Zeitpunkt der Anschaffung eines Windparks

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Das niedersächsische Finanzgericht hat mit seiner Entscheidung vom 20. November 2013 (Az. 4 K 124/13) darüber geurteilt, zu welchem Zeitpunkt der Erwerber von Windkraftanlagen die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Wirtschaftsgüter erlangt und damit berechtigt ist, Abschreibungen vorzunehmen. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Personengesellschaft, deren Unternehmenszweck auf die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Energieerzeugung gerichtet ist. Mit Vertrag vom 8. Oktober 2003 hat das Unternehmen „L” mit der schlüsselfertigen Errichtung von fünf Windkraftanlagen beauftragt. Entsprechend dem Vertragswerk werden die Windkraftanlagen erst mit Feststellung der Mängelfreiheit durch ein entsprechendes Abnahmeprotokoll unter Übertragung der Gewährleistungsansprüche gegen die Vorlieferanten auf die Auftraggeberin übergehen.
 
Das Unternehmen „L” beauftragt ihrerseits mit Vertrag vom 6. Juni 2004 das Unternehmen „E” mit der Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Anlagen. Daraufhin setzte das Unternehmen „E” in der Zeit zwischen dem 2. November 2004 und dem 8. November 2004 die Windkraftanlagen in Betrieb. Am 8. September 2005 nahm das Unternehmen „L” die Anlagen von dem Unternehmen „E” ab. Die Einnahmen aus dem Betrieb der Anlagen flossen mit Beginn der Inbetriebnahme (ab November 2004) der Personengesellschaft zu und wurden von ihr in den Gewinnermittlungen für die Steuerjahre 2004 bis 2006 berücksichtigt. Die Windkraftanlagen wurden dabei als einheitliche Wirtschaftsgüter qualifiziert und nach einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 16 Jahren degressiven abgeschrieben. Daneben wurden Sonderabschreibungen gemäß § 7g EStG in Anspruch genommen. 
 
Das Finanzamt hat im Rahmen einer Außenprüfung eine Umqualifizierung der Windkraftanlagen dahingehend vorgenommen, dass statt einheitlicher Wirtschaftgüter von vier selbstständigen Wirtschaftsgütern (Zuwegung, Standort Windpark, Umspannwerk mit Netzkosten und Windkraftanlage) ausgegangen wurde. Darüber hinaus wurden die Abschreibungen nicht mit Beginn des 1. November 2004 anerkannt, sondern erst mit der Abnahme der Windkraftanlagen durch das Unternehmen „L” mit Wirkung zum 8. September 2005 berücksichtigt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist erst zu diesem Zeitpunkt aufgrund des erfolgten Abnahmeprotokolls von einer „Anschaffung” für Abschreibungszwecke auszugehen.
 
Dem gegenüber vertrat die Fondsgesellschaft die Ansicht, dass eine „Anschaffung” der Wirtschaftsgüter bereits im Jahr 2004 erfolgt sei, da die Erwerberin ab Inbetriebnahme der Anlagen bereits wirtschaftliche Eigentümerin geworden ist. Sie hat bereits die Einspeisevergütungen vereinnahmt und die Pachtzahlungen an die Grundstückseigentümer einschließlich der Versicherungsbeiträge alleine getragen. Der Umstand, dass die Bestätigung der Mängelfreiheit und damit die formelle Abnahme erst im September 2005 erfolgt ist, sei ohne Belang, weil die Bestimmung des Abnahmezeitpunkts alleine in ihrer - der Personengesellschaft - bzw. in der Hand des Unternehmens „L” gelegen habe. Darüber hinaus habe die Weitertragung der Gefahr durch die Veräußerin keine wirtschaftliche Bedeutung gehabt, weil diese finanziell überhaupt nicht in der Lage gewesen sei diese Gefahr zu tragen. 
 
Der erkennende Senat hat die zwischenzeitlich erhobene Klage gegen die steuerliche Behandlung durch das Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen. Die Abschreibungen auf die Windkraftanlagen sind zu Recht erst ab September 2005 zu gewähren, da erst zu diesem Zeitpunkt eine „Anschaffung” gemäß § 9a Einkommensteuerdurchführungsverordnung vorliegt. Der steuerliche Anschaffungszeitpunkt liegt vor, wenn der Erwerber eines Wirtschaftsgutes nach dem Willen der Vertragsparteien zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber in dem Sinne erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftliche Eigentümer anzusehen ist. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung erfordert dies den Übergang vom Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten. Sind am Bilanzstichtag nicht alle vorbezeichneten Merkmale erfüllt, Bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung der mit dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand verbundenen Chancen und Risiken. 
 
Die Personengesellschaft hat zwar bereits im November 2004 mit Aufstellung und Montage der Windkraftanlagen den Besitz in der Erwartung des Eigentumserwerbs erlangt und die Nutzungen aus den Wirtschaftsgütern gezogen, weil ihr die Einspeisevergütungen aus dem Betrieb der Anlagen endgültig zugeflossen sind. Allerdings weist das Finanzgericht darauf hin, dass die Erwerberin nicht bereits vor dem 8. September 2005 die mit den Wirtschaftsgütern verbundenen Lasten getragen hat. Die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Anlagen ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Klägerin übergegangen. Maßgeblich für den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs sind die zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen. Dementsprechend sah das Vertragswerk einen Gefahrenübergang erst mit der Feststellung der Mängelfreiheit und der Übertragung der Gewährleistungsansprüche vor. Diese sind entsprechend dem Abnahmeprotokoll erst am 8. September 2005 erfolgt. Die Tatsache, dass die Personengesellschaft den Kaufpreis für die Windkraftanlagen schon vor der Abnahme vollständig an das Unternehmen „L” gezahlt hat, führt nicht zu einem früheren Gefahrenübergang. 
 
In diesem Zusammenhang hat das Finanzamt auch die Aufteilung der Windkraftanlagen in vier selbstständige Wirtschaftgüter entsprechend der BFH-Entscheidung vom 14. April 2011 (Bundessteuerblatt II 2011, 696) berichtigt. Zutreffend geht das Finanzamt nunmehr lediglich von einer Aufteilung der Windkraftanlagen auf drei Wirtschaftsgüter (Windkraftanlage, Umspannwerk sowie Zuwegung) aus, sodass sich für die einzelnen Wirtschaftsjahre insgesamt höhere Abschreibungsbeträge als bei vier selbstständigen Wirtschaftsgütern ergeben.
 
Die Revision ist zugelassen worden, da die Frage, ob der ausstehende Übergang von Lasten und Gefahr trotz vorigen Übergangs von Besitz und Nutzungen tatsächlich dem Zeitpunkt der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes entgegensteht. Bevor der Bundesfinanzhof höchstrichterlich zu dieser für die Praxis entscheidende Fragestellung Rechtssicherheit schaffen kann, sollte eine Inbetriebnahme der Windkraftanlagen vor dem tatsächlichen Übergang von Gefahr und Lasten vermieden werden. Diese Thematik spielt insbesondere für geschlossene Beteiligungsfonds im Bereich Erneuerbare Energien eine Rolle.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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