Zur Form von Mietverträgen – Überblick und Entwicklungen in der Rechtsprechung zu § 550 BGB

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​Bei der Vorschrift des § 550 BGB handelt es sich um eine Regelung mit großem Einfluss auf die transaktionsrechtliche Praxis. Die Rechtsprechung hierzu befindet sich stetig im Fluss. Im Folgenden soll die Vorschrift des § 550 BGB kurz dargestellt werden und anschließend ein Blick auf die neusten Entwicklungen der Rechtsprechung genommen werden.
 

Wesentliche Aspekte und Hintergrund des § 550 BGB

Grundsätzlich ist ein Mietvertrag formfrei abschließbar, wobei sich jedoch schon aus Beweiszwecken ein schriftlich fixierter Vertrag aufdrängt. Soll ein Mietvertrag auf längere Zeit als ein Jahr befristet geschlossen werden, bedarf er gemäß § 550 BGB der Schriftform. Rechtsfolge eines unter Missachtung des § 550 BGB abgeschlossenen Mietvertrages ist die Unwirksamkeit der Mietdauer: Der Mietvertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann daher von jeder Partei ordentlich, das heißt unter Einhaltung der gesetzlichen Frist, gekündigt werden. Langfristige Investitionen und sämtliche Planungen können mit einem Mal obsolet werden. Es handelt sich daher um eine Vorschrift mit enormer Sprengkraft. 

Hintergrund des Schriftformerfordernisses ist in erster Linie der Schutz des Erwerbers einer Immobilie. Da dieser nach § 566 BGB vollumfänglich in den Mietvertrag eintritt, soll er sich durch schriftlich niedergelegte Vertragsunterlagen über das Bestehen und den Inhalt der übernommenen Rechte und Pflichten unterrichten können. 
 

Entwicklungen in der Rechtsprechung


Asset Deal
Unter den neueren Entscheidungen zur Schriftform findet sich ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Dezember 2013, Az. XII ZR 137/12, zu der Fallgestaltung, dass ein Mietvertrag im Wege eines Asset Deals übertragen wird. Mietgegenstand, Miete, Dauer, die Vertragsparteien und die wesentlichen Vertragsbedingungen müssen sich aus der von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Eine zusammenfassende Übersicht lediglich über Standort, Vermieter und Mieter genügt diesen Anforderungen nicht. Auch ein Verweis auf Inventare birgt Gefahren. 

Unterzeichnung nur durch Teile des Vorstandes
Mit Urteil vom 22. April 2015, Az. XII ZR 55/14, entschied der BGH, dass der Vertragsabschluss mit einer juristischen Person wirksam ist, wenn der Vertragspartner erkennen kann, dass die Unterschrift (auch) für ein nicht auftretendes Vorstandsmitglied abgegeben wurde. Im entschiedenen Fall ging es um eine Aktiengesellschaft. Bei einem Mietvertrag war nur die Unterschrift eines von mehreren Vorständen auf der Urkunde aufgebracht. Dies genügt aber nach Ansicht des BGH. Bringt dagegen eine Personenmehrheit nicht deutlich zum Ausdruck, dass die unterzeichneten Personen die Fehlenden vertreten, kann dies zum Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führen. 

Spätere Verstöße gegen § 550 BGB
Mit Urteil vom 17. Juni 2015 – Az. XII ZR 98/13 entschied der BGH, dass die Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB gewahrt ist, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vorhanden ist, die inhaltlich vollständig die Bedingungen eines später mündlich oder konkludent abgeschlossenen Mietvertrages enthält. Dies gilt auch, wenn der Vertragsschluss nicht den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB entspricht. Im Fall wurde das Vertragsangebot zum Anschluss des Mietvertrages durch den Vermieter nicht angenommen, sondern um eine Preisanpassungsklausel ergänzt und an den Mieter zurückgesandt. Der Mieter hat diesen – als neues Vertragsangebot nach § 150 Abs. 2 BGB zu qualifizierenden – Mietvertrag jedoch nicht schriftlich angenommen. 

Falsche Nummerierung von Nachträgen
Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschied mit Urteil vom 5. Juni 2014, Az. 1 O 2416/13, dass die Schriftform auch gewahrt bleibt, wenn Nachträge falsch nummeriert sind. Mit Beschluss vom 10. Juni 2015, Az. XII ZR 131/14, wies der BGH die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Ergibt sich der Gesamtinhalt einer mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel verschiedener Schriftstücke (zum Beispiel von unterschiedlichen Anlagen und Nachträgen), muss deren Zusammengehörigkeit zweifelsfrei kenntlich gemacht werden. Dies erfordert jedoch keine körperliche Verbindung. Vielmehr genügt zur Begründung einer einheitlichen Urkunde die Verbindung zu einer gedanklichen Einheit durch eine wechselseitige Bezugnahme oder durch andere äußere oder inhaltliche Merkmale, die eine zweifelsfreie Zuordnung ermöglichen. Kommt das Gericht durch eine primär vorzunehmende Auslegung zu dem Ergebnis einer einheitlichen Urkunde, schadet in diesem Fall auch eine falsche Nummerierung von Mietvertragsnachträgen nicht. 

Vertragswesentliche Punkte
Nach einer Entscheidung des BGH vom 25. November 2015, Az. XII ZR 114/14, sind Änderungen der Miethöhe immer vertragswesentlich und dürfen somit nur schriftlich vereinbart werden. Das gilt auch für Um- und Ausbauarbeiten. Zum Zweck der Vergrößerung der Mietfläche erfolgten im zu entscheidenden Fall zu Mietbeginn bestimmte Umbauten, die nicht schriftlich vereinbart wurden. Zudem vereinbarten die Parteien acht Monate nach Vertragsschluss mündlich eine Mieterhöhung um 20 Euro. Beides ist nach der Auffassung des BGH vertragswesentlich. Für die Miethöhe sei dies immer der Fall, wenn die Änderung für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht einseitig vom Vermieter widerrufen werden kann. 

Schriftformheilungsklauseln
Insbesondere im Bereich der sogenannten „Schriftformheilungsklauseln" ergingen einige bedeutende Entscheidungen. Hierunter versteht man Regelungen in Mietverträgen, die die Parteien verpflichten, an der Heilung von Schriftformverstößen mitzuwirken und aufgrund dieser Verstöße nicht zu kündigen. 

Nach einem grundlegenden Urteil des BGH vom 22. Januar 2014, Az. XII ZR 68/10, handelt ein Grundstückserwerber, der einen Mietvertrag aufgrund eines Schriftformmangels kündigt, trotz „Heilungsklausel" nicht treuwidrig. Die Schriftformheilungsklausel ist ihm gegenüber unwirksam. Der Grundstückserwerber soll gerade davor geschützt werden, an einen Mietvertrag gebunden zu sein, dessen Regelungen für ihn nicht vollständig aus dem Mietvertrag ersichtlich sind. Dies soll nach Ansicht des BGH sogar dann gelten, wenn der Grundstückserwerber von den Umständen, die vor seinem Eintritt in den Mietvertrag zur Formunwirksamkeit geführt haben, Kenntnis hatte. 

Diese Entscheidung bestätigte der BGH mit Urteil vom 30. April 2014, Az. XII ZR 146/12. Der BGH ergänzte darin, dass es nicht darauf ankommt, ob den Vertragsschließenden das Mietobjekt und die tatsächliche Nutzung der Flächen bekannt gewesen seien. 

Das OLG Braunschweig entschied mit Urteil vom 17. September 2015, Az. 9 U 196/14, dass ein Gewerberaummietvertrag, bei welchem es noch zu keiner Rechtsnachfolge durch Erwerb gekommen ist, im Falle einer wesentlichen Änderung des Vertrages ohne Einhaltung der Schriftform nicht unter Berufung auf den Formmangel gekündigt werden darf, wenn der Gewerberaummietvertrag eine Schriftformheilungsklausel vorsieht. Dies gilt auch, soweit die Schriftformheilungsklausel durch allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart wurde. Damit wird die Geltung zwischen den ursprünglichen Parteien unterstrichen. Die Wirksamkeit einer Schriftformheilungsklausel im Rahmen eines Formularmietvertrages ist jedoch noch nicht abschließend höchstrichterlich entschieden. 

Das OLG Frankfurt, Urteil vom 27. Februar 2015, Az. 2 U 144/14, ist der Auffassung, dass formularmäßige Schriftformheilungsklauseln zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses dem berechtigten Bedürfnis beider Mietvertragsparteien entsprechen und daher keine Benachteiligung des Vertragspartners darstellen. Die Entscheidung wird damit begründet, dass sich gegenläufige Interessen beider Parteien bezüglich der Vertragslaufzeit regelmäßig erst nach Vertragsschluss ergeben. Aufgrund dieser Erwägung soll eine Schriftformheilungsklausel nur dann für nicht anwendbar gehalten werden, wenn ein Grundstückserwerber – gerade entgegen § 550 BGB – an einer ordentlichen Kündigung des Mietvertrages wegen eines durch den Voreigentümer verursachten Formverstoßes gehindert wäre. 

Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 29. November 2012, Az. I-10 U 34/12, ist eine Standard-Schriftformheilungsklausel in Form einer AGB-Klausel insgesamt unwirksam, sofern diese nicht ausdrücklich den Erwerber von der Heilungspflicht ausnimmt. Dagegen vertritt das OLG Hamm mit Urteil vom 26. April 2013, Az. I 30 U 82/12, die Auffassung, auch ohne diese Einschränkung sei eine entsprechende Klausel wirksam. Daher empfiehlt es sich derzeit, die formularvertragliche Schriftformheilungsklausel auf die ursprünglichen Vertragsparteien zu beschränken und Erwerber des Mietgegenstandes von dem Anwendungsbereich der Klausel auszunehmen. 
 

Fazit

Aufgrund der besonderen Bedeutung für die Werthaltigkeit von Mietverträgen und den gravierenden Folgen eines Verstoßes, sollte immer größte Sorgfalt auf die Frage der Einhaltung der gesetzlichen und durch die Rechtsprechung konkretisierten Vorgaben verwendet werden. Dies gilt sowohl für den Ankauf von Immobilien als auch – und umso mehr – für die laufende Verwaltung und damit die Werterhaltung. Im Zweifel sind alle von dem ursprünglichen Mietvertrag abweichenden Abreden in Nachträgen zu dokumentieren, und seien sie auf den ersten Blick noch so unbedeutend.

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Harald Reitze, LL.M.

Rechtsanwalt, Attorney at Law (New York)

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