Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilt Kapitalverwaltungsgesellschaft wegen fehlerhafter Risikoeinstufung eines Immobilienfonds

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​​​​​​veröffentlicht am 30. April 2025 | Lesedauer ca. 3​​​ Minuten


Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilt Kapitalverwaltungsgesellschaft wegen fehlerhafter Risikoeinstufung eines Immobilienfonds


Am 21. Februar 2025 entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 4 HK O 5879/24), dass die Beklagte, eine Kapitalverwaltungsgesellschaft mit Schwerpunkt in der Verwaltung von Immobilienfonds, es künftig unterlassen muss, für einen offenen Immobilienfonds einen Risikoindikator von "2 " oder "3 " zu verwenden. Stattdessen sei ein Risikoindikator von 6 erforderlich. Das Gericht gab damit einer Unterlassungsklage einer Verbraucherzentrale ("Klägerin ") statt und bestätigte ein bereits ergangenes Versäumnisurteil.

Sachverhalt und Entscheidung des Landgerichts:


Im Streitfall ging es um die Risikokategorisierung eines offenen Immobilienfonds, der durch die beklagte Kapitalverwaltungsgesellschaft verwaltet wird. Die Beklagte hatte den Fonds zunächst in der Risikoklasse "2 " (niedrig) und später in "3 " (mittelniedrig) klassifiziert. Die Klägerin wendete ein, dass der Fonds aufgrund seiner Bewertungsmethoden und der unregelmäßigen Preisfestsetzung einer höheren Risikostufe zugewiesen werden müsse.

Das Gericht folgte dieser Argumentation und entschied, dass die Risikokategorisierung nach der PRIIP-Verordnung (Verordnung (EU) 1286/2014) und der Delegierten Verordnung (DelVO, Verordnung (EU) 2017/653) nicht korrekt sei. Besonders ins Gewicht fiel ein Preisrückgang des Fonds um nahezu 17 % im Sommer 2024, der die hohe Volatilität des Produkts verdeutlichte. Das Gericht stellte fest, dass eine monatliche Neubewertung der Preisdaten erforderlich sei, um den richtigen Risikoindikator zu ermitteln. Gemäß Artikel 6 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (DelVO) wird der Risikoindikator eines Produkts auf Grundlage der Preisfestsetzung ermittelt. Produkte, deren Preise nicht mindestens monatlich festgelegt werden, müssen gemäß Anhang II, Teil 1, Nr. 4 lit. c) der DelVO in die Risikokategorie "6 " (hoch) eingeordnet werden. Die Beklagte hatte keine monatliche Neubewertung der Preise vorgenommen, was aus Sicht des Gerichts zu einer fehlerhaften Risikoeinstufung führe.

Das Gericht betonte, dass Fonds mit einer weniger frequenten Preisfestsetzung als monatlich, ein erhöhtes Risiko für die Anleger darstelle, da diese potenziell stärkeren Schwankungen unterworfen seien. Die Einstufung in die Risikokategorie "6 " war demnach notwendig, um die Risikotransparenz zu erhöhen und den tatsächlichen Volatilitätsgehalt des Fonds zu reflektieren, insbesondere da die DelVO in Anhang II, Teil 1, Nr. 2 auf Volatilität von 30-80 % bei Fonds dieser Risikokategorie hinweist.

Signalwirkung für die Branche


Das Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, der Auswirkungen auf andere Kapitalverwaltungsgesellschaften und Fondsanbieter haben dürfte, da bei einer Risikoeinstufung künftig eine genauere Betrachtung der Preisfestsetzungsverfahren erforderlich ist, um die Vorgaben der Delegierten Verordnung (DelVO, Verordnung (EU) 2017/653) einzuhalten. Die Entscheidung könnte zudem zu einer verstärkten regulatorischen Überprüfung führen und eine Neubewertung der Risikoklassifizierung in der gesamten Branche anstoßen. Somit besteht, unabhängig von einer Entscheidung im Berufungsverfahren, konkreter Handlungsbedarf:
Kapitalverwaltungsgesellschaften sind gehalten, ihre Risikoeinstufungen sowie die Preisfestsetzungs- und Neubewertungsverfahren ihrer Fonds regelmäßig zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer monatlichen Neubewertung könnte zum Anstieg der Betriebskosten führen und somit die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Produkte beeinträchtigen.

Ausblick und rechtliche Folgen


Angesichts einer kostenintensiven monatlichen Fondsbewertung sind durch das Urteil des Landgerichts erhebliche wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Kapitalverwaltungsgesellschaft und ihre Anleger zu erwarten. Die Beklagte hat bereits Berufung gegen das Urteil eingelegt, sodass eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg in den kommenden Monaten zu erwarten ist. In der Berufung wird voraussichtlich vor allem die Frage zur Anwendung der Risikokategorisierungen auf Immobilienfonds und die Berücksichtigung spezifischer Merkmale der Anlageklasse Immobilien im Rahmen der DelVO im Mittelpunkt stehen. Insbesondere die Annahme des Landgerichts bei Immobilienfonds eine Volatilität von 30-80% zu unterstellen, während Immobilien meist eine Volatilität von 5-15 % aufweisen, lässt Raum für ein divergierendes Berufungsurteil.

Unsere Expertise und Unterstützung:


Mit langjähriger Erfahrung im Bank- und Kapitalmarktrecht unterstützen wir Banken und Kapitalverwaltungsgesellschaften bei der rechtssicheren Erstellung von Basisinformationsblättern gemäß PRIIP-VO für Fondsprodukte. Wir bieten maßgeschneiderte Beratung und helfen dabei, die Anforderungen der PRIIP-Verordnung korrekt umzusetzen und potenzielle rechtliche Risiken zu minimieren. ​

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