Stadtwerke und klimaneutrale Kommune – Stadtwerke als Vorreiter für lokale Klimaschutzprojekte

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veröffentlicht am 1. Juli 2022, aktualisiert am 1. September 2022

 

 

 

Klimaneutralität in einer Kommune ist mit einem umfangreichen Umbau der Infrastruktur verbunden. Die Festlegung ambitionierter Klimaziele ist ein wichtiger erster Schritt, aber die Erarbeitung eines Maßnahmenplans muss folgen und die größte Herausforderung ist die Umsetzung der Maßnahmen. Stadtwerke haben hier eine Schlüsselrolle, um diesen Transformationsprozess anzustoßen, die erforderlichen Investitionen zu tätigen und nachhaltige Lösungen anzubieten.

 

Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und die Begrenzung der Erderwärmung hat sich von einem grünen Thema hin zum Mainstream entwickelt. Über alle demokratischen Parteien hinweg ist ein breiter Konsens entstanden, dass Klimaschutz nicht mehr nur als nötige Pflicht betrachtet wird, sondern viele auch bereit sind, international eine Vorreiterrolle einzunehmen.

 

Zahlreiche Kommunen haben bereits ambitionierte Klimaschutzziele beschlossen und das Erreichen der Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 in der eigenen Kommune vorgezogen. Auch auf Unternehmensebene hat z. B. E.ON die eigene Klimaneutralität bis 2040 zugesagt.

 

Es ist sicherlich hilfreich, durch solche Ziele die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen anzuregen. Allerdings sollte nicht verkannt werden, dass die ambitionierten Klimaziele auch mit Maßnahmen hinterlegt werden, damit diese glaubwürdig sind. Denn auch E.ON musste bereits schmerzlich feststellen, dass ambitionierte Ziele, die nicht mit nachvollziehbaren Aktivitäten unterlegt werden, eher nach hinten losgehen und diese dann als Greenwashing eingeordnet werden.

 

Bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen können die lokalen Stadtwerke ihre Rolle als lokaler Vorreiter für Klimaschutz ausspielen. Genau in den Sektoren, wo Veränderungen erforderlich sind, Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, Aufbau einer nachhaltigen Wärmeversorgung, dezentrale Quartierslösungen, Elektrifizierung der Mobilität, Markthochlauf für Wasserstoff und Netzaus- und -umbau sind die Bereiche, in denen Stadtwerke aktiv sind und einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten können.

 

 

 

 

Um den Umfang der Maßnahmen und die anzustrebenden Ziele methodisch zu hinterlegen, ist es vorteilhaft, zu Beginn eine Klimabilanz zu erstellen, um sich einen Überblick zu verschaffen, wo die größten Emissionsquellen zu finden sind und welche Optionen zur Minimierung bestehen. Dabei reicht es auch nicht aus, nur die direkten Emissionen (Scope 1) und die Emissionen der verbrauchten Energieträger (Scope 2) zu erfassen, sondern auch die Emissionen aller vor- und nachgelagerten Prozesse (Scope 3) sollten erfasst werden.

 

Ansonsten würden wesentliche Emissionen ausgeblendet, die auch für das Erreichen von Klimaneutralität relevant sind. Dabei kann es zwar zu Doppelerfassungen kommen, wenn ein Akteur diese als direkte Emissionen berücksichtigt und ein anderer Akteur diese z. B. als Emissionen eines vorgelagerten Prozesses erfasst. Hintergrund ist hier, dass nicht die Ergebnisse aller Klimabilanzen (einschließlich Scope 3) aufaddiert und eine Gesamtbilanz erstellt werden soll. Stattdessen soll mit Berücksichtigung der Emissionen von vor- und nachgelagerten Prozessen auf die Einflussmöglichkeiten hingewiesen und aufgezeigt werden, dass die Unternehmen z. B. durch Beschaffung von nachhaltigen Produkten zur Treibhausgasminderung beitragen und letztlich auch durch ihren Einkaufs- bzw. Entsorgungsprozess für die zugehörigen Emissionen verantwortlich sind.

 

Wenn Kommunen und Stadtwerke ihre Hausaufgaben gemacht haben, sollten eine Strategie und ein Maßnahmenplan entwickelt werden, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und in Richtung Klimaneutralität zu lenken. Stadtwerke können hier als lokales Infrastrukturunternehmen und als Energiedienstleister eine Schlüsselrolle übernehmen. Denn für den klimaneutralen Umbau sind vielfältige Investitionen in nachhaltige Energiesysteme erforderlich. Dabei ist die größte Herausforderung, diese wirtschaftlich umzusetzen und dass dabei die Energiepreise bezahlbar bleiben.

 

Investitionsschwerpunkte sind:

Erneuerbare Stromerzeugung

Die Elektrifizierung wird nur gelingen, wenn die erneuerbare Stromerzeugung massiv forciert wird. Photovoltaik und Onshore-Wind sind prädestiniert für Stadtwerke, die lokale EE-Produktion mit marktgerechten Renditen auszubauen. Mit dem Ziel, 2 Prozent der Fläche in Deutschland für Windkraft auszuweisen, sollte die Verfügbarkeit von neuen Flächen für Windkraftanlagen zunehmen. Dies sollten Stadtwerke nutzen, um in das Geschäftsfeld Windkraft einzusteigen oder die Aktivitäten entsprechend auszubauen. Für die Photovoltaik bieten sich Chancen auf Freiflächen und als Aufdachanlagen sowie in Form von Eigenstromlösungen.

 

Quartierslösungen

Der Trend bei Energiesystemen geht weg von einzelnen Anlagen pro Gebäude. Stattdessen werden immer mehr Quartierslösungen angestrebt. Dabei kann sektorübergreifend konzipiert werden und die Versorgung mit Strom, Wärme aber auch Mobilität einschließlich Speicher integriert umgesetzt werden. Die Herausforderung ist in Bestandsquartieren ausreichend hohe Anschlussquoten zu erreichen. Auch in Neubaugebieten (z. B. als kalte Nahwärme) sind solche Lösungen nur wirtschaftlich gestaltbar, wenn in Form von einem Anschluss- und Benutzungszwang oder auf anderem Wege die erforderlichen Kundenzahlen gesichert werden.

 

Nachhaltige Wärmeversorgung

CO2-freie Wärmesysteme sind regelmäßig nur dann wirtschaftlich zu betreiben, wenn diese als Nah- oder Fernwärme umgesetzt werden können und nicht nur einzelne Gebäude versorgt werden. Hier ist der Auf- bzw. Ausbau von Wärmenetzen erforderlich. Ankerkunden (z. B. Schwimmbäder, Schulen, öffentliche Gebäude, Industriebetriebe) helfen hier, die hohen Systemkosten auf verschiedene Kundinnen und Kunden zu verteilen. Eine weitere Herausforderung ist ein CO2-freies System zu entwickeln, das wirtschaftlich gestaltet werden kann und für die Nutzerinnen und Nutzer bezahlbar bleibt.

 

Netzaus- und -umbau

Netze werden in einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft anders aussehen als heute. Die Bedeutung der Strom- und Wärmenetze wird zunehmen. Stromnetze werden für die zunehmenden Einspeisungen und Verbräuche ausgebaut werden müssen und digitale Lösungen z. B. für intelligente Steuerungsprozesse sollten implementiert werden. Die Bedeutung von Gasnetzen wird abnehmen. Deren Umbau für eine Wasserstoffnutzung wäre zu prüfen. Insgesamt wächst der Investitionsbedarf in Netze und wird auch erhebliche Finanzmittel binden.

 

Wasserstoff

Wasserstoff wird für industrielle Prozesse, für die Mobilität, für Backup-Kraftwerke und Gebäudewärme benötigt. Während die ersten 3 Anwendungsbereiche weitgehend unstreitig sind, gibt es kontroverse Debatten, ob der Wasserstoffeinsatz für die Gebäudewärme sich auf dezentrale Erzeugungsanlagen konzentrieren soll oder auch für Einzelanlagen in den Gebäuden zur Verfügung stehen sollte. Für die Wasserstofferzeugung kommen internationale Projekte oder der Aufbau von Elektrolyseuren mit lokaler regenerativer Stromerzeugung infrage. Wasserstoffprojekte sind aktuell noch Pilotprojekte für Nischenanwendungen, die aber mit dem Markthochlauf an Fahrt gewinnen werden. Stadtwerke können hier mit entsprechender Förderung erste Erfahrungen sammeln mit Pilotprojekten im Bereich Mobilität oder Wärme.

 

Elektrifizierung der Mobilität

Die zunehmende Verbreitung von E-Autos bietet für Stadtwerke die Chance, wirtschaftlich zu partizipieren und passgenaue Produkte zu entwickeln. Diese reichen von Rundum-Lösungen für E-Mobilisten sowie, Installation und Management von Ladelösungen über zugehörige Stromvertriebsprodukte oder Carsharing von E-Autos. Die Herausforderung ist hier insbesondere, mit diesen Produkten positive Erträge zu erwirtschaften.

 

Fazit

Klimaneutralität in einer Kommune kann nur dann erreicht werden, wenn umfangreiche Maßnahmen in den Bereichen Stromerzeugung, Wärme und Mobilität ergriffen werden. Stadtwerke spielen hier eine Schlüsselrolle, um diesen Transformationsprozess umzusetzen. Kapitalintensive Investitionen müssen gestemmt werden und entsprechende Finanzmittel müssen zur Verfügung stehen, um die nachhaltige Infrastruktur auf- und umzubauen. Denn die Festlegung ambitionierter Klimaziele ist nur ein erster Schritt auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität. Die Erstellung einer Klimabilanz und die Entwicklung und Umsetzung eines zugehörigen Maßnahmenplans werden folgen müssen, um die Ziele auch zu erreichen. Stadtwerke sind prädestiniert, die erforderliche Infrastruktur bereitzustellen und glaubwürdige Lösungen anzubieten.

 

 


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Dr. Matthias Koch

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