Wachstumsmarkt: M&A-Aktivitäten in China

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Das Interview mit Dr. Thilo Ketterer (Rödl & Partner) führte Anna Ereth (GoingPublic Media AG)  
 

Im bisherigen Jahresverlauf gab es wieder einige Fälle von Distressed M&As, bei denen chinesische Investoren deutsche Mittelständler übernommen haben (z.B Metz-Skyworth, OHE Mining – Huahai Machinery, Carl Mertens – Sichuan Liuhe Forging). Sehen wir hier die Rückkehr eines Trends zur Schnäppchenjagd?

 
Ich möchte ungern von „Schnäppchenjagd” sprechen. Tatsächlich haben die chinesischen Investoren meist insolvente Unternehmen übernommen, die sich am Markt alleine nicht durchsetzen konnten. Bislang ist die Resonanz aus diesen Unternehmen immer gut – chinesische Investoren zerschlagen das Unternehmen nicht, sondern investieren in Forschung und Entwicklung und den Erhalt der Standorte. Vielleicht hätten diese betroffenen Unternehmen einfach bereits früher strategische Partnerschaften mit den chinesischen Global Players eingehen sollen? Bedenken Sie bitte das Gesetz der Großen Zahl! 1% von 1 Mrd. ist immer noch 10 Millionen. Wer 10 Millionen Kunden ansprechen kann, überlebt – unabhängig davon, wie technisch ausgefeilt oder innovativ das eigentliche Produkt ist. Deutsche mittelständische Unternehmen sollten deshalb ihre globale Position prüfen und ggfs. strategische Allianzen eingehen. Es müssen ja nicht unbedingt chinesische Firmen sein, wenngleich derzeit diese auf der Überholspur sind. Bei Metz wurde ja auch einige Zeit gemunkelt, Apple möchte einsteigen. Warum ist das nicht erfolgt?
 

Früher haben chinesische Investoren insbesondere auf Targets in der Maschinenbau- und Automobilindustrie abgezielt. In den letzten Monaten gab es einige Übernahmen und Beteiligungen in den Bereichen Konsumgüter, Internet und Chemie zu verzeichnen. Ist hier eine Branchenrotation zu beobachten?

Wenn man mit Vertretern der chinesischen Industrie oder Regierungsangehörigen spricht, wird man als erster auf die Industrie 4.0 angesprochen. Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau aber auch Automobilzulieferer bleiben weiterhin im Fokus. Von einem Strategiewechsel auszugehen, wäre sicherlich falsch. Gleichzeitig wächst die chinesische Mittelschicht stark und will natürlich auch am „gefühlten” Wohlstand teilnehmen.
 
Ein Beispiel zur Konsum- und Touristikbranche: Derzeit geht man davon aus, dass rd. 100 Millionen Chinesen pro Jahr in das Ausland reisen. In den nächsten 10 Jahren sprechen die Prognosen von einer Verdoppelung, also rd. 200 Millionen Chinesen, die das Ausland besuchen werden. Top-Destinationen sind dabei Frankfurt, München und Berlin. Auch wenn nicht alle Chinesen nur nach Deutschland kommen werden – Griechenland ist ganz nebenbei gesagt auch eins der von Chinesen viel besuchten Ziele, es gilt das Gesetz der großen Zahl. Die deutsche Touristikbranche und alle damit verbundenen Dienstleister würden gut tun, sich auf diesen Ansturm einzustellen. Chinesische Reisende möchten genauso wie deutsche Urlauber auf gewohnte Annehmlichkeiten nicht verzichten. So wie wir unsere frischgebackenen Semmeln (oder in Norddeutschland „Schrippen”) am Frühstückstisch wünschen, wünschen sich chinesische Reisende ihre gewohnte Mahlzeit. Touristikdestinationen und -unternehmen sollten deshalb auch verstärkt Kulturwirte und Sinologen in Ihre Belegschaft aufnehmen, so dass ein allgemeines Verständnis für die chinesische Kultur geschaffen wird. Dementsprechend können wir nur empfehlen, dass Deutschland sich gesamt auf den Wechsel einstellt und Kinder bereits frühkindlich sprachlich gefördert werden.
 
Hinsichtlich Internet gilt, dass die chinesische Regierung eigene Pläne für das Internet verfolgt. Weltweit steht die VR China auf den hinteren Plätzen, was die Geschwindigkeit im Internet betrifft. Das liegt nicht nur an der staatlichen Überwachung, sondern auch zu einem großen Teil an der Masse der Nutzer. Die chinesische Regierung will dies verbessern und plant gigantische Investitionen in schnelle Internetverbindungen. Dementsprechend benötigen Sie Knowhow und das wird gerne im Ausland eingekauft.
 

Im chinesischen Finanzdienstleistungssektor herrscht Anlagedruck. Sind aus diesem Sektor in Europa verstärkt Investitionen zu erwarten?

Die jüngsten Kurseinbrüche an den Börsen Shanghai und Shenzhen haben sicherlich einiges an Ernüchterung am chinesischen Kapitalmarkt hervorgerufen. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass die VR China weiterhin ein Land mit starken Kapitalmarktregulierungen ist. Devisenexporte sind nur im begrenzten Umfang möglich. Investitionen in ausländische Unternehmen – insbesondere strategisch bedeutende Unternehmen – dürfen nur nach Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörden erfolgen. Anderseits dürfen aus den erwähnten Gründen – allgemeine Wohlstandsverbreitung, Förderung von Umwelt und Hightech-Industrie auch sicherlich die Notwendigkeit bestehen, in Europa zu Investieren. Zuletzt möchte ich auch die „Initiative der Neuen Seidenstraße” erwähnen. Die chinesische Überlegung ist hier, dass an den Routen der Seidenstraße der Handel floriert. Hierzu werden aber zunächst Investitionen erforderlich, die China auch bereit ist, zu tätigen – vergleichen Sie nur das bereits bestehende Investment in den griechischen Hafen von Piräus – Zugang zu Europa aber auch zu den Mittelmeeranrainern!
 

Ein weiterer neuer und gewichtiger Player in Europa sind chinesische Staatsfonds. CIC hat jüngst Interesse an dem Raststättenbetreiber Tank & Rast gezeigt. Rechnen Sie auch hier mit stärkeren M&A-Aktivitäten?

Selbstverständlich, wollen chinesische Staatsfonds oder Anleger mit staatlichem Hintergrund gerne in langfristige Infrastrukturprojekte mit verlässlicher Rendite investieren. Investitionen in amerikanische Staatspapiere führten ja zu einer gewissen Ernüchterung! Aber die Investitionen werden sicherlich nicht nur dazu bestimmt sein, um deutschen Autofahrern eine angenehme Reise zu ermöglichen! Blicken wir nach Großbritannien – dort hat China mit der britischen Regierung ausgehandelt, die britischen Atomkraftwerke zu übernehmen, jedoch ist der Einspeisetarif quersubventioniert und bis zu 50% der Ersatzteile dürfen zukünftig aus der VR China stammen. Als Kaufmann begrüße ich die Öffnung von beschränkten Märkten, als Wirtschaftsprüfer aber empfehle ich ein genaues Hinschauen und vor allem: Verkaufe niemals Deine Core Assets.
 
 
zuletzt aktualisiert am 07.10.2015

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Dr. Thilo Ketterer

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