Inhaltsgleicher Zweitbeschluss ist bei materiellen Fehlern meist unzulässig

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veröffentlicht am  18.7.2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 10. Februar 2023, Az.: V ZR 246/21

Ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss einer WEG, der bereits im Vorfeld als ungültig betrachtet wurde, ist nur sehr beschränkt zulässig.

 
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mehrheit in einer Eigentümerversammlung die Jahresabrechnungen für 2016 und 2017 beschloss. Der damalige Beschluss wurde im Rahmen zweier Anfechtungsprozesse – angestoßen von einer Minderheit der Gemeinschaft – durch das Amtsgericht aufgrund inhaltlicher Fehler für ungültig erklärt. Die Entscheidungen wurden rechtskräftig. Im Jahr 2019 fasste die Mehrheit der WEG erneut, mit den für ungültig erklärten Beschlüssen inhaltsgleiche, Beschlüsse über die Abrechnungen der Jahre 2016 und 2017. Der Kläger wehrte sich hiergegen mit einer Beschlussmängelklage. Das Amtsgericht hat der Klage zunächst stattgegeben. Das Berufungsgericht wies sie jedoch ab. Sodann legte der Kläger Revision ein.

 
Der BGH betont zunächst, dass die Urteile der Vorprozesse keine entgegenstehende materielle Rechtskraft für die Zweitbeschlüsse bedeuten. Die Rechtskraft erstreckt sich immer nur auf den konkreten Beschluss. Somit steht rechtskräftig lediglich fest, dass der für ungültig erklärte Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach. Ein Zweitbeschluss mit gleichem Inhalt ist jedenfalls dann ohne Weiteres zulässig, wenn der ursprüngliche Beschluss lediglich an einem formellen Fehler litt und der Zweitbeschluss der Behebung dieses formellen Fehlers dient. Dies stellt sich anders dar, wenn es um einen materiellen Fehler geht, denn dann darf nach Auffassung des BGH ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss nur dann gefasst werden, wenn besondere Umstände annehmen lassen, dass dieses Vorgehen im Vergleich zum Vorprozess eine ordnungsgemäße Verwaltung darstellt. Ein etwaiger Widerspruch zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung ergibt sich hierbei nicht aus der entgegenstehenden Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses, sondern vielmehr aus dem von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu beachtenden Minderheitenschutzes. Der mit einer Anfechtungsklage erfolgreich umgesetzte Minderheitenschutz würde nämlich faktisch ausgehebelt werden, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erneut einen inhaltsgleichen Beschluss fasst. Vor diesem Hintergrund wird der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung bei erneuter inhaltsgleicher Beschlussfassung nur dann gewahrt, wenn der ursprünglich benannte Mangel behoben worden ist oder wenn sich die darauf bezogenen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände geändert haben. Besondere Umstände in diesem Sinne kann eine geänderte Betrachtung in tatsächlicher Hinsicht oder rechtlicher Hinsicht durch eine überholte Rechtsansicht sein. Liegen diese Ausnahmefälle nicht vor, so ist der inhaltsgleiche Zweitbeschluss unzulässig.

 
Zum Schutz der Minderheitsrechte besteht im Zweitprozess grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass der inhaltsgleiche Zweitbeschluss keine ordnungsgemäße Verwaltung bedeutet und deswegen ebenso ungültig ist. Es obliegt daher der Mehrheit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die besonderen Umstände der Rechtmäßigkeit des Zweitbeschlusses darzulegen und zu beweisen. Die Folge eines unzulässigen Zweitbeschlusses ist somit die Anfechtbarkeit des Beschlusses mit dieser erleichterten Beweisführung. Eine Nichtigkeit hingegen wäre nur dann anzunehmen, wenn der Beschluss mit dem Ziel der Zermürbung der Minderheit in der WEG beschlossen würde.

 

Fazit:

Auch wenn die Rechtskraft eines Beschlusses einem neuen, inhaltlich gleichen Beschluss nicht entgegensteht, ist ein solcher Beschluss nur zulässig, wenn besondere Umstände vorliegen. Dies dient dem Minderheitenschutz, denn sonst könnte die Mehrheit mehrmals fehlerhafte Beschlüsse fassen und die in der Sache bereits im ersten Verfahren erfolgreiche Anfechtung durch die Minderheit hätte keine durchschlagende Wirkung für das künftige Handeln der Gemeinschaft.

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