Halbjahresfinanzbericht nach IFRS: Auswirkungen geopolitischer Unsicherheiten

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​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 4. Juli 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten 

 

​Bestimmte Unternehmen sind zur Halbjahresfinanzberichterstattung nach IFRS verpflichtet und müssen den Kapitalmarkt über unterjährige Entwicklungen seit dem letzten Abschlussstichtag informieren. Die derzeitige erhöhte Schlagzahl an geopolitischen Ereignissen und deren ökonomischen Konsequenzen steigern die Bedeutung der Zwischenberichterstattung nochmals. Das Institut der Wirtschafts­prüfer (IDW) nimmt dies vor dem Hintergrund der bevorstehenden Veröffent­li­chungs­welle der Halbjahresfinanzberichte 2025 zum Anlass, zu ausgewählten Frage­stellungen im Rahmen eines fachlichen Hin​weises​ Stellung zu nehmen.​


 
 

Hintergrund und Inhalte des fachlichen Hinweises des IDW

Konzerne, deren Aktien oder Schuldtitel an einem organisierten Markt gehandelt werden, müssen nach § 115 WpHG i.V.m. § 117 WpHG einen Halbjahresfinanzbericht nach den Regelungen der IFRS und somit unter Beachtung von IAS 34 „Zwischenberichterstattung“ veröffentlichen. Die Aufgabe des Zwischenberichts ist es, eine unterjährige Aktualisierung des letzten Abschlusses bereitzustellen und insbesondere über neue Tätigkeiten, Ereignisse oder Umstände zu berichten (IAS 34.6).

Die Halbjahresfinanzberichterstattung ist in Zeiten großer geopolitischer Dynamik besonders bedeutsam. Sie stellt ein wichtiges Instrument zur Information der Kapitalmarktakteure über die teils erheblichen ökonomi­schen Konsequenzen dieser Entwicklungen für die einzelnen Unternehmen dar. Diese können sich beispiels­weise aus volatilen Rohstoffpreisen, Wechselkursen, Zinsniveaus wie auch aus Handelsbeschränkungen oder Lieferengpässen ergeben. Das IDW adressiert daher mit Blick auf die bevorstehende Halbjahresberichtssaison 2025 in einem fachlichen Hinweis  verschiedene ausgewählte Bilanzierungsbereiche, die von den derzeitigen geopolitischen Unsicherheiten in besonderem Maße betroffen sein können.

Werthaltigkeit von Vermögenswerten

​Ein immer wiederkehrendes Fokusthema in turbulenten (Krisen-)Zeiten ist die Frage nach der Werthaltigkeit von Vermögenswerten. Die Diskussion betrifft im Grunde die gesamte Aktivseite der Bilanz. So könnte es im Vorratsbereich beispielsweise aufgrund von Importzöllen oder Kostensteigerungen (z.B. aus Transport und Logistik) zu Wertminderungen auf einen niedrigeren Nettoveräußerungspreis kommen. Auch für Forderungen könnte sich nach dem Modell der erwarteten Kreditverluste des IFRS 9 ein höherer Abwertungsbedarf ergeben. Wird einem Kunden gegenüber Leistung erbracht, obwohl nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser auch bezahlen kann, so scheidet eine Umsatzrealisierung bereits in einem ersten Schritt aus (IFRS 15.9). Auch aktive latente Steuern könnten möglicherweise nicht mehr durch zukünftig erwartetes zu versteuerndes Ergebnis gedeckt und daher im Wert zu berichtigen sein. Im Kontext der Bilanzierung von (unsicheren) Steuerpositionen könnte zudem die Anwendung von IFRIC 23 erforderlich werden.

Der wohl am meisten diskutierte Bereich im Zusammenhang mit der Werthaltigkeit von Vermögenswerten stellt allerdings die Wertminderungsprüfung (Impairment-Test) nach IAS 36 für langfristige nichtfinanzielle Vermögenswerte dar. Geänderte Rahmenbedingungen können möglicherweise als Anhaltspunkte für eine Wertminderung zu betrachten sein (siehe IAS 36.12 f. für eine nicht abschließende Auflistung möglicher Indikatoren). Sofern ein solcher Anhaltspunkt vorliegt, ist der erzielbare Betrag zu schätzen, wozu regelmäßig künftig erwartete Zahlungsströme diskontiert werden. Die Ausgangsbasis solcher Schätzungen ist die Unternehmensplanung, welche in unsicheren Zeiten mit einer hohen Dynamik der geopolitischen Entwick­lungen eine große Herausforderung für das Management darstellt. Schließlich sind nicht nur die globalen Entwicklungen an sich schwer zu prognostizieren, sondern auch die sich daraus ergebenden unternehmens­indi­vi­​duellen Auswirkungen. Das IDW empfiehlt daher die Anwendung des sogenannten „Expected-Cashflow-Ansatzes“, bei dem mehrere wahrscheinlich­keits­​gewichtete Szenarien betrachtet werden, um die besondere Unsicherheit angemessen zu berücksichtigen und eine transparente Herleitung des erzielbaren Betrags sicherzustellen. Neben der Frage nach der Werthaltigkeit sind beim langfristigen nichtfinanziellen Vermögen auch die unterstellten Nutzungsdauern zu überwachen und gegebenenfalls anzupassen.

Weitere Auswirkungen auf die Bilanz

​Auf der Passivseite können sich ebenfalls vielfältige Auswirkungen ergeben. Bei Verbindlichkeiten mit Kreditklauseln (sog. Covenants) könnte sich möglicherweise die Frage nach dem korrekten Ausweis als kurz- oder langfristig stellen. Hierzu sind die Regelungen der seit dem 01.01.2024 verpflichtend anzuwendenden Änderung an IAS 1​  zur Klassifizierung entsprechender Verbindlichkeiten zu beachten. Im Bereich der Rückstellungen ist zu überprüfen, ob bestimmte Verträge belastend geworden sind und insofern eine Rückstellung zu bilden ist. Auch das Thema der Restrukturierungs­​rückstellungen gewinnt in Krisenzeiten an Relevanz und ist ein häufiger Diskussionspunkt. Darüber hinaus weist das IDW darauf hin, dass sich geopoli­tische Unsicherheiten auf vom Unternehmen gebildete Sicherungsbeziehungen (Hedge Accounting) auswirken und hierbei sowohl die Anwendungsvoraussetzungen als auch die Effektivität betreffen können.

Erläuterungen im Anhang

​Neben einer sachgerechten Darstellung der wirtschaftlichen Lage im Zahlenwerk von Bilanz und Gesamt­er­geb­nisrechnung kommt auch den erläuternden und ergänzenden Anhangangaben eine besondere Bedeutung zu. Das IDW weist in diesem Zusammenhang auf IAS 34.15 hin, wonach die Ereignisse und Geschäftsvorfälle zu erläutern sind, die für das Verständnis der Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres erheblich sind. Auch die allgemeine Angabepflicht aus IAS 1 zu Unsicher­heiten bei Schätzungen, den entsprechend getätigten Annahmen und den ausgeübten Ermessensspielräumen betont das IDW nochmals explizit. Daneben sind nach der Berichtsperiode eingetretene Ereignisse i.S.d. IAS 10 auch im Zwischenbericht anzugeben, sodass Unternehmen auch die Entwicklungen nach dem Zwischen­berichts­stichtag weiterverfolgen müssen. Sofern solche Entwicklungen die Fortführungsfähigkeit betreffen und die Going-Concern-Annahme nicht länger als erfüllt betrachtet werden kann, ist der Zwischenbericht nicht länger unter dieser Annahme aufzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn die negativen Entwicklungen erst durch ein Ereignis nach der Berichtsperiode ausgelöst wurden.

Fazit

​Unternehmen dürften durch die Krisen der letzten Jahre bereits erprobt darin sein, die möglichen bilanziellen Auswirkungen im Blick zu behalten und sachgerecht in der Finanzberichterstattung zu berücksichtigen. Die zunehmende Dynamik geopolitischer Ereignisse in jüngster Zeit veranlasste das IDW gleichwohl dazu, nochmals explizite Hinweise für die Halbjahres­finanz­bericht­​erstattung nach IFRS zu geben. Die Auswirkungen können sich durch den gesamten Abschluss ziehen und betreffen neben dem „Klassiker“ der Werthaltigkeit von Vermögenswerten vielfältige weitere Bereiche bis hin zu Erläuterungen der Unsicherheiten im Anhang. Aus Unternehmenssicht erscheint es daher ratsam, die Hinweise des IDW zum Anlass zu nehmen, um die unternehmensindividuellen Auswirkungen der geopolitischen Rahmenbedingungen genau zu analysieren.

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