Die EU-Konzessionsrichtlinie – „Schlimmer als die Glühbirne“?

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​veröffentlicht am 1. März 2013

 

Die Zukunft der Wasser-versorgung gibt immer wieder Anlass für intensive Diskussionen in der Öffentlichkeit. Derzeit bewegt ein Richtlinienvorhaben Europa, das seit vielen Jahren äußerst umstritten ist.

 

​Während die Befürworter beruhigen und in der EU-Konzessionsrichtlinie lediglich das notwendige Schließen einer Regelungslücke im europäischen Vergaberecht sehen, verurteilen die Gegner das Werk als Privatisierungsinitiative für die Wasserversorgung durch die Hintertür. Wie die Diskussion auch ausgeht, mittel- und langfristig sollten sich Kommunen durchaus mit der strategischen Ausrichtung ihrer Wasserversorgung beschäftigen, wenn die Richtlinie tatsächlich wie geplant im Sommer in Kraft treten wird.

  
Inhalt und Stand der Dinge des Gesetzgebungsprozesses

Die EU-Konzessionsrichtlinie ist noch nicht verabschiedet. Ebenso wenig liegt die endgültige Fassung des Richtlinientextes vor und die Diskussion über die endgültige Formulierung der Richtlinie ist sicher noch nicht abgeschlossen. Sämtliche Diskussionen darüber sind deshalb derzeit noch mit einer gewissen Unsicherheit versehen. Das gilt sowohl für die Befürworter, als auch die Kritiker der Richtlinie.
  
Aktuell ist die Referenz nach wie vor der Vorschlag zu der Richtlinie (KOM (2011) 897 endgültig), der am 20. Dezember 2011 veröffentlicht wurde. Dieser Vorschlag ist eine weitere Überarbeitung eines zunächst erheblich umfangreicheren Textes. Die Richtlinie und ihre Regelungsintention sind seit vielen Jahren höchst umstritten. Die aktuell auch medial intensiv geführte Diskussion ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass am 24. Januar 2013 der EU-Binnenmarktausschuss über den Richtlinienvorschlag beraten und abgestimmt hat. Bei dieser Abstimmung wurde dem Vorschlag zugestimmt, dem Vernehmen nach sind allerdings gegenüber dem aktuellen Text Änderungen vereinbart worden.
  
Aus Sicht der Versorgungsunternehmen gewinnt die geplante Richtlinie besondere Bedeutung im Bereich der Versorgung mit Trinkwasser und wird unter diesem Gesichtspunkt seit Langem von den zuständigen Verbänden und Institutionen kritisiert. Die Richtlinie hat zum Ziel, eine Lücke im Europäischen Vergaberecht zu schließen und einen verbindlichen Rechtsrahmen für die Vergabe von Konzessionen aller Art (ausgenommen sind u.a. Konzessionen im Öffentlichen Personennahverkehr, für die die VO 1370/2007 gilt) vorzugeben. Auf diese Weise soll nach dem Verständnis der europäischen Institutionen mehr Rechtssicherheit und mehr Wettbewerb bei der Vergabe von Konzessionen erreicht werden. Die Versorgungsunternehmen insbesondere in Deutschland und Österreich sehen das vollkommen anders. Sie vermuten Klientelpolitik hinter der Richtlinie zur Privatisierung der Wasserversorgung auf mittlere Sicht. 
  
Die Verabschiedung des endgültigen Richtlinientextes wird für Sommer dieses Jahres erwartet. Danach wird die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen sein, bevor sie endgültig Wirksamkeit für die Versorgungswirtschaft in Deutschland erhält. 

  
Voraussichtliche Bedeutung der Richtlinie für die Wasserversorger in Deutschland

Die Richtlinie enthält Bestimmungen für die Verfahren von öffentlichen Auftraggebern bei der Vergabe von Konzessionen, deren geschätzter Vertragswert mindestens 5 Mio. EUR beträgt. Eine Ausnahme für die Konzession zur Versorgung mit Trinkwasser konnte bislang von den Vertretern der deutschen Wasserwirtschaft und den politischen Gegnern der Richtlinie nicht durchgesetzt werden.
 
Die Richtlinie verpflichtet die Kommunen, darin angelegtes formales Ausschreibungsverfahren zur Konzessionsvergabe durchzuführen (derzeit Art. 26ff.), wenn der o.g. Schwellenwert von 5 Mio. EUR erreicht wird. Die Berechnung des Vertragswerts ist wie so oft im Vergaberecht nicht eindeutig, die bisherige Regelungs- und Auslegungspraxis zeigt aber, dass dieser Wert meist sehr großzügig zu interpretieren ist, um eine möglichst breite Anwendbarkeit der Richtlinie sicherzustellen. 
  
Zudem sieht die Richtlinie derzeit vor, dass die Vergabe an mit der Vergabestelle verbundene Unternehmen durch ein formales Verfahren erfolgen muss, es sei denn die Voraussetzungen eines sog. Inhouse-Geschäfts liegen vor. Nach aktuellen Äußerungen des Binnenmarktkommissars Michel Barnier soll sich die Bemessung der dafür u.a. maßgeblichen Kriterien dabei allerdings nicht wie zunächst geplant auf den Gesamtumsatz eines Versorgungsunternehmens (also z.B. Strom, Gas und Wasser) beziehen, sondern ausschließlich auf die Umsätze der Wassersparte. Dieser Schwenk der Kommission kann eindeutig als Punktsieg der kommunalen Interessen gewertet werden. Die Kommission kommt den Kritikern aus Deutschland und Österreich damit einen wichtigen Schritt entgegen. 
      
Sollte dennoch im Einzelfall eine Inhouse-Vergabe ausscheiden, bliebe die Lösung in diesem Fall wohl tatsächlich nur die Ausschreibung und damit die beabsichtigte Herstellung des europaweiten Wettbewerbs. Oder die Kommune nutzt die derzeit diskutierte Übergangsfrist für eine Ausgliederung der Wassersparte aus dem Mehrspartenunternehmen und führt diese zurück in einen kommunalen Eigenbetrieb oder ein eigenständiges Kommunalunternehmen. Über die könnte sie dann „wie über eine eigene Dienststelle” verfügen.
 

Aktuelle Empfehlung und Handlungsbedarf 

Die Konsequenzen der EU-Konzessionsrichtlinie auf die Versorgungsstruktur mit Trinkwasser in Deutschland sind derzeit noch nicht vollständig absehbar. Insbesondere Versorgungsunternehmen mit privaten Anteilseignern sind sicher zu höherer Aufmerksamkeit aufgerufen als hundertprozentige kommunale Eigengesellschaften. Handlungsbedarf besteht allerdings für alle Unternehmen, sobald der endgültige Text der Richtlinie verabschiedet ist. Anlass zu übereilten Entscheidungen binnen Jahresfrist besteht dagegen sicher nicht. Dennoch sollte die Verabschiedung der Richtlinie sehr aufmerksam verfolgt und die dann verbindlichen Formulierungen individuell geprüft werden. Und ob die EU-Konzessionsrichtlinie tatsächlich schlimmer ist als die EU-weiten Regelungen zur Abschaffung der klassischen Glühbirnen wird auch erst dann wirklich zu beurteilen sein – wie es derzeit aussieht, wird es für die Mehrheit der Unternehmen wohl nicht ganz so schlimm werden.
  
Selbstverständlich werden wir Sie zu gegebener Zeit über den letzten Stand der Dinge informieren und voraussichtlich auch unsere erfolgreichen Werkstattgespräche speziell darauf zugeschnitten anbieten.

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Jörg Schielein

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