Entwicklungskosten in der Automobilzulieferindustrie: Richtig bilanzieren

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veröffentlicht am 14. Juni 2017

 

Die Bedeutung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen wird für die Automobilzulieferer in den nächsten Jahren weiter wachsen. Es stellt sich daher vermehrt die Frage nach der richtigen bilanziellen Behandlung. Um diese zu beantworten, müssen die Entwicklungskosten explizit kategorisiert werden.
 

 

  

Forschungs- vs. Entwicklungsaufwendungen

Die Trennung von Forschungs- und Entwicklungskosten ist für die Frage der richtigen Bilanzierung unum­gänglich. Forschung ist die Suche nach neuen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen und ist nicht aktivierungsfähig. Forschungskosten werden daher unmittelbar als Aufwand erfasst. Entwicklung hingegen bezeichnet das Anwenden der Forschungsergebnisse und kann unter bestimmten Voraussetzungen aktiviert werden.

 

Anlagevermögen vs. Umlaufvermögen

Das Anlagevermögen ist grundsätzlich dafür bestimmt, dem Unternehmen dauernd zu dienen. Im Gegenzug dazu ist die Veräußerungsabsicht für das Umlaufvermögen charakterisierend. Erfolgt eine Entwicklung auf Grundlage eines Kundenauftrages wird sie dem Umlaufvermögen zugeordnet. Die eigenständige Entwicklung von Know-how beim Automobilzulieferer soll dagegen im Unternehmen verbleiben und gehört entsprechend in das Anlagevermögen.

 

Bilanzierung im Bereich des Anlagevermögens

Im Bereich des Anlagevermögens muss geklärt werden, ob es sich bei der Entwicklung um eine Neu- bzw. Weiterentwicklung oder um Erhaltungsaufwand handelt. Erhaltungsaufwendungen werden direkt als Auf­wand erfasst. Als Erhaltungsaufwendungen versteht man laufende Produktverbesserungen und die Modellpflege zur Erhaltung der Marktfähigkeit (z.B. die Anpassung eines bestehenden Produkts an die Bedürfnisse eines Kunden).

  

Handelt es sich um eine Neu- bzw. Weiterentwicklung, erfolgt die Zuordnung entweder zu den selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens oder zu den entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens. Handelsrechtlich liegt bei der Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen ein Ansatzwahlrecht vor. Im Steuerrecht gibt es ein Aktivierungsverbot, sodass bei der Ausübung des Wahlrechts passive latente Steuern sowie ein ausschüttungsgesperrter Betrag entstehen.

 

Bilanzierung im Bereich des Umlaufvermögens

Die Frage des vereinbarten Entgelts regelt hier den endgültigen Ausweis. Wird die Entwicklungsleistung des Automobilzulieferers gegen ein vertraglich festgelegtes Entgelt veräußert, so handelt es sich um einen eigenständigen Vermögensgegenstand des Vorratsvermögens. Bis zur Fertigstellung wird die Entwicklungs­leistung unter den „unfertigen Leistungen” ausgewiesen. Der Ansatz erfolgt zu Herstellungskosten. Für die Folgebewertung gilt das strenge Niederstwertprinzip, d.h. außerplanmäßige Abschreibungen müssen unverzüglich vorgenommen werden.

  

Auftragsgebundene Entwicklungs-, Versuchs- und Konstruktionskosten, die nicht entgeltlich veräußert werden, gehören als Sondereinzelkosten der Fertigung zu den Herstellungskosten der späteren Serienerzeugnisse.

  

Unabhängig davon, ob Entwicklungskosten als eigenständiger Vermögensgegenstand des Vorratsver­mögens oder als Sondereinzelkosten der Fertigung eingestuft werden, liegt handelsrechtlich und steuerrechtlich eine Aktivierungspflicht vor.

  

Die Zahlung eines Entgelts erfolgt entweder in Form einer Einmalzahlung oder in Form einer festgelegten Entwicklungskostenumlage pro produzierter Einheit. Wird bei der Anwendung der Variante der Entwicklungs­kostenumlage keine feste Absatzmenge bestimmt, sollte eine Einmalzahlung zur endgültigen Kostendeckung vertraglich festgelegt sein. Falls das nicht der Fall ist und das Entgelt in Summe unverhältnismäßig niedrig zu den wirklichen Entwicklungskosten ausfällt, ist ein Ansatz als eigenständiger Vermögensgegenstand nicht mehr zulässig. In dem Fall müsste die Zuordnung zu den Sondereinzelkosten der späteren Serienfertigung erfolgen.

 

Fazit

Um die richtige Bilanzierung von Entwicklungsleistungen zu gewährleisten, muss die Leistung des Auto­mobilzulieferers anhand des vorgestellten Schemas charakterisiert werden. Die unterschiedlichen Ausweismöglichkeiten haben auch unterschiedliche Behandlungen sowohl im Bereich der Zugangs- als auch der Folgebewertung zur Folge. Die Behandlung nach Handelsrecht und Steuerrecht kann durchaus unterschiedlich sein.   

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Prof. Dr. Bernd Keller

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, IT-Auditor IDW

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