Experten überprüfen zu lassen, und ein der Komplexität des Transaktions­objekts entsprechend angemessener Zeitraum hierfür ausbedungen werden.


Um ihrer Verpflichtung zur gewissenhaften Entscheidungsfindung – sog. Business Judgement Rule – zu genügen und den Informationsvorsprung der Verkäuferseite bestmöglich zu verringern, beauftragen die Organe des Käufers vor Abschluss des Kaufvertrags häufig eine Sorgfaltsprüfung – sog. Due Diligence – in Bezug auf das Transaktionsobjekt. Idealerweise befasst sich der Käufer bereits in der Phase der Due Diligence mit den Auswirkungen der Bilanzierung sowie den damit verbundenen Ermessensspielräumen. Die gewonnenen Erkenntnisse können z.B. in Vorgaben zur Erstellung der Closing Accounts im Kaufvertrag münden oder das zielgerichtete Formulieren von Anweisungen für deren Überprüfung fördern.


Fazit

Closing Accounts beinhalten wegen bestehender Spielräume bei ihrer Erstellung die Gefahr einer einseitigen interessengerichteten Beeinflussung des Kaufpreises. Daher ist es wichtig, dass die Kaufvertragsparteien ein fundiertes Verständnis der Spielräume haben bzw. ein solches vor Eingehen eines verbindlichen Rechtsge­schäfts erwerben. Mit dem Wissen sollten bereits im Kaufvertrag Gestaltungsspielräume möglichst eingegrenzt werden, um sich vor nachteiligen Kaufpreisanpassungen bei der Equity Bridge zu schützen.

Im Interesse eines unvoreingenommen ermittelten endgültigen Kaufpreises kommt der Überprüfung der vorgelegten Finanzinformationen eine wichtige Schutzfunktion zu, die entsprechend des Bedarfs des Auftraggebers zu einer unterschiedlichen Prüfungssicherheit führen kann. Bei einer Überprüfung der Closing Accounts wie auch bei einer Due Diligence vor Abschluss des Kaufvertrags kann eine transaktionserfahrene Prüfungskanzlei wertvolle Unterstützung leisten, um Überraschungen bei der finalen Kaufpreisfestsetzung zielsicher zu vermeiden.

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