Stromaustauschsaldo Deutschland 2024

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​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 19. März 2025

Der Stromimportüberschuss im Jahr 2024 von rund 28 TWh hat in der Öffentlichkeit für große Diskussionen gesorgt, obwohl dieser nur einen marginalen Anteil von 6 Prozent​​​ des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland (etwa 646 TWh) ausmacht. Der Stromimport und -export zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten ist ein gängiger Prozess, der seit jeher in alle Richtungen erfolgt. Im Mittelpunkt steht die Schaffung eines kosteneffizienten grenzüberschreitenden Strommarkts, von dem alle beteiligten Staaten profitieren. Der Importüberschuss liefert daher keine Rückschlüsse auf die Versorgungssicherheit Deutschlands, die zu keinem Zeitpunkt gefährdet war.

Dieses Dokument soll die vollständige Entwicklung sowie die Einordnung der Stromimporte und -exporte Deutschlands darstellen und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen ermöglichen.


Grenzüberschreitender Stromhandel und Reservekraftwerke (bisher)

In Europa wird Strom grenzüberschreitend gehandelt, wodurch er dort produziert wird, wo die Erzeugungskosten am niedrigsten sind. Dies fördert den effizienten Handel sowie die Nutzung kostengünstiger Energiequellen über nationale Grenzen hinweg. Stromimporte und -exporte stehen daher in keinem Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit.

Deutschland verfügt grundsätzlich über eine hohe Versorgungssicherheit. Für den Ausnahmefall eines drohenden Stromausfalls stehen aktuell konventionelle Reservekraftwerke bereit, die ausschließlich als Notfallreserve dienen und nicht genutzt werden dürfen, um kurzfristige Strompreisspitzen abzufedern. Diese Reservekraftwerke werden erst bei einem Strompreis von 4.000 €/MWh aktiviert (zum Vergleich: Während der Dezember-Dunkelflaute lag der Strompreis zu Spitzen bei 963 €/MWh).1 Wird die Strompreisgrenze einmal erreicht, so wird sie für die Zukunft weiter angehoben, um den Marktmechanismen Rechnung zu tragen (Iin der Vergangenheit lag diese Grenze zeitweise bei 3000 €/MWh). Diese Anpassung ist notwendig, da sich die Strompreise mit dem Ausbau erneuerbarer Energien immer dynamischer entwickeln. Die Festlegung einer Strompreisgrenze sorgt dafür, dass der Markt nicht verzerrt wird und die Preisfindung weiterhin marktwirtschaftlichen Prinzipien folgt. Faktisch ist der Strommarkt am effizientesten, wenn er in der Lage ist, die Nachfrage eigenständig zu decken. Dies ermöglicht eine optimale Nutzung der Kraftwerkskapazitäten und eine effektive Integration der Nachfrageflexibilität.2

Aufgliederung des Stromaustauschsaldo 2024 nach Ländern und Energieträgern

Die Daten des grenzüberschreitenden Stromhandels für 2024 zeigen insgesamt ein Stromaustauschsaldo von etwa 28 TWh, das als Stromimportüberschuss betrachtet werden kann. Dieses ergibt sich aus der Differenz zwischen den Stromimporten (rund 77 TWh) und den Stromexporten (rund 49 TWh). In Abbildung 1 wird deutlich, dass Deutschland im Saldo am meisten Strom aus Frankreich importiert hat, gefolgt von Dänemark, der Schweiz und Norwegen, während im Saldo am meisten Strom nach Österreich exportiert wurde.

Abbildung 2 zeigt die Exporte und Importe Deutschlands mit den Nachbarländern getrennt voneinander. Es ist erkennbar, dass Deutschland tatsächlich am meisten Strom aus Dänemark bezogen hat, gefolgt von Frankreich. Gleichzeitig hat Deutschland jedoch mehr Strom nach Dänemark exportiert als nach Frankreich, was dazu führt, dass der Nettoimport aus Dänemark geringer ausfällt als der Nettoimport aus Frankreich.

In Abbildung 3 ist der Energieträgeranteil des deutschen Stromimports dargestellt. Im Jahr 2024 lag der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix der Importmenge bei etwa 48 Prozent, gefolgt von der Energieerzeugung aus Kernkraft mit rund 28 Prozent.

Abbildung 1: Daten der Bundesnetzagentur (SMARD) - Der Strommarkt im Jahr 2024​3

Abbildung 2: Daten der Bundesnetzagentur (SMARD) - Der Strommarkt im Jahr 20243


 

Abbildung 3: Daten der Bundesnetzagentur (SMARD) - Der Strommarkt im Jahr 20243


Entwicklung des Stroaustauschsaldo

Um den aktuellen Stromaustauschsaldo Deutschlands und die diesjährige hohe Stromimportmenge gänzlich zu bewerten, ist ein Blick auf die historische Entwicklung des Stromaustauschsaldo unerlässlich. Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch den wirtschaftlich attraktiven Ausbau erneuerbarer Energien sowie die ökonomisch begründete Abschaltung konventioneller Kraftwerke geprägt.

Hier werden die Werte der grenzüberschreitenden physikalischen Stromflüsse dargestellt, die etwas niedriger ausfallen als die des grenzüberschreitenden Strommarktes. Dies ist notwendig, da die Daten für den grenzüberschreitenden Strommarkt erst ab 2015 mit der Einführung des sogenannten Market Coupling auf europäischer Ebene verfügbar sind.

 
Abbildung 4: Energy-Charts: Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland | Import Saldo4


1990-2000: ausgeglichenes Stromaustauschsaldo 

Ab 2000: zunehmendes Stromexportland

Der Ausbau erneuerbarer Energien, der fortgesetzte Betrieb konventioneller Kraftwerke sowie die anfangs geringen bzw. nicht vorhandenen Preise für Emissionszertifikate ermöglichten es Deutschland, eine große Menge Strom zu attraktiven und wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren und diesen in Nachbarländer zu exportieren.
 

2017: Stromexport-Maximum

Ab 2017: Abnahme des Stromexports

Deutschland hat schrittweise mit der Abschaltung konventioneller Kraftwerke begonnen, was im Zuge des wachsenden Ausbaus erneuerbarer Energien eine sinnvolle Maßnahme darstellt. Gleichzeitig führen die deutlich steigenden Preise für Emissionszertifikate zunehmend zu einer wirtschaftlichen Erschwernis der Stromproduktion mittels Kohlekraftwerke und erschweren somit auch die Wirtschaftlichkeit des Stromexport.
 

2022: Ausreißer Jahr

Infolge der Energiekrise und des Ausfalls zahlreicher Kernkraftwerke in Frankreich aufgrund von Störungen und Wartungsarbeiten stiegen die Strompreise in ganz Mitteleuropa stark an. Dies ermöglichte es Deutschland, trotz hoher Preise für Emissionszertifikate, die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken wieder hochzufahren und ein exportstarkes Jahr zu verzeichnen.
 

2023-2024: zunehmendes Stromimportland

Der in den letzten beiden Jahren beobachtete Wandel hin zu einem Importüberschuss ist im Wesentlichen auf die deutlich rückläufige Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken sowie auf die Abschaltung von Atomkraftwerken zurückzuführen. Diese Entwicklungen resultieren einerseits aus politischen Maßnahmen, andererseits jedoch maßgeblich aus den stark gestiegenen Preisen für CO₂-Emissionszertifikate, die die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern erheblich verteuern. In diesem Kontext ist die Teilnahme am Strommarkt für konventionelle Kraftwerke, wie Kohle- und Gaskraftwerke, wirtschaftlich unattraktiver geworden – Kohlestrom- und insbesondere Strom aus Gaskraftwerken ist einfach weniger wettbewerbsfähig. Darüber hinaus sind die Entwicklungen der Gaspreise sowie der Preise für Braun- und Steinkohle zu berücksichtigen, die im Zuge der Energiekrise der letzten Jahre eine außergewöhnliche Volatilität und ein hohes Preisniveau aufwiesen.​5

Zukunft? – geplanter Ausbau erneuerbarer Energien & „Back-up“-Fähigkeit

Die derzeit hohen Stromimporte werden kein dauerhafter Zustand sein. Mit dem kontinuierlichen Ausbau erneuerbarer Energien werden wir in Zukunft zunehmend größere Menge an günstigen Strom produzieren. Gleichzeitig erleben wir einen sogenannten 'Batteriespeicher-Tsunami', wie der SPIEGEL die Entwicklung betitelte.6 Die Kombination aus beidem beiden Entwicklungen ermöglicht, künftig noch mehr Strom zu exportieren (beispielsweise günstigen PV – Strom, da er günstiger als in Nachbarländern bestehende fossile oder nukleare Erzeugung ist) und gleichzeitig weniger von Importen abhängig zu sein.

 
Überlegungen im Hinblick auf 2025:

Der geplante Zubau an erneuerbaren Energien gestaltet sich für das Jahr 2025 wie folgt:

  • Solar: 15 GW (erwartete zusätzliche Erzeugung: +13 TWh)
  • Wind-Onshore: 5 GW (erwartete zusätzliche Erzeugung: +8,5 TWh)
  • Wind-Offshore: 1,8 GW (erwartete zusätzliche Erzeugung: +5 TWh)
 
Insgesamt ergibt sich eine erwartete zusätzliche Erzeugung von rund 26,5 TWh, was in etwa dem Importsaldo von 2024 entspricht. Natürlich ist nicht anzunehmen, dass sich diese Menge vollständig auf den Importsaldo auswirkt, da gleichzeitig die Kohleverstromung reduziert wird und ein Anstieg des Strombedarfs zu erwarten ist. Dennoch verdeutlicht dies die Richtung, in die wir uns langfristig entwickeln.7
 
Um in einem dekarbonisierten Stromsystem mit einem nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien bestehenden Strommix langfristig die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, ist zusätzlich zum grenzüberschreitenden Stromhandel und den Batteriespeicherkapazitäten ein „Technologiemix mit Back-up-Fähigkeiten“ geplant. Konkrete Umsetzungsideen hierzu werden im August 2024 veröffentlichten Entwurf „Strommarktdesign der Zukunft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz genannt. In Zukunft wird die Grundlasterzeugung, die bislang durch fossile Großkraftwerke bereitgestellt wurde, schrittweise durch Photovoltaik- und Windenergieanlagen ersetzt. Es bedarf daher Technologien, die sowohl kurzfristig als auch langfristig eine hohe Flexibilität aufweisen, um die Stunden zu überbrücken, in denen weder Sonne noch Wind verfügbar ist.​8
Für diesen Zweck kommen Gaskraftwerke infrage, die im Gegensatz zu Atom- oder Kohlekraftwerken eine hohe Flexibilität bieten und kurzfristig hoch- oder heruntergefahren werden können. Darüber hinaus ermöglichen sie eine klimaneutrale Stromerzeugung, indem perspektivisch grüner Wasserstoff als Energieträger genutzt wird. Dieser kann in Zeiten besonders hoher Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windenergie durch Elektrolyse gewonnen werden.5 Trotz der vergleichsweise hohen Energieverluste während dieses Prozesses bleibt das Modell vielversprechend, da die Stromnachfrage in genau diesen Phasen häufig gering ist. Die Umwandlung von überschüssigem Strom in Wasserstoff ist daher nicht nur kosteneffizient, sondern leistet auch einen Beitrag zur Netzstabilität.


Entwicklung der Preise der Emissionszertifikate

Das Europäische Emissionshandelssystem (EU ETS 1) umfasst europaweit alle großen Anlagen der Energiewirtschaft sowie weitere Anlagen der energieintensiven Industrie. Es stellt ein europaweites Handelssystem für Emissionszertifikate dar, die es den Unternehmen, die sie besitzen, ermöglichen, Emissionen auszustoßen. Ziel des Systems ist es, wirtschaftliche Anreize zur Emissionsminderung zu schaffen. Seit 2018 ist ein deutlicher Anstieg der Preise auf diesem Markt zu verzeichnen, wodurch die Stromproduktion mit konventionellen Kraftwerken zunehmend unattraktiv wird. In Zukunft ist aufgrund der abnehmenden Anzahl verfügbarer Emissionszertifikate mit einem weiteren Preisanstieg zu rechnen.

 
Abbildung 5: Energy-Charts: Jährliche Börsenstrompreise in Deutschland | CO2 Emissionszertifikate, Auktion DE​9


Entwicklung der durchschnittlichen Börsenstrompreise

Im Jahr 2024 sind die durchschnittlichen Börsenstrompreise (Day-Ahead-Auktionen) im Vergleich zum Vorjahr um rund 16 Prozent auf 79,37 €/MWh gesunken. Gegenüber dem Energiekrisenjahr 2022 beträgt der Rückgang sogar etwa 66 Prozent und im Vergleich zum Jahr 2021 wurde ein Rückgang von rund 18 Prozent verzeichnet. Dies erfolgte trotz der Tatsache, dass die Importmengen im Jahr 2024 ihr Maximum erreichten.

Abbildung 6 verdeutlicht die außergewöhnlich hohen durchschnittlichen Börsenstrompreise im Jahr 2022. In diesem Jahr erreichten die Strompreise in ganz Mitteleuropa Rekordwerte, sodass es trotz hoher Emissionszertifikatspreise wirtschaftlich rentabel war, Strom mit Kohlekraftwerken zu produzieren und zu exportieren (vgl. Exportausreißer-Jahr).

Abbildung 6: Energy-Charts: Jährliche Börsenstrompreise in Deutschland | Day Ahead Auktion (arithmetisch) (DE-LU)10


Fazit:

Stromimporte sind gut. Sie dienen letztendlich zur marktgerechten Bedienung des heimischen Strommarktes zu Zeitpunkten, in denen Strom eben günstiger im Ausland zu erwerben ist. Die Mengen sind klar überschaubar. Beim Kraftwerkspark in Deutschland besteht zu diesen Zeitpunkten kein Anlass zur Sorge in Bezug auf die Versorgungssicherheit, sondern die Gesamtheit der Stromverbraucher sollte dies als normales Einkaufsgeschehen verstehen. Perspektivisch sollten wir daran arbeiten, die europäischen Märkte noch kooperativer zu gestalten, um letztendlich den günstigsten Strom in allen Märkten zu realisieren.


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