Generalunternehmer – GU sein oder nicht sein – das ist hier die Frage!

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​veröffentlicht am 2. November 2021

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Oberlandesgericht Nürnberg zum Vorliegen einer Generalunternehmerschaft (Urteil vom 24.9.2020, Az.: 13 U 2287/18; rechtskräftig seit Beschluss des BGHs vom 8.4.2021, Az.: VII ZR 177/20)

 

So ein Generalunternehmer ist schon praktisch: Alles stammt „aus einer Hand”, es gibt nur einen Ansprechpartner, jegliche Koordinationsarbeiten übernimmt der GU. Der Auftraggeber kann sich sozusagen entspannt zurücklehnen. Das dachte sich wohl auch der Kläger des im Frankenland entschiedenen Falles.

 

Der Sachverhalt

Die Parteien hatten einen Werkvertrag geschlossen und stritten nun über Gewährleistungsansprüche. Soweit keine Seltenheit. Gegenstand der Beauftragung waren Umbau- und Sanierungsarbeiten am privaten Hallenschwimmbad des Klägers. Auf die vereinbarte Pauschalvergütung hatte er bereits einen erheblichen Teil gezahlt. Im Verlauf der Arbeiten hatten die Parteien darüber hinaus mündlich vereinbart, dass die Beklagte, neben weiteren Leistungen, den unter dem ursprünglichen Fliesenboden der Schwimmhalle liegenden Estrich aus- und einen neuen Estrich einbauen sollte. Hierüber stellte die Beklagte dann auch eine gesonderte Rechnung. Diese Rechnung bezahlte der Kläger allerdings nicht.

 

Neben der Beklagten waren auf der Baustelle im Haus des Klägers noch weitere Firmen mit je eigenen Gewerken beschäftigt. Diese waren vom Kläger direkt beauftragt worden. Nachdem sämtliche Arbeiten abgeschlossen waren, machte der Kläger verschiedene Mängel an unterschiedlichen Gewerken geltend. Er leitete deshalb schließlich zunächst ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in dessen Verlauf durch einen Sachverständigen mehrere Gutachten — schriftlich und mündlich — erstattet wurden. In den Gutachten wurden für die Gesamtbaustelle verschiedene Mängel festgestellt. Diese ließ der Kläger allesamt beseitigen und machte anschließend die hierfür verauslagten Kosten gegenüber der Beklagten geltend. Der Kläger meinte, die Beklagte sei „als eine Art“ Generalunternehmer beauftragt worden und könne deshalb für alle Mängel in die Verantwortung genommen werden. Sie hafte zudem aus sogenannter Prospekthaftung, weil sie in ihrem Werbeprospekt Leistungen aus einer Hand verspreche und der Kläger hierauf vertraut habe. Dem trat die Beklagte erwartungsgemäß entgegen. So landete der Fall vor dem Oberlandesgericht Nürnberg.

 

Die Entscheidung

Nach Ansicht der fränkischen Richter ist die Beklagte im Bauvorhaben „Hallenschwimmbad” kein Generalunternehmer und haftet demnach auch nicht als ein solcher. Der Vortrag des Klägers, mit dem er eine Generalunternehmerstellung der Beklagten begründen wollte, sei vor allem eines: unschlüssig.

Als Generalunternehmer werde angesehen, wer zunächst einmal die Durchführung sämtlicher zu einem Bauvorhaben erforderlichen Leistungen übernommen hat. Diese kann er dann wiederum selbst oder durch Subunternehmer ausführen. Im Verhältnis zum Besteller ist der Generalunternehmer ein Alleinunternehmer. Mit den Verträgen der Subunternehmer hat der Auftraggeber demnach nichts zu tun. Diese bestehen alleine zum Generalunternehmer.

 

Hieran gemessen sei die Beklagte im vorliegenden Falle kein Generalunternehmer, so das Oberlandesgericht. Der beschränkte Umfang der von der Beklagten geschuldeten Leistungen ergebe sich im Einzelnen aus dem ursprünglichen (schriftlichen) Auftrag sowie aus dem weiteren mündlichen Auftrag, der in der gesonderten Rechnung abgerechnet worden ist. Aus beidem folge gerade nicht, dass die Beklagte als umfassend beauftragter Generalunternehmer hätte fungieren sollen. Der Kläger selbst sei offenkundig — zu Recht — von einer Generalunternehmerstellung der Beklagten nicht vollends überzeugt, denn er formuliere bereits in der Klageschrift, dass die Beklagte (lediglich) „als eine Art” Generalunternehmer beauftragt worden sei. Es sei unstreitig, dass der Kläger selbst die anderen auf der Baustelle tätigen Unternehmen beauftragt habe. Daran ändere nichts, dass der Kläger zugleich behauptet, durch ihn sei lediglich die „offizielle Auftragserteilung” erfolgt. Denn das bedeute nichts anderes, als dass der Kläger eben die weiteren Aufträge selbst erteilt habe und damit Vertragspartner der einzelnen Gewerke wurde. Soweit der Kläger weiter anführt, die Beklagte habe ihm Empfehlungen bezüglich der weiteren zu beauftragenden Unternehmen gegeben, begründe auch dies keinen Generalunternehmerstatus der Beklagten. Soweit die Beklagte die Leistungen der anderen Unternehmen mit diesen abgesprochen habe oder diesen Unternehmen auf der Baustelle „Anweisungen” gegeben haben könnte, belege dies allenfalls, dass sich die Beklagte um die Koordination der verschiedenen Gewerke auf der Baustelle tatsächlich gekümmert hat. Bearbeiten verschiedene Firmen auf einer Baustelle verschiedene Gewerke zeitgleich oder zeitlich ineinandergreifend, sei eine Abstimmung der am Bau Beteiligten nun einmal erforderlich. Der Vollzug dieser notwendigen Abstimmung führe aber nicht dazu, dass daran mitwirkende Unternehmen dadurch zu Generalunternehmern würden, die den von anderen Unternehmern gegenüber dem Bauherrn geschuldeten Werkerfolg wie einen eigenen zu verantworten hätten. Ebenso wenig könne der Kläger mit dem Argument überzeugen, die „vertragliche Abwicklung” der anderen Gewerke sei — was immer das bedeuten soll — „über und mit der Beklagten” erfolgt.

 

Selbst wenn die Beklagte einen Einzelauftrag untervergeben hätte, begründe dies ebenfalls keine allgemeine Generalunternehmerstellung der Beklagten für alle Gewerke, sondern lediglich für die Leistung des konkret beauftragten Subunternehmers, soweit sich die Beklagte eben dieses Subunternehmers zur Erfüllung bestehender Leistungspflichten gegenüber dem Kläger bedient haben sollte. Diese Arbeiten der Subunternehmerfirma spielten aber für die streitige Sachmängelgewährleistung keine entscheidungserhebliche Rolle.

 

Die weitere klägerische Argumentation, die Beklagte hafte aufgrund ihrer Werbebroschüre „aus Prospekthaftung”, weil der Kläger darauf vertraut habe, dass sie die Baustelle leite, hat das Gericht angesichts des klaren Inhalts der zwischen den Parteien tatsächlich getroffenen und schriftlich dokumentierten Vereinbarungen ebenfalls nicht überzeugt. Die von beiden Seiten unterschriebene, mit „Auftragsbestätigung” überschriebene Vertragsurkunde begründe die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde und des dort niedergelegten Vertragssolls. Diese Vermutung folge aus dem Erfahrungssatz, dass das, was die Vertragsparteien in der Urkunde aufgenommen haben, ihre Abreden richtig und vollständig widerspiegele. Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde wirke sich bei der Auslegung des Vereinbarten dahingehend aus, dass die Partei, die ein ihr günstiges Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, diese zu beweisen habe. Tatsachen, aus denen sich eine über den Inhalt der in der beiderseits unterzeichneten Auftragsbestätigung enthaltenen Leistungen hinausgehenden Vereinbarung der Verpflichtung der Beklagten als für alle sonstigen Gewerke verantwortliche Generalunternehmerin ergebe, habe der Kläger schon nicht schlüssig vorgetragen, geschweige denn bewiesen.

 

Fazit

Wer als Auftraggeber also die Annehmlichkeiten eines Generalunternehmers für sich in Anspruch nehmen möchte, muss auch einen Vertrag über eben diese Konstellation abschließen. Andernfalls bleibt es dabei, dass Gewährleistungsansprüche gegen jedes einzelne Gewerk geltend gemacht werden müssen. Übrigens: Der Generalunternehmer bringt nicht nur Vorteile mit sich; schließlich will er sich den Koordinationsaufwand in aller Regel auch gut bezahlen lassen.


 

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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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